Griechenland:Mindestens 32 Abweichler - Tsipras kämpft um eigene Mehrheit

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  • Großbritannien wehrt sich gegen die Idee, dass sich auch Nicht-Euro-Staaten an Brückenfinanzierung für Griechenland beteiligen.
  • Griechenlands Premier Tsipras ist vor der Abstimmung über das Gipfel-Ergebnis mit Widerstand aus der eigenen Partei und vom Koalitionspartner konfrontiert.
  • Eine am Montag fällige Kreditrate an den IWF hat Griechenland nicht überwiesen.
  • Am Montagmorgen hatten sich die Regierung Tsipras und die Euro-Länder auf eine Grundlage für ein drittes Kreditprogramm geeinigt - hier als PDF.

Britische Regierung will keine Brückenfinanzierung leisten

Großbritannien will sich nicht an kurzfristigen Krediten für Griechenland beteiligen. Das berichten die Financial Times, die BBC und der Guardian übereinstimmend. Sie zitieren Schatzkanzler George Osborne: "Unsere Kollegen der Euro-Zone haben die Botschaft laut und deutlich erhalten: Es ist nicht hinnehmbar, in dieser Sache britische Unterstützung wieder aufzugreifen."

Osborne bezieht sich auf Jean-Claude Juncker. Der Kommissionspräsident hat offenbar vorgeschlagen, den EFSM für Griechenland wiederzubeleben, um eine Brückenfinanzierung zu ermöglichen. Der EFSM ist ein Schutzschirm aller 28 EU-Staaten und wurde 2013 vom ESM ersetzt. An diesem Stabilitätsmechanismus sind aber nur noch die 19 Euro-Staaten beteiligt. Würde der EFSM nun wiederbelebt, könnte er bereits zugesagte Finanzhilfen ausgeben, also auch Geld aus Großbritannien. Gegen diese Idee wehrt sich die Regierung.

Zuhause wird Alexis Tsipras viel erklären müssen - und das schnell. Denn schon bis Mittwoch soll das Parlament entscheiden. (Foto: dpa)

Tspiras muss um eigene Mehrheit in Athen bangen

Alexis Tsipras hat in Athen große Schwierigkeiten, eine eigene Mehrheit für die Beschlüsse des Brüsseler Gipfels zu finden. Mindestens 32 Abgeordnete von Syriza gelten als strikte Gegner einer weiteren Sparpolitik. Die Kreditgeber verlangen aber, dass der Kompromiss bis Mittwoch das griechische Parlament passiert. Nun wird deshalb auch ein Auseinanderbrechen von Syriza intern nicht mehr ausgeschlossen. "Ich hoffe, dass es nicht zu einer Spaltung kommt", sagt Vize-Innenminister George Katrougkalos der SZ. Der griechische Arbeitsminister Panos Skourletis rechnet allerdings mit Neuwahlen noch in diesem Jahr. Dem Staatssender ERT sagte er: "Im Moment gibt es das Problem einer Regierungsmehrheit."

Das liegt auch daran, dass völlig unklar ist, wie sich Tsipras' Koalitionspartner, die rechtspopulistische Anel, verhalten wird. "Es war ein Putsch seitens Deutschlands, Finnlands, der Niederlanden und Staaten des Baltikums", sagte Anel-Chef Panos Kammenos im griechischen Fernsehen nach einem Treffen mit Tsipras. Der Ministerpräsident sei von den Euro-Partnern erpresst worden. Wie sich seine Partei bei den anstehenden Abstimmungen verhalten wird, ließ Kammenos offen. Dagegen bot die Opposition Tsipras bereits ihre Stimmen an. "Wir sind entschlossen, das Paket zu unterstützen", sagte Dora Bakoyannis, Abgeordnete der konservativen Nea Dimokratia und frühere Außenministerin der SZ.

Europäische Zentralbank reagiert vorsichtig

Die Europäische Zentralbank verlängert zwar den bestehenden Notkreditrahmen in Höhe von knapp 89 Milliarden Euro bis Donnerstag. Doch zusätzliche Mittel möchte der EZB-Rat wohl erst dann gewähren, wenn sichergestellt sei, dass Griechenland am 20. Juli einen fälligen Milliardenkredit an die Zentralbank zurückzahlen kann. Dazu brauche es eine Brückenfinanzierung durch die Eurostaaten. Sollte Griechenland diesen Kredit nicht bezahlen, müsste die EZB ihre Nothilfen fällig stellen.

Der griechische Bankensektor steht kurz vor dem Ruin. Die Schließung der Banken wurde bis einschließlich Mittwoch verlängert. Seit Jahresbeginn haben Sparer etwa 40 Milliarden Euro von ihren Konten abgehoben, um es im Ausland oder zu Hause zu bunkern. Die Summe entspricht einem Viertel der gesamten Spareinlagen des Landes. Die Abhebungen wurden größtenteils durch Notkredite finanziert.

Eine am Montag fällige Kreditrate in Höhe von 456 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds konnte Griechenland nicht begleichen. Damit summiere sich der Zahlungsrückstand nunmehr auf zwei Milliarden Euro, teilte der IWF in der Nacht zu Dienstag mit.

Ergebnis erreicht: Privatisierungsfonds kommt

Die Euro-Länder und die griechische Regierung erreichen am Morgen eine Einigung, twittert EU-Ratspräsident Donald Tusk. Er schreibt: "Wir sind bereit für ein ESM-Programm für Griechenland mit ernsthaften Reformen und finanzieller Unterstützung."

Details nennt Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem auf einer Pressekonferenz: "Wir haben uns unter anderem auf einen Fonds geeinigt, der auf 50 Milliarden Euro angelegt ist. Griechische Vermögenswerte sollen dort hinein übertragen werden. Der Fonds soll diese dann veräußern - der Ertrag soll zum Schuldenabbau und für die Rekapitalisierung der Banken genutzt werden." Mehr zum Privatisierungsfonds - hier. Das offizielle Papier der Euro-Gruppe zur Einigung - hier als PDF.

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Das sagt Kanzlerin Merkel

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußert sich zufrieden über das Ergebnis der Verhandlungen. Damit seien die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sie dem Bundestag "aus voller Überzeugung" empfehlen könne, neuen Verhandlungen mit Griechenland zuzustimmen. Sie betonte, dass es gelungen sei, eine Einigung zu erzielen, obwohl "die wichtigste Währung, das Vertrauen" erschüttert worden sei. Dies müsse nun wieder aufgebaut werden.

Der Bundestag soll in einer Sondersitzung am Freitagvormittag über weitere Verhandlungen mit Griechenland entscheiden, wie Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) mitteilte. Bereits am Donnerstag könnten die Fraktionen tagen. Voraussetzung sei aber, dass bis dahin die erforderlichen Entscheidungen in Griechenland getroffen worden seien, betonte Lammert.

So sieht das Programm aus

Es solle ein Dreijahres-Programm mit einem Umfang von 82 bis 86 Milliarden Euro geben. Der geplante Privatisierungsfonds stehe auch unter europäischer Aufsicht. Er werde genutzt, um die Schulden an den ESM zurückzuzahlen. 12,5 Milliarden Euro seien für direkte Investitionen vorgesehen.

Bei der Frage, ob in dem Programm auch eine griechische Handschrift erkennbar sei, verwies Merkel auf den hohen Umfang des Programms. Auch sei ein Kompromiss, dass die 50 Milliarden Euro aus dem geplanten Treuhandfonds nicht ausschließlich für die Schuldenrückzahlung verwendet würden. Außerdem verwies sie auf ein geplantes Investitionsprogramm von 35 Milliarden Euro sowie darauf, dass die Laufzeiten der Kredite schnell verlängert werden sollen.

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Das sagt Ministerpräsident Tsipras

Nach der Einigung sagt der griechische Premier Alexis Tsipras, er habe das Beste erreicht, was für sein Land möglich gewesen sei. "Wir haben einen gerechten Kampf geführt. Jetzt stehen wir vor schweren Entscheidungen." Die Regierung habe erreicht, dass die Schulden umstrukturiert, das heißt auf lange Zeit hinausgeschoben, und die Banken mit Kapital versorgt würden: "Wir haben vermieden, dass wir finanziell erdrosselt werden und unser Banksystem kollabiert."

Tsipras war mit vier Kernforderungen in die Sitzung der Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder gegangen. Der deutsche "Grexit-auf-Zeit"-Vorschlag müsse vom Tisch, verlangte er - das ist geschehen. Bei den anderen Forderungen ist im Moment noch nicht klar, inwiefern sie in der Vereinbarung berücksichtigt werden: So sollten Tsipras zufolge von seiner Regierung beschlossene Gesetze, die nicht mit den Geldgebern abgestimmt waren, nicht rückgängig gemacht werden. Die griechischen Banken sollten Nothilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) sofort in Anspruch nehmen dürfen, damit sie wieder öffnen könnten. Auch hatte der Regierungschef auf eine klarere Formulierung zur Schuldenerleichterung gedrängt.

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