Griechenland:Land im Stillstand

Aerial Views Of The Greek Capital

Tanker und Containerschiffe liegen vor Athen vor Anker

(Foto: Bloomberg)
  • Weil die Banken zu sind, droht vielen Unternehmen die Schließung.
  • Das Beispiel Amerika zeigt, wie wichtig das Vertrauen in die Banken ist. In Griechenland ist es nun zerstört.

Von Hans von der Hagen, Matthias Kolb, Athen, und Nikolaus Piper

Rund um Athens zentralen Syntagma-Platz, in U-Bahn-Unterführungen oder an den Flughäfen: Seit zweieinhalb Wochen müssen die Griechen Schlange stehen vor Bankautomaten. 60 Euro pro Tag erhält jeder Inhaber eines griechischen Bankkontos - und oft sind es auch nur 50 Euro, weil die Zwanziger-Scheine ausgegangen sind. Meist bleiben die Menschen ruhig und gelassen: Sie lesen Zeitung oder blicken auf ihre Mobiltelefone, geredet wird kaum. Einer sagt: "Es bricht mir das Herz, wenn ich sehe, wie lang die Rentner warten müssen, um an ihr Geld zu kommen." Der Satz ist so oder so ähnlich oft zu hören.

Wie lange das so weitergehen wird, ist unklar. Aus Kreisen der Europäischen Zentralbank (EZB) hieß es, es werden noch mindestens vier Wochen keine normalen Bankgeschäfte möglich sein. Zuerst müsste die Rekapitalisierung der Finanzinstitute abgeschlossen sein. Griechenlands stellvertretender Finanzminister Dimitris Mardas sagte, die Banken könnten am Montag wieder öffnen, allerdings blieben die Beschränkungen für Barabhebungen und für Überweisungen ins Ausland in Kraft. So soll die massive Kapitalflucht gestoppt werden.

Am Donnerstag beschloss der EZB-Rat immerhin eine wichtige Erleichterung: Die Notfall-Liquidität ELA, die die Bank von Griechenland ausgeben darf, wurde um 900 Millionen Euro für eine Woche erhöht. Zuletzt lagen sie bei 90 Milliarden Euro. Damit kauft die EZB Zeit. Ohne ELA kommt derzeit keine griechische Bank aus, weil die Kunden zuvor panikartig ihre Einlagen abgezogen hatten. ELA ist eigentlich als Übergangsfinanzierung für im Grunde gesunde Banken gedacht. Ende Juni hatte die EZB ELA eingefroren.

Albtraum für Unternehmen

Aufschlussreich ist der historische Vergleich. Am 9. März 1933 schloss US-Präsident Franklin D. Roosevelt alle amerikanischen Banken, weil das Finanzsystem zusammengebrochen war. Bereits am 13. März, nach vier Tagen, öffneten die meisten wieder. Roosevelt war es gelungen, wieder Vertrauen zu schaffen, der Run auf die Banken blieb aus, es war der Anfang vom Ende der Krise. Wie Ministerpräsident Alexis Tsipras wieder Vertrauen schaffen soll, ist nicht zu sehen.

Alexander Kritikos, Ökonom beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, ist entsetzt angesichts der Aussicht auf weiterhin eingeschränkte Bankgeschäfte. "Dann kann man das Hilfspaket auch gleich wieder zurückziehen", sagt er. Ein Land ohne Banken ist ein gelähmtes Land. Die Unternehmen bekommen kein Geld mehr, sie können keine Vorleistungen kaufen, viele müssen schließen. Dass der Finanzbedarf Griechenlands in den vergangenen Tagen auf 100 Milliarden Euro regelrecht explodiert ist, hat wesentlich mit den Banken zu tun.

Mina Fidas, 79, Chefin der größten Schuhfabrik des Landes, schildert, wie desaströs das alles wirkt. Das Unternehmen - es produziert die Marke Boxer - habe genügend Geld, um Lieferungen aus dem Ausland zu bezahlen - das Leder liege schon in italienischen und ägyptischen Häfen bereit. Doch es sei derzeit nicht möglich, Geld ins Ausland zu überweisen. "Teilweise mussten wir unsere Produktion stilllegen", obwohl genügend Aufträge eingingen. Wenn nichts geschehe, müsse die Fabrik am Montag schließen.

Der Athener Apotheker Jannis Sakellaris berichtet, dass er immer häufiger Kunden ohne die gewünschte Medizin wegschicken muss. Sakellaris spürt die Kapitalverkehrskontrollen: "Alle meine Kunden bezahlen mit EC- oder Kreditkarten, was ich akzeptieren muss. Mir fehlt aber das Bargeld, um alle die Medikamente zu kaufen, die ich benötige."

Die Rekapitalisierung der Banken ist Aufgabe Athens. Das jüngste Hilfspaket der Europäer sieht zwischen zehn und 25 Milliarden Euro aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) vor. Kyros, 59, ist beim Staat beschäftigt und steht in Athen vor einem Geldautomaten. Er sei so wütend auf Europa, sagt er. "Wie ist es möglich, die Banken in einem Land so lange zu schließen? Tsipras hat doch alles getan, was Brüssel wollte."

Eine Bankangestellte erzählt, dass die Kunden überraschend ruhig blieben, obwohl viele fürchteten, dass Euro-Guthaben in Drachmen getauscht werden könnten. Am schlimmsten sei, dass nun das Vertrauen in die Geldinstitute auf Jahre hinaus zerstört sein dürfte. Gleichzeitig ist die Frau, die ihren Namen nicht in den Medien lesen möchte, aber dagegen, jetzt die Institute wieder zu öffnen. Die Kunden würden sofort ihr Geld abziehen. In den Instituten wird indes weiter regulär gearbeitet: Die Geldautomaten müssen gefüllt und die üblichen Papierarbeiten erledigt werden. "Die Wirtschaft bewegt sich noch", sagt die Angestellte. Nur das eben jetzt alle mit Bankkarten bezahlten. Für viele Firmen sei das problematisch, weil die ihre Lieferanten in bar bezahlen müssten und kein Onlinebanking nutzten. Gefährlich sei daneben, dass viele Leute derzeit ihre Rechnungen nicht mehr bezahlten und Steuern sowieso nicht. "Alle warten jetzt erst mal ab, was passiert."

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