Griechenland in der Krise:Wie die Troika unter neuem Namen agiert

Reaction As Euro Area Gives Greece Four Month Extension

Anti-Troika-Graffito in Athen.

(Foto: Bloomberg)
  • Den Namen Troika gibt es regulär nicht mehr.
  • Die Delegationsleiter der Troika-Missionen sollen in Brüssel bleiben.
  • Die "technischen Teams der Kreditgeber" tragen in Athen die notwendigen Daten zusammen.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Nun also ist die Troika doch wieder in Athen. Sie heißt jetzt nicht mehr so. Doch ihre Abgesandten machen in der griechischen Hauptstadt genau das, was sie auch im vergangenen Jahr und den Jahren zuvor schon gemacht haben. Offiziell ist von "technischen Teams der Kreditgeber" die Rede, die parallel zu den "Hauptgesprächen in Brüssel" die Bücher prüfen. Offenkundig ist die finanzielle Not in Athen so groß, dass Ministerpräsident Alexis Tsipras den neuen Buchprüfungen nach wochenlangem Zaudern zustimmen musste - entgegen seinen Ankündigungen. Die Prüfungen sind Voraussetzung dafür, dass ausstehendes Hilfsgeld an sein Land ausgezahlt werden kann.

Stimmung erfassen

Damit Tsipras daheim sein Gesicht wahren kann, haben die Euro-Partner ein kompliziertes Konzept entwickelt. Die Delegationsleiter der Troika-Missionen sollen in Brüssel bleiben und dort darüber verhandeln, welche Schlussfolgerungen aus den Daten und Fakten zu ziehen sind, die ihre Buchprüfer in Athen zusammentragen. Konkret bedeutet das: Die Mitglieder der technischen Teams der Institutionen sprechen von diesem Donnerstag an in den griechischen Ministerien vor und bitten um Einsicht in die Bücher. Sie reden direkt mit griechischen Beamten, sie lassen sich Listen mit Staatsbetrieben, Staatsbediensteten und Steuerzahlen vorlegen. Und immer sind alle drei Institutionen, die früher mal Troika hießen, zusammen.

Das sei nötig, hieß es aus Kreisen der Europäischen Zentralbank. Man müsse immer als Gruppe auftreten und nicht einzeln. Das erhöhe die Sicherheit, verlässliche Zahlen zu bekommen. Es sei auch nicht ausreichend, beispielsweise von Brüssel aus nur per Datenleitung auf die griechischen Computer zuzugreifen. Die Systeme seien mitunter instabil. Vor allem aber sei es nötig, einen Eindruck von der Stimmung zu bekommen, zu hören, was die Bürger in Griechenland zu leisten bereit sind, und was nicht.

Bereits 2010 hatten die "Institutionen" ein Team von Experten für Finanzen, Steuern, Privatisierung, Wettbewerbsrecht und Arbeitsmarkt nach Griechenland geschickt. Damals gehörte Matthias Mors dazu, ein erfahrener und besonnener Beamter der EU-Kommission. Das Team hatte so ähnliche Aufgaben zu erledigen wie eine Unternehmensberatung mit angeschlossener Steuerprüfung. Also, Einnahmen und Ausgaben feststellen, Rechnungen prüfen und Fehlbuchungen, schauen, wo effizienter gewirtschaftet werden könnte.

Die dramatische Krise in Griechenland machte den Volkswirtschaftler Mors zu einem von drei Chefs der sogenannten Troika, zu denen neben der Brüsseler Behörde noch der Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank zählten. Die Kreditgeber Griechenlands hatten die drei Institutionen, die der Einfachheit halber Troika genannt wurde, damit beauftragt, zu überprüfen, ob die griechische Regierung die an die Hilfskredite geknüpften Verpflichtungen erfüllte. 240 Milliarden Euro haben sie überwiesen.

Anfangs logierten Buchprüfer in teuersten Hotels

Dass Kreditgeber schauen, was mit dem Geld passiert, ist normal. Eher ungewöhnlich aber war der Spießrutenlauf, der für Mors und seine Leute in Athen begann. Die Gesandten der Kreditgeber wurden zu Gesichtern eines neoliberalen Europas, zu Sparkommissaren ohne demokratische Kontrolle. Personenschützer mussten sie begleiten. Die Zusammenarbeit mit den griechischen Behörden war schwierig. Termine wurden verschoben oder gestrichen.

Furchtbar, wie das Volk leide

Die Buchprüfer bekamen Dokumente in griechischer Sprache, die sie nicht verstanden. Sie bekamen Übersetzungen ins Englische, die nicht mit den Originalen übereinstimmten, was sich oft erst später herausstellte. Sie bekamen Zahlen, die sich nicht nachrechnen ließen. Manchmal bekamen sie überhaupt nichts, so dass Mors und seine Leute tage- oder wochenlang auf gepackten Koffern saßen, stets auf Abruf, nach Athen oder wieder zurück nach Brüssel zu fahren.

2014 hörte Mors auf. Wer ihn danach in seinem Büro in einer Brüsseler Außenstelle der EU-Kommission traf, erlebte einen nachdenklichen Beamten. Vieles, was er erlebt habe, sei vertraulich, sagte er. Aber es sei furchtbar, wie das Volk leide. Über die Verantwortung der politischen Klasse schwieg er - mit dem Hinweis, "nur ein kleiner Beamter" zu sein.

Anfangs waren die Buchprüfer indes auch wenig sensibel. Sie logierten in teuersten Hotels, ließen sich von Taxis kutschieren. Zur selben Zeit brachen die Jobs der Bürger weg, sanken die Löhne, stiegen die Mieten. Für die Bürger war klar, wer an dem Elend schuld hatte: die Troika. Weder die sozialistische noch die konservative Regierung fühlte sich bemüßigt, der Wahrheit auf die Sprünge zu helfen - dass erst die Krise kam und dann die Troika. Dass die Schuld der Misere zuerst in Griechenland und bei den dortigen politischen Verhältnissen zu suchen sei.

Auf die verbreitete Empörung über die Troika setzte Syriza-Chef Tsipras bei den vorgezogenen Neuwahlen im Januar 2015. Er versprach im Wahlkampf, nie mehr die verhassten Buchprüfer der Troika ins Land zu lassen - und gewann. Das Versprechen trug ihn bis in das Amt des Regierungschefs. Nun musste er seine Zusage stillschweigend widerrufen.

Ob die neue Prüf-Mission wieder mit Personenschützern ausgestattet ist, war am Mittwoch nicht zu erfahren. Man könne "nicht jedes Detail" kommunizieren, hieß es in Brüssel.

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