Griechenland in der Krise:Bosbach sieht Signale für weitere Finanzhilfen

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Der bevorstehende Besuch von Bundeskanzlerin Merkels in Griechenland ist nach Ansicht von CDU-Politiker Bosbach ein Signal, dass bald weitere Finanzhilfen nach Athen fließen. Die Europäische Zentralbank bleibt zwar skeptisch. Doch die Verhandlungen des verschudeten Landes mit der Troika machen offenbar Fortschritte.

DIe Zeichen für weitere Griechenland-Hilfen mehren sich. Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach interpretiert den angekündigten Griechenland-Besuch der Kanzlerin als politische Vorentscheidung für weitere Hilfen an das angeschlagene Land. "Ich gehe davon aus, obwohl der Bundestag das letzte Wort hat bei dieser Frage, dass dieser Besuch auch ein Signal ist für die deutsch-griechische Solidarität", sagte der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete am Samstag im Deutschlandfunk. Er fügte hinzu, mit der Reise "avisiert die Bundeskanzlerin, dass wohl die nächste Tranche an Griechenland ausgezahlt werden wird".

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Grundsätzlich hat Bosbach, der selbst weitere Gelder an Griechenland ablehnt, jedoch keine Einwände gegen den Staatsbesuch. So habe der griechische Ministerpräsident vor einigen Wochen Deutschland besucht. "Dass die Bundeskanzlerin nun den Gegenbesuch abstattet, ist völlig in Ordnung", sagte Bosbach. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Dienstag, 9. Oktober, zu politischen Gesprächen nach Athen reisen und trifft dort mit Regierungschef Antonis Samaras zusammen.

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Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgefordert, bei ihrem Besuch in Griechenland am Dienstag auch den linken Oppositionsführer Alexis Tsipras und Gewerkschaftsvertreter zu treffen. "Wenn sie dem Widerstand gegen die brutalen Kürzungen nicht mal ein Ohr schenkt, verschärft sie die Polarisierung im Land", sagte Riexinger der Süddeutschen Zeitung. In Griechenland drohe spätestens im Winter "eine humanitäre Katastrophe, auf die Europa eine Antwort finden muss".

ESM-Chef Regling sieht große Fortschritte

Der Chef des dauerhaften Euro-Rettungsfonds ESM, Klaus Regling, warnte derweil vor weiteren Diskussionen über ein mögliches Ausscheiden Athens aus dem Euro: "Ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion wäre die teuerste aller denkbaren Lösungen." Regling sah im Kampf gegen die Schuldenkrise große Fortschritte: "Die Krise ist noch nicht vorbei. Aber wir haben mehr als die Hälfte des Weges bei den nationalen Anpassungslasten geschafft", sagte Regling der Zeitung Rheinische Post. Die Divergenzen zwischen den Euro-Staaten bei Haushalts- und Leistungsbilanzdefiziten verringerten sich seit zwei Jahren. Und die Wettbewerbsfähigkeit in allen südlichen Mitgliedsländern der Euro-Zone steige. Dennoch hält Regling weitere Einschnitte in den Krisenstaaten für erforderlich. "Meine größte Sorge ist, dass einige Krisenländer nicht die politische Kraft haben, den schmerzhaften, aber wirksamen Reformkurs bis zum Ende durchzuhalten. Das wäre eine Katastrophe."

Die griechische Regierung ringt mit den internationalen Geldgebern weiter um das milliardenschwere Sparpaket. Am Samstag traf Griechenlands Finanzminister Ioannis Stournaras erneut mit Vertretern der Geldgeber-Troika aus Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) zusammen. Die griechische Regierung will bis Sonntagabend zumindest die Sparmaßnahmen für 2013 unter Dach und Fach bringen. Am Montag treffen in Luxemburg die Finanzminister der Eurozone zusammen.

Die Troika hat bisher nicht das neue Sparprogramm Griechenlands in Höhe von 14,5 Milliarden Euro gebilligt. Dies ist die Voraussetzung für die Freigabe einer neuen, dringend benötigten Hilfstranche von 31,5 Milliarden Euro. Die Finanzminister der Eurozone werden am Montag nur einen Zwischenbericht erhalten - wann die endgültige Version vorliegen wird, ist bisher offen. Auch beim EU-Gipfel am 18./19. Oktober werden keine Entscheidungen zu Griechenland erwartet.

Die Troika fordert griechischen Medienberichten zufolge für das kommende Jahr Einsparungen in Höhe von 8,8 Milliarden Euro anstatt der ursprünglich anvisierten 7,8 Milliarden Euro. Nach Einschätzungen aus dem Finanzministerium dürfte dies die Rezession weiter verschärfen. Zuletzt war die griechische Regierung davon ausgegangen, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2013 um 3,8 Prozent schrumpft. Am Freitag hatte das Statistikamt Elstat die Zahlen für 2011 korrigiert. Demnach schrumpfte die griechische Wirtschaft im vergangenen Jahr nicht um 6,9 Prozent, sondern um 7,1 Prozent.

Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht nach den Worten ihres Direktoriumsmitglieds Jörg Asmussen keine Möglichkeit, der Bitte des griechischen Ministerpräsidenten nach finanziellen Erleichterungen zu entsprechen. Asmussen sagte der Zeitung Bild am Sonntag: "Wir können weder die Laufzeiten für griechische Anleihen verlängern, noch die Zinsen senken. Beides wäre eine Form von Schuldenerlass und damit eine direkte Finanzierung des griechischen Staates. Das aber ist der EZB rechtlich nicht erlaubt."

Für Asmussen ist es auch "kein Selbstläufer", dass Griechenland im November die nächste Tranche der vereinbarten Hilfszahlungen erhält und damit vor der Pleite gerettet wird: "Meine klare Präferenz ist, dass Griechenland im Euro bleibt. Aber der Schlüssel dafür liegt in Athen. Die Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Tranche an Griechenland ist, dass das Haushaltsloch für 2013/2014 geschlossen wird und umfangreiche Strukturreformen durchgeführt werden.

Die beiden größten Banken des Landes wollen fusionieren

Im Bankensektor tut sich in Griechenland bereits etwas: Unter dem Eindruck der seit drei Jahren anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise wollen die beiden größten griechischen Banken fusionieren. Die National Bank of Greece (NBG) gab am Freitag bekannt, dass sie der Eurobank ein Angebot für einen Zusammenschluss unterbreitet hat. Die NBG erklärte, Eurobank-Aktionäre sollten für 100 alte Aktien 58 neue erhalten. Eurobank-Chef Nikolaos Nanopoulos kündigte an, den Vorschlag im "konstruktivem Geiste" prüfen zu wollen.

NBG-Chef George Zannias erklärte, Ziel sei es, eine Bankengruppe in Griechenland zu schaffen, die das Bankensystem des Landes stabilisieren und die notwendige Unterstützung für die wirtschaftliche Erholung bieten könne. Zusammen kommen beide Institute auf Einlagen von 87,9 Milliarden Euro und Kredite von 109,7 Milliarden Euro. Sie haben ein Netzwerk von 925 Zweigstellen. Erste Fusionsgerüchte hatten am Freitag dazu geführt, dass die Kurse der NBG und der Eurobank an der Börse um 4,5 Prozent beziehungsweise 5,5 Prozent stiegen. Die Börsenaufsicht setzte die Aktien deshalb vom Handel aus. Bankaktien stiegen an diesem Tag um rund zehn Prozent.

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