Griechenland-Hilfe: Troika-Bericht:Steinmeier geht mit Merkel hart ins Gericht

Während Angela Merkel um Zustimmung zu neuen Hilfen für das marode Griechenland wirbt, bezweifeln Wirtschaftsexperten, dass das Land so zu retten ist. Und SPD-Fraktionschef Steinmeier geht hart mit der Europapolitik der Kanzlerin ins Gericht. Er wirft ihr sogar vor, Ressentiments gegen Südeuropäer zu schüren.

Ein Land kämpft um das finanzielle Überleben: Zur Vermeidung einer Staatspleite benötigt Griechenland nach Angaben von EU-Diplomaten 90 Milliarden Euro zusätzlich an Finanzhilfen.

Angesichts dieser enormen Summe rückt die Bundesregierung die Beteiligung privater Gläubiger in den Fokus: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in der Sitzung der Unions-Fraktion laut Teilnehmern: "Es muss ein privater Beitrag geleistet werden." Sie unterstützte damit die Position von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier geißelte unterdessen die Politik der Kanzlerin. "Merkel hat keine Haltung zu Europa", sagte er der Berliner Tageszeitung. In Brüssel halte Merkel Reden zur europäischen Solidarität, wenn es gerade passe. Zuhause zeige sie ein anderes Gesicht: "Ein anderes Mal - im Sauerland - bedient sie den Stammtisch mit allen Ressentiments gegen Südeuropäer. Das ist nicht nur keine Linie. Das ist eine gefährliche Form der Europapolitik."

"Quasi auf dem Weg zu einem Stabilitätspakt II"

Der FDP-Fraktionsvorsitzende und ehemalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle nannte eine Beteiligung privater Gläubiger eine unerlässliche Vorbedingung für weitere Finanzhilfen für Griechenland. Einwände Frankreichs wischte er im ARD-Morgenmagazin beiseite: "Die Franzosen haben ihre Schwierigkeiten damit, weil sie höhere Forderungen gegenüber Griechenland haben als Deutschland. Aber am Schluss muss man sich finden." Dabei gelte nunmal das "Prinzip der Einstimmigkeit".

Von der griechischen Regierung forderte Brüderle weitere Schritte, umd ie Krise zu bewältigen. Es könne keinen Blankoscheck geben, sagte er. Hilfe könne es nur gegen Eigenleistungen geben. Im Morgenmagazin verteidigte er die von Finanzminister Schäuble geforderte Umschuldung. Die Alternative dazu sei zu riskant: "Alle wissen, dass es ernst ist. Wenn Griechenland in einen unkontrollierten Staatsbankrott abgleiten würde, sind es Gefahren, die keiner richtig abschätzen kann."

Die Bundestagsfraktionen von FDP und Union wollen nun einen gemeinsamen Antrag formulieren, in dem sie ihre Position klarstellen. Dieser solle im Kern eine "Härtung" dessen beinhalten, was bisher im Euro-Stabilitätspakt vorgesehen war, sagte Brüderle: "Wir wären quasi auf dem Weg zu einem Stabilitätspakt II." Der Antrag soll dann am Freitag im Bundestag verabschiedet werden.

Wirtschaftswissenschaftler für Schuldenerlass

Auch der FDP-Bundestagsfraktionsvize Patrick Döring unterstützt die Forderung Merkels und Schäubles nach einer Beteiligung privater Gläubiger an einem weiteren Hilfspaket. Der FDP-Politiker begrüßte in der Neuen Osnabrücker Zeitung den Ruf nach einem neuen Hilfspaket, das nur zu vierzig Prozent durch neue Bürgschaften der Euro-Mitgliedstaaten finanziert werde. Für Döring ist die Beteiligung privater Gläubiger kein "Kann", sondern ein "Muss".

FDP-Fraktionsvize Jürgen Koppelin würde notfalls auch eine Staatspleite Griechenlands riskieren. Falls das Land im Gegenzug zu weiteren Hilfen nicht noch härtere eigene Anstrengungen zur finanziellen Gesundung unternehme, würde er das zulassen, sagte Koppelin dem Deutschlandfunk am Donnerstag. "Wenn's sein muss und wenn es keinen anderen Weg gibt, wenn ich nicht überzeugt bin von den Maßnahmen, dass die dann auch greifen, würde ich sagen ja", sagte er, schränkte allerdings ein: "Aber so weit sind wir ja noch nicht."

Manche Abgeordnete wie Hans Michelbach (CDU) wünschen sich, dass der Bundestag bei Hilfspaketen stärker eingebunden wird: Er forderte einen Parlamentsvorbehalt für weitere Zahlungen an angeschlagene Euro-Staaten.

Weniger begeistert als die Koalitionspolitiker zeigen sich die zwei deutschen Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn und Clemens Fuest: Griechenland ist aus ihrer Sicht nicht allein mit einer Verlängerung der Staatsanleihen vor der Pleite zu retten. Sie fordern einen Schuldenerlass für Griechenland. "Es ist bei Griechenland nicht mit einer Laufzeitverlängerung getan, denn das Land hat kein bloßes Liquiditätsproblem, sondern ist insolvent", sagte Sinn, Chef des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, der Rheinischen Post.

"Da man das griechische Staatsvermögen kurzfristig nicht verkaufen kann, führt an einem Schuldenerlass kein Weg mehr vorbei", sagte Sinn. Die Befürchtung der EZB, dass es im Falle eines Schuldenschnitts zum Zusammenbruch des Bankensystems kommen könnte, teilte Sinn nicht. "Die Märkte haben die Abwertung der griechischen Papiere um gut 40 Prozent lange realisiert. Niemand ist mehr überrascht, wenn die Politik anerkennt, was der Markt schon lange weiß." Die Banken hätten für diesen Fall schon Vorsorge getroffen.

Auch der Finanzwissenschaftler Fuest sagte der Zeitung, eine Pleite Griechenlands lasse sich mit der Laufzeitverlängerung nicht verhindern, sondern nur hinauszögern. Fuest, der Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Finanzminister Schäuble ist, riet der EU, parallel zum Schuldenschnitt ein Bankenstützungsprogramm aufzulegen. "Man muss Vorkehrungen treffen, strauchelnde Banken zu retten", sagte Fuest.

Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav Horn, hält den harten Kurs der Europäischen Zentralbank gegen jedwede Form der Umschuldung für gerechtfertigt. "Denn eine Umschuldung Griechenlands würde das griechische Bankensystem kollabieren lassen", sagte Horn der Online-Ausgabe des Handelsblatts. "Damit wäre die EZB entsprechend ihrer Aufgabe, den Zahlungsverkehr im Euroraum zu sichern, sofort im Obligo, Stützungsmaßnahmen zu leisten."

Darüber hinaus sei zu befürchten, dass die aus der Umschuldung resultierenden Abschreibungen im Finanzsektor "destabilisierende Schäden" verursachen, sagte Horn. "Schlimmer noch sind die zu erwartenden Ansteckungseffekte in den übrigen Krisenländern, die der EZB weitreichende Stabilisierungsmaßnahmen für das europäische Bankensystem abverlangen dürften", warnte der IMK-Chef.

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