Griechenland:Griechenlands Zukunft hängt von Deutschland ab

Akropolis in Athen

Wie geht es weiter mit Griechenland? Wieder einmal kommen die EU-Finanzminister zusammen, um darüber zu sprechen. Ob es Fortschritte gibt, könnte vor allem von Deutschland abhängen.

(Foto: dpa)
  • Beim Treffen der Euro-Finanzminister auf Malta ist die Griechenland-Politik erneut das bestimmende Thema.
  • Ein Treffen zwischen Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem und dem deutschen Finanzminister Schäuble zeigt: die eigentliche Verhandlungsmacht liegt in Berlin.
  • Die Bundesregierung beharrt auf einer Beteiligung des IWF am Kreditprogramm, schließt vom IWF geforderten Schuldenerleichterungen bislang aber aus.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Alexander Mühlauer, Brüssel

Der Besuch sollte kurz sein, vertraulich sowieso. Am späten Donnerstagnachmittag erwartete Finanzminister Wolfgang Schäuble den Chef der Euro-Gruppe, Jeroen Dijsselbloem, in seinem Büro in der Berliner Wilhelmstraße. Wie aus Regierungskreisen verlautete, hatte das Treffen vor allem einen Grund: die Verhandlungslinie für die nur Stunden später auf Malta angesetzten Gespräche über weitere Griechenland-Kredite abzustimmen. Von dort hieß es am Freitag, es gebe Fortschritte. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sagte, man habe "Ergebnisse erzielt", über die zunächst die Euro-Finanzminister unterrichtet werden sollen.

Das Treffen zwischen Dijsselbloem und Schäuble am Tag zuvor zeigt symptomatisch, wo derzeit die eigentliche Verhandlungsmacht in der Euro-Gruppe liegt - in Berlin. In der deutschen Hauptstadt laufen Fäden zusammen, hier werden Leitlinien vorgegeben und letzte Absprachen getroffen. Doch im Reformstreit mit Griechenland ist genau dies das Problem: die deutsche Leitlinie.

Die Bundesregierung besteht darauf, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) sich am laufenden Kreditprogramm beteiligen muss. Schäuble hat das dem Bundestag im Sommer 2015 versprochen - und so formuliert, als habe der IWF dies bereits zugesagt. Nun steht er bei der Union in der Pflicht, mitten im Bundestagswahlkampf. Denn der IWF ist immer noch nicht dabei.

Schäuble müht sich, eben diesen Eindruck in der Öffentlichkeit zu vermeiden. Noch am Mittwoch erklärt eine Sprecherin von Schäuble die Lage so, als ob ihr Minister die Rolle eines Zuschauers spiele. Derzeit liefen intensive Gespräche zwischen den Kreditgeber-Institutionen, dem Euro-Gruppen-Chef und der griechischen Regierung, sagt sie. "Wir werden über den Fortgang dieser Gespräche einen Bericht bei der Euro-Gruppe in Malta am Freitag bekommen." Dass Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem vorher schon, nämlich am Donnerstag in die Wilhelmstraße kommt, sagt sie nicht.

Beim Treffen der Euro-Finanzminister geht es um eine politische Grundsatzfrage. Nämlich darum, ob die bereits für Dezember 2016 geplante Reformüberprüfung abgeschlossen werden kann - oder nicht. Auf dem Verhandlungstisch liegt ein Kompromiss, dem alle Beteiligten zustimmen müssen. Darin ist geregelt, wann und unter welchen Bedingungen Griechenland die Renten- und Steuerreform in Kraft setzen soll.

Und dann gibt es ein noch ein sehr viel fundamentaleres Problem: Welchen Primärüberschuss soll Griechenland für wie viele Jahre erwirtschaften? Also wie hoch muss der Überschuss vor Abzug des Schuldendienstes sein, um die Sparziele zu erfüllen? Vereinbart ist, dass dieser Wert im Jahr 2018 bei 3,5 Prozent liegt. Geht es nach Schäuble, soll das auch für weitere zehn Jahre gelten. Doch bereits für 2018 gehen die Prognosen von IWF und EU-Institutionen auseinander. Die Europäer halten 3,5 Prozent für realistisch, der Währungsfonds geht lediglich von 1,5 Prozent aus.

Nun war es in der Vergangenheit meist so, dass sich die pessimistischen Vorhersagen des IWF nicht bewahrheiteten. Gerade zuletzt entwickelte sich die griechische Wirtschaft und damit auch der Haushalt besser als gedacht. Politisch ist es aber so: Deutschland beruft sich in den Verhandlungen stets auf die Zahlen des IWF - schließlich muss dieser ja aus Berliner Sicht an Bord sein. Kein Wunder, dass es in der Nacht zum Donnerstag erneut keine Einigung in der Überschuss-Frage gab.

Die Lage ist so verfahren, dass Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras bereits mit der Einberufung eines Euro-Sondergipfels drohte. Er will das Thema auf höchster politischer Ebene mit den Staats- und Regierungschefs besprechen, sollte es an diesem Freitag erneut keine Lösung im Reformstreit geben.

Die Leidtragenden des Gezerres sind griechische Bürger und Firmen

Doch selbst wenn eine Einigung gelingen sollte, droht schon der nächste Konflikt: der Streit zwischen Schäuble und dem IWF. Der Fonds wird erst auf Basis seiner eigenen Schuldentragfähigkeitsanalyse entscheiden, ob er sich am 86-Milliarden-Euro-Programm beteiligt. Klar ist: Der Fonds dringt auf Schuldenerleichterungen. Schäuble will aber erst nach Abschluss des laufenden Pakets im Sommer 2018 darüber reden. Da kommen ihm die negativen Prognosen des IWF ganz gelegen. Denn je pessimistischer diese sind, desto höher ist der Spardruck auf Griechenland. Was auch bedeutet, dass weniger Schulden erlassen werden müssen - vielleicht sogar gar keine, wenn sich die positiveren Prognosen der Europäer bewahrheiten. Unterm Strich ist aber völlig offen, ob der IWF und Berlin zusammenkommen.

Die Leidtragenden des Gezerres sind griechische Bürger und Firmen. Das ist umso betrüblicher, weil sich die Wirtschaftslage zuletzt gut entwickelt hat. Die Euro-Kreditgeber rechnen für dieses und kommendes Jahr mit einem Plus der Wirtschaftsleistung von 2,7 beziehungsweise 3,1 Prozent. Angesichts des Einbruchs im letzten Quartal 2016 von 1,2 Prozent sowie des Abflusses von Spareinlagen seit Anfang des Jahres bleibt die Erholung aber fragil.

Am Donnerstag sitzt Euro-Gruppen-Präsident Dijsselbloem in Berlin auf einem Podium und erzählt, er sei unterwegs nach Malta. "Und seltsamerweise führt dieser Weg heute über Berlin." Er werde Schäuble treffen, es gebe einiges zu besprechen, etwa über die Zukunft der Euro-Zone, "und auch die Lage in Griechenland erfordert noch unsere Aufmerksamkeit." Spätestens im Juli braucht Athen neue Kredite, um 7,4 Milliarden Euro an Schulden zu begleichen. Schäuble beharrt darauf, dass das Geld erst überwiesen wird, wenn der IWF an Bord ist.

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