Griechenland:2018 - das Schicksalsjahr für Griechenland

Griechenland: Ein Obdachloser bettelt in Athen: Schafft es Griechenland in diesem Jahr aus dem Krisen-Modus?

Ein Obdachloser bettelt in Athen: Schafft es Griechenland in diesem Jahr aus dem Krisen-Modus?

(Foto: Louisa Gouliamaki/AFP)
  • Griechenland will sich ab dem Sommer wieder selbst über die Finanzmärkte Geld beschaffen.
  • Die dafür geforderten Reformen hat die Regierung geliefert, unklar ist aber ob sie ausreichend sind.
  • Am Montag beraten die Euro-Finanzminister über die Auszahlung der nächsten Rate aus dem laufenden Kreditprogramm.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel, und Jan Willmroth, Frankfurt

Alexis Tsipras sucht den "sauberen Ausstieg". Dieses Jahr, wenn das dritte Kreditprogramm im Sommer ausläuft, will der griechische Ministerpräsident wieder unabhängig sein. Frei von Sparzwängen und Reformauflagen. Tsipras will endlich Zugang zu den Märkten haben, so dass sich Griechenland nach acht Jahren wieder selbst finanzieren kann. Doch bis dahin sind noch einige Hürden zu überwinden, und es stellt sich die Frage: Kann das überhaupt gelingen?

An diesem Montag entscheiden die Euro-Finanzminister, ob sie die nächste Auszahlung aus dem bis zu 86 Milliarden Euro schweren Programm freigeben. Im Gespräch sind 6,7 Milliarden Euro. Davon sollen 3,3 Milliarden in den Schuldendienst fließen, 1,5 Milliarden sind für Zahlungsrückstände vorgesehen, weitere 1,9 Milliarden, um einen "Cash-Puffer" für die Zeit nach dem Kreditprogramm aufzubauen.

Die Grundvoraussetzung für die mögliche Überweisung hat Tsipras geliefert. Mehr als 100 Reformen musste die Regierung in Athen umsetzen, ein Großteil davon passierte in der vergangenen Woche das Parlament. Sollte die Eurogruppe die Maßnahmen für ausreichend halten und damit die inzwischen dritte Überprüfung des Kreditprogramms abschließen, kann das Geld schrittweise ausgezahlt werden.

Danach beginnt ein Prozess, der nach Tsipras' Willen im August enden soll. Doch bevor das Programm tatsächlich abgeschlossen wird, geht es um eine heikle Frage: Bekommt Griechenland Schuldenerleichterungen? Die Euro-Länder haben bereits im Mai 2016 mögliche Maßnahmen aufgelistet. Damals wurden Schuldenhilfen in Aussicht gestellt, falls diese nach dem Ende des Programms im August 2018 notwendig sein sollten. Ob und in welchem Umfang diese kommen, soll erst dann entschieden werden.

Beteiligt sich der IWF?

Einen Teil der Erleichterungen hat Athen bereits erhalten: die sogenannten kurzfristigen Maßnahmen, wie etwa Laufzeitverlängerungen bei den Krediten. Völlig offen ist aber, wie die weiteren Schritte aussehen. Das hängt vor allem von Prognosen ab, wie sich der griechische Primärüberschuss - also der Überschuss vor Abzug des Schuldendienstes - langfristig entwickelt. Die technischen Arbeiten dazu beginnen umgehend nach der Freigabe der nächsten Kredittranche. "Auf politischer Ebene sind derzeit keine Diskussionen nötig", sagt ein hochrangiger EU-Beamter.

Das dürfte sich spätestens ändern, wenn es um die Frage geht, ob sich der Internationale Währungsfonds (IWF) am laufenden Kreditprogramm beteiligt. Bisher hat der IWF lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft zugesagt. Insbesondere für Deutschland galt die finanzielle Beteiligung des Fonds stets als unabdingbar. IWF-Chefin Christine Lagarde hatte im vergangenen Jahr erklärt, dass sie dem Führungsgremium des Fonds einen "Grundsatzbeschluss" für ein neues Griechenland-Programm empfehlen werde. Der IWF wolle sich mit zwei Milliarden Dollar am laufenden Kreditprogramm beteiligen. Das Geld werde aber erst ausbezahlt, wenn sich die Euro-Länder im Jahr 2018 auf Schuldenerleichterungen geeinigt hätten. Der IWF hält die griechische Schuldenlast von derzeit etwa 179 Prozent der Wirtschaftsleistung langfristig nicht für tragbar.

Die Europäer haben sich im vergangenen Jahr mit dem Währungsfonds auf Wachstumsziele geeinigt, die Griechenland in den nächsten Jahrzehnten erreichen soll. So soll der Primärüberschuss in den Jahren 2023 bis 2060 im Durchschnitt bei etwa zwei Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung liegen. Doch was ist mit der Zeit bis dahin? In der Vergangenheit fielen die wirtschafts- und fiskalpolitischen Annahmen der Europäer immer sehr viel positiver aus als jene des IWF. Immerhin: Es geht aufwärts. Die Ratingagentur S&P stufte die Bonitätsnote Griechenlands vor Kurzem von "B-" auf "B".

Das Hauptproblem sind säumige Hausbesitzer, Konsumenten und Unternehmer

Ein Hauptproblem für Griechenland ist noch immer die Lage der Banken. Nirgendwo hat die Euro-Krise das Bankensystem so schwer beschädigt wie dort. Vier große Institute sind übrig geblieben, die 97 Prozent des Geschäfts abdecken. Ihre Einlagen sind seit Beginn der Krise dramatisch gesunken. Auch Jahre nach dem Beinahe-Kollaps im Juni 2015 kommen sie nur allmählich zurück. Bis auf die National Bank of Greece hängen die Institute noch von Notkrediten der griechischen Zentralbank ab, die Kapitalverkehrskontrollen werden nur zaghaft gelockert. Aber die Lage entspannt sich; nach zehn verlustreichen Jahren schreiben die Banken sogar wieder Gewinne. Der Präsident des griechischen Bankenverbandes, Nikolaos Karamouzis, verbreitet vorsichtig Optimismus: "Derzeit verbessert sich die Liquidität des Bankensystems von Tag zu Tag."

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Stresstest für Griechenlands Banken auf Februar vorgezogen, spätestens im Mai sollen die Ergebnisse vorliegen. Dann wird feststehen, ob die Banken stabil genug sind und dauerhaft ausreichend Kapital haben, wenn der Staat sich von Sommer an wieder eigenständig finanzieren muss.

Die größte Gefahr aber bleibt bestehen: Säumige Hausbesitzer, Konsumenten und nicht zuletzt Unternehmer, die ihre Schulden nicht bezahlen können. Etwa die Hälfte der Kredite in den Bankbilanzen gelten als ausfallgefährdet, eine Summe von derzeit noch 96 Milliarden Euro, die nach einem mit der EZB vereinbarten Plan bis Ende 2019 um 40 Prozent sinken soll. Bisher liegen die Banken im Plan - den sie aber nur einhalten können, wenn sich die wirtschaftliche Erholung fortsetzt und die Regierung ihre Reformversprechen einlöst. "Wenn die Wirtschaft weiter wächst, die Zinsen sinken und weitere Unsicherheiten verschwinden, können wir den Prozess sogar beschleunigen", sagt Karamouzis. Aber er lässt keinen Zweifel: Ohne milliardenschwere Investitionen aus dem Ausland wird Griechenland es kaum schaffen.

Das sehen die meisten Euro-Finanzminister auch so. Gemäß dem Zeitplan der Eurogruppe soll es im Juni eine erneute Überprüfung der Reformfortschritte geben. Sollte es dann im Sommer tatsächlich zu Schuldenerleichterungen kommen, wird es ganz sicher Auflagen für Athen geben. Einen "sauberen Ausstieg", wie ihn Tsipras propagiert, dürfte es kaum geben. Ebenso wie andere Programmländer wird Griechenland weiter von den europäischen Institutionen überwacht werden - solange, bis 75 Prozent der Schulden zurückgezahlt sind. Die Kredite für Griechenland laufen schon jetzt bis 2060.

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