Griechenland:Athen wieder in Verzug

Das Bundesfinanzministerium in Berlin bereitet dennoch die Kreditfreigabe vor.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

In den Vereinbarungen zwischen der griechischen Regierung und den internationalen Kreditgebern findet sich als "zentrale Forderung" unter Punkt 2.3.3 die "Verbesserung der Beitreibung öffentlicher Einnahmen". Die Behörden verpflichten sich, Steuern stärker einzutreiben und dazu "bis Mai 2016 eine aktualisierte Liste der Großschuldner" zu veröffentlichen. Inzwischen ist es Mitte Juni, die Liste gibt es noch nicht. Stattdessen veröffentlichte die Athener Industrie- und Handelskammer eine Studie, in der fast 70 Prozent der griechischen Bürger angeben, dass sie in diesem Jahr ihre Steuern und Abgaben nicht werden zahlen können.

Trotz dieser Nachrichten hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nun dem Haushaltsausschuss des Bundestages die Vereinbarungen mit Griechenland zugeleitet. Sein Ziel: die Freigabe weiterer Kredittranchen aus dem dritten, insgesamt 86 Milliarden Euro umfassenden Kreditpaket. Er gebe dem Haushaltsausschuss "Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15. Juni 2016", heißt es in dem Schreiben an die Ausschussvorsitzende Gesine Lötzsch. Zu folgenden Punkten könne der Ausschuss Stellung nehmen: die Freigabe einer Tranche aus dem Europäischen Rettungsfonds ESM in Höhe von 10,3 Milliarden Euro, die "erforderliche technische Fortschreibung des Reformprogramms" durch Anpassungen der Vereinbarungen mit Griechenland sowie der Verzicht auf die in der Finanzhilfevereinbarung mit Griechenland vorgesehene zusätzliche Zinsmarge auf die Schuldenrückkaufs-Tranchen früherer Darlehen aus dem damaligen Euro-Rettungsfonds EFSF, dem Vorläufer des ESM. Das klingt kompliziert, und das ist es auch. Im Kern hatten sich die europäischen Kreditgeber darauf verständigt, Griechenland die nächste Tranche aus dem Kreditprogramm auszuzahlen, sollte die Regierung in Athen die Voraussetzungen dafür erfüllt haben. Bis zum 17. Juni sollten die Vorarbeiten abgeschlossen sein. Allerdings hat Athen noch nicht alles geliefert, weshalb Schäuble die Stellungnahme unter Vorbehalt angefordert hat. Hinter der Anpassung der Vereinbarungen und der technischen Fortschreibung des Reformprogramms verbergen sich kurzfristig wirksame Umschuldungsmaßnahmen, die jedoch nach Aussage des Bundesfinanzministeriums "keine wesentliche" Änderung des laufenden Programms darstellen.

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