Griechenland am Abgrund:Drohen, pfänden - scheitern

Griechenland am Abgrund: Auf einem Graffito in Athen wird der Euro bereits zu Grabe getragen

Auf einem Graffito in Athen wird der Euro bereits zu Grabe getragen

(Foto: AFP)

Die Lage in Griechenland ist so verfahren wie vor der Wahl: Brüssel gibt Ratschläge, Athen wehrt ab - und droht mit der Pfändung deutschen Eigentums. Doch mit dem Rückfall in die Muster der Konfrontation kann die Krise nicht gelöst werden.

Ein Kommentar von Christiane Schlötzer

Es gibt jetzt viele gute Ratschläge an die Griechen. Sie sollten ihre Oligarchen jagen, damit die endlich Steuern zahlen. Aber sie sollten auch ihren frechen Finanzminister einfangen, damit der seinen deutschen Kollegen Wolfgang Schäuble nicht mehr so oft auf die Palme bringt. Und sie sollten endlich richtige Reformen anpacken, statt Arbeitslose mit Fotohandys in Tavernen herumlungern zu lassen, auf der Lauer nach den Mehrwertsteuerschummlern.

Es ist schon fast alles wieder wie früher, vor der Parlamentswahl in Griechenland am 25. Januar, die doch ein Neuanfang sein sollte: was für Griechenland gut ist, das weiß man im Zweifel in Berlin oder Brüssel und auch in manchen Professorenstuben weit ab von der Ägäis besser als in Athen. Als sei schon vergessen, dass das alte Hellas-Hilfskonzept unter anderem deshalb nicht funktionierte, weil viele Griechen, unabhängig von Syriza-Sympathien, den Eindruck hatten, sie seien nicht Bürger Europas, sondern Befehlsempfänger - und damit nicht verantwortlich für die Zukunft ihres Landes. Wenn es so weitergeht, wird das mit der Griechenland-Rettung wieder nichts.

Prüfer bleiben die gleichen

Aber auch in Athen ist schon einiges wieder so, wie es immer war. Regierungschef Alexis Tsipras ist von seinen Maximalforderungen längst abgerückt; er hat nun akzeptiert, dass die Aufseher von EU-Kommission, EZB und IWF ihre Arbeit fortsetzen dürfen. Dass sie das von sofort an auch in Brüssel und nicht nur in Athen tun werden, und dann noch unter einem neuen Namensschild, ist zwar ein Zugeständnis an Tsipras, der die "Troika" zum Teufel wünschte. Aber an den Tatsachen ändert der Etikettenwechsel wenig. Es sind dieselben Institutionen wie zuvor, die Athens Bücher prüfen, und die Bilanzen sind auch nicht besser geworden - im Gegenteil.

Die Zahlen sind schlechter, als es im Januar, vor der Wahl, zu erwarten war, weil viele Griechen das politische Vakuum genutzt haben, um Steuerzahlungen aufzuschieben. Andere haben aus Angst vor neuem Chaos das letzte Ersparte von den Bankkonten genommen. Investoren, ob aus China oder Deutschland, tragen ihr Geld auch nicht in ein Land, das ohne die Nabelschnur zur EZB längst pleite wäre.

Es war jetzt auch wieder EZB-Chef Mario Draghi, der Finanzminister Yanis Varoufakis umstandlos klargemacht hat, dass er in zwei Wochen Konkurs anmelden kann, wenn sich Athen mit seinen Kreditgebern nicht auf eine Arbeitsbasis einigt. Der Dialog der beiden soll danach extrem kurz gewesen sein. Draghi fragte: Können wir bald anfangen? Varoufakis: Mittwoch? Der Deal war perfekt.

Nur ein Blick in die Kassenbücher hilft kaum

Mit dem Blick in die Kassenbücher ist aber noch nicht wirklich viel gewonnen. Erst wenn Tsipras neue Einnahmen und nicht nur Ausgaben - für wahrhaft Bedürftige - vorweisen kann, werden die Kreditgeber die versprochenen weiteren Hilfstranchen überweisen. In einer Schublade des Finanzressorts liegt ein fertiger Gesetzentwurf für eine unabhängige Steueraufsicht. Verfertigt hat ihn der einstige oberste Steuerprüfer Haris Theoharis. Der war 2014 vom damaligen Premier Antonis Samaras aus dem Amt getrieben worden, nachdem er Jagd auf prominente Steuersünder machen wollte. Warum holt Tsipras das Papier nun nicht hervor?

Weil der Linkspolitiker sich ähnlich wie sein konservativer Vorgänger vor ein paar großen Tieren fürchtet? Vor ihrer Medienmacht, oder vor Öl-Schmugglern und Bauspekulanten? Der Grund für die Zögerlichkeit dürfte viel schlichter sein. Tsipras will lieber selber alles kontrollieren statt zu delegieren; die Linke traut niemandem. Auch Samaras fand, es reicht, wenn seine Finanzaufsicht nur "semiautonom" agieren darf. So viel hat sich also wirklich nicht geändert.

Das Gleiche gilt auch für ein besonders trauriges Feld der Politik, der griechischen, wie der europäischen. Die Samaras-Regierung hatte in Griechenland gestrandete Flüchtlinge zuletzt in ein übel beleumundetes Lager nahe Athen gepfercht. Dagegen gab es zu Recht Proteste. Nun lässt man die Migranten schubweise wieder frei und bringt sie in Bussen in die Hauptstadt, wo sie ohne Versorgung wie Aussätzige auf den Straßen herumwandern. Der Athener Bürgermeister, ein liberaler Mann, hat gerade Alarm geschlagen, weil er eine neue humanitäre Krise befürchtet. Verteidigungsminister Panos Kammenos, der als Rechtspopulist mit der Linken regiert, ist dagegen nur eingefallen, man könne die Ärmsten der Armen doch mit Papieren ausstatten, damit sie vor das Berliner Kanzleramt ziehen.

Ministerpräsident Alexis Tsipras schürt zudem mit erneuten Reparationsforderungen an die deutsche Regierung den Ärger zwischen Athen und Berlin. Er wirft Deutschland "juristische Tricksereien" vor. Und Justizminister Nikos Paraskevopoulos droht unter Berufung auf eine 15 Jahre zurückliegende Gerichtsentscheidung, deutsches Eigentum in Griechenland pfänden lassen zu wollen.

Doch mit dem Rückfall in die alten Muster des Drohens und der Konfrontation bleibt die griechische Krise unlösbar. Eigentlich haben das alle längst verstanden. Nun müssen sie das nur noch beherzigen.

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