Griechen beschließen Sparpaket:Nur ein kleines bisschen Rettung

Griechenland hat eine wichtige Hürde genommen, aber der Weg zur Rettung ist noch weit. Wie geht es jetzt weiter? Wie schmerzhaft ist der Sparkurs? Und was kostet die Rettung die Deutschen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Griechenland hat den drohenden Staatsbankrott vorerst abgewendet. Das griechische Parlament hat den von der Regierung Papandreou angestrebten Sparmaßnahmen zugestimmt. Bis zum Jahr 2014 sollen Ausgaben in Milliardenhöhe wegfallen. Das ist noch einmal ein drastischer Schnitt, der vielen Griechen nicht gefallen wird - am Mittwochmorgen gingen wieder Tausende auf die Straße. Bereits am Abend und in der Nacht tobten heftige Schlachten zwischen Demonstranten und Polizei in den Straßen Athens.

Greek Parliament Vote On Papandreou's Government

Erfolgreiche Abstimmung: Griechenlands Premier Giorgos Papandreou hat sein umstrittenes Sparpaket im Parlament durchgesetzt.

(Foto: Bloomberg)

Sofort in Kraft treten kann das Sparpaket allerdings nicht. Zuvor muss das Parlament noch ein Durchführungsgesetz verabschieden, das am Donnerstag auf der Tagesordnung steht.

Wie geht es jetzt weiter?

Der EU-Gipfel hat ein zweites Rettungspaket für Griechenland auf den Weg gebracht, bis zu 120 Milliarden Euro sollen es insgesamt sein. Eine Milliarde soll kurzfristig überwiesen werden, um die Wirtschaft anzukurbeln. Gerettet ist Griechenland damit aber noch nicht.

Weil sich im griechischen Parlament eine Mehrheit für das Sparprogramm gefunden hat, werden die EU-Finanzminister die Details des zweiten Rettungspakets ausarbeiten. Die Zustimmung war außerdem Voraussetzung dafür, dass weiterhin Geld aus dem ersten Rettungspaket von EU und Internationalem Währungsfonds nach Griechenland fließt.

Was sind die wichtigsten Termine?

Nach der Abstimmung im griechischen Parlament ist der Weg frei für neue Hilfen. In Brüssel gehen die Arbeiten an einem zweiten Finanzpaket für Griechenland weiter: Am Donnerstag treffen sich die 17 Finanzstaatssekretäre, um das Treffen der Finanzminister der Euroländer am 3. Juli vorzubereiten.

An diesem Sonntag wollen die Minister über die Überweisungen an Griechenland entscheiden. Die nächste Rate aus dem ersten Rettungspaket würde zwölf Milliarden Euro betragen. Außerdem sollen die Details des zweiten Hilfsprogramms ausgearbeitet werden: Im Gespräch sind bis zu 120 Milliarden Euro bis zum Jahr 2014. Davon soll der Währungsfonds wieder knapp ein Drittel übernehmen.

Ein wichtiges Datum für die Griechen ist überdies der 18. Juli: Dem Finanzministerium zufolge reicht das Geld der Griechen nur bis zu diesem Tag, um die Schulden zu begleichen. Kommt bis dahin keine Überweisung aus dem Hilfspaket in Athen an, müsste Griechenland die Staatspleite verkünden.

Warum stimmte die Opposition gegen das Sparpaket?

Bis auf einen Abgeordneten der Konservativen stimmten 138 Oppositionspolitiker gegen das Sparpaket - fünf Abgeordnete enthielten sich, zwei nahmen erst gar nicht teil. Oppositionsführer Antonis Samaras hatte das Nein seiner Partei Nea Dimokratia (ND) bereits vorher angekündigt.

Trotz dünner Mehrheit und einem Abweichler in den eigenen Reihen war Premier Papandreou nicht auf Stimmen aus dem konservativen Lager angewiesen. Insgesamt stimmten 155 von 300 Parlamentariern für das Sparpaket - es hätte auch schon eine einfache Mehrheit genügt.

Samaras Partei war es, die Griechenland bis 2009 regierte - und in den Augen vieler maßgeblich zur Krise beitrug. Der 60-Jährige sagte, seine Partei hätte nur zugestimmt, wenn sich die internationalen Partner zu Nachverhandlungen über den Sparkurs bereit erklärt hätten. "Wir wollen morgen keine Ruinen regieren", rief Samaras Parteifreunden zu.

In Meinungsumfragen liegt die ND übrigens wieder knapp vor den regierenden Sozialisten der Pasok. Samaras schien mit seiner Weigerung - auch von Sabotage war schon die Rede - Neuwahlen erzwingen zu wollen. Dann hätte er Chancen, Premierminister zu werden - allerdings wäre dann Griechenland womöglich längst pleite.

Entsprechend heftig fällt die Kritik aus, die Samaras in diesen Tagen einstecken muss. "Ich habe kein Verständnis, dass die griechische Opposition, die unserer europäischen Parteifamilie angehört, hier nicht mitmacht", sagte CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder. Der Journalist Michalis Pantelouris drückte es in einem Gastbeitrag für jetzt.de drastischer aus: "Sie haben sich jede rotte Apfelsine, mit der sie beworfen werden, redlich verdient."

So wollen die Griechen sparen

Wie sieht das neue Sparprogramm aus?

Der neue Finanzminister Evangelos Venizelos hat die steuerpolitischen Details aus dem Programm bereits letzte Woche präsentiert. Er wählte drastische und emotionale Worte: "Es hängt vom Kampfwillen der Griechen ab, ihre Glaubwürdigkeit wieder zu gewinnen, damit die Märkte uns glauben", sagte Venizelos.

Je nach Einkommensklasse müssen die Griechen demnach eine Solidaritätssteuer zwischen ein und vier Prozent ihres Einkommens zahlen. Für alle Minister, Parlamentarier, höhere Beamte und andere gewählte Personen, wie Bürgermeister, soll die Solisteuer fünf Prozent des Jahreseinkommens betragen. "Das ist aber nicht genug", sagte Venizelos. Freiberufler wie Rechtsanwälte, Klempner, Elektriker werden außer den normalen Steuern zusätzlich 300 Euro an den Staat zahlen müssen. Betroffen sind davon rund 550.000 Personen. Außerdem wird der Steuerfreibetrag von bisher 12.000 Euro auf 8000 Euro gesenkt. Ausgenommen sind Rentner über 65 Jahre und junge Arbeitnehmer bis zum 30. Lebensjahr. Das Programm sieht außerdem den Verkauf von Staatsbesitz im Volumen von 50 Milliarden Euro vor.

Venizelos kündigte ein neues Steuergesetz an, das die Steuerhinterziehung unterbinden soll. Außerdem soll eine Extra-Immobiliensteuer erhoben werden für Besitz, dessen Wert 200.000 Euro übertrifft. Eine "große Intervention" werde es im staatlichen Bereich geben, teilte der Minister mit, ohne Angaben über die Höhe der Lohneinschnitte für die Staatsbediensteten zu machen.

Wie reagiert die griechische Öffentlichkeit?

Geschockt. Zwar sparen die Griechen nicht erst seit gestern, aber die ersten Details aus dem neuen Sparprogramm haben die Presse dennoch zu martialischen Überschriften animiert: Von einem "Gnadenschuss für unsere Einkommen" schreibt etwa die linksliberale Zeitung Eleftherotypia. "Unerträgliche Kampfsteuern" erwartet das konservative Boulevardblatt Eleftheros Typos.

Die griechischen Gewerkschaften sind erwartungsgemäß not amused. Die Parlamentsdebatte am Dienstag wurde von einem Generalstreik begleitet - bereits der vierte in diesem Jahr. Die Athener U-Bahn war das einzige öffentliche Verkehrsmittel in Betrieb, Fluglotsen und Journalisten legten für Stunden ihre Arbeit nieder. Am Mittwoch fielen dutzende Flüge aus, Fähren blieben in den Häfen, in Krankenhäusern arbeiteten Notfallteams.

Im Zentrum Athens hatten sich zehntausende Demonstranten friedlich versammelt. Allerdings lieferten sich zur gleichen Zeit Jugendliche und mit Molotow Cocktails bewaffnete Anarchistengruppen heftige Straßenschlachten mit der Polizei.

Wie viel haben die Griechen schon gespart?

Finanzminister Wolfgang Schäuble hat vorgerechnet, dass Deutschland - analog gerechnet - 125 Milliarden kürzen müsste, um Vergleichbares zu stemmen. Das entspricht fast dem Gesamtbudget des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im laufenden Jahr.

Trotzdem sagt die EU: Das reicht nicht. Der Staatshaushalt soll weiter zusammengestrichen werden, um fast vier Milliarden Euro bis 2014. Griechenland habe das erforderte Maß von 28 Milliarden an Kürzungen noch nicht erreicht.

Warum soll Griechenland schon wieder Geld bekommen?

Im Mai 2010 wäre den Griechen beinahe das Geld ausgegangen. Mehrere Milliarden Euro an Krediten liefen aus. Normalerweise bedient sie ein Land, indem es neue Kredite aufnimmt. Doch von Griechenland forderten die Finanzinstitute so hohe Zinsen, dass das Land überfordert war. Um trotzdem an Geld zu kommen, hat Griechenland im vergangenen Jahr ein Hilfspaket von 110 Milliarden Euro bekommen. Das Ziel: Griechenland soll schnellstmöglich an den regulären Kapitalmarkt zurückkehren. Doch die Zinsen sind immer noch hoch, sogar höher als im Mai 2010. Darum soll Griechenland ein neues Rettungspaket bekommen.

Was kostet die Hilfe den deutschen Steuerzahler?

Griechenland hat zwar schon einiges an Geld aus Berlin überwiesen bekommen - allerdings bislang nur Kredite, auf die die Griechen auch Zinsen zahlen. Die Europäische Zentralbank beispielsweise hat im Laufe der vergangenen zwölf Monate etwa 50 Milliarden Euro in die Hand genommen und dafür griechische Staatsanleihen gekauft. Allerdings haben die Notenbanker nicht den vollen Preis für diese Bonds bezahlt - die Anleihepreise waren nach Ausbruch der griechischen Schuldenmisere massiv gefallen. Werden diese voll zurückgezahlt, kann die EZB sogar einen Gewinn machen.

Die Wirtschaftsforscher vom DIW kalkulieren allerdings damit, dass die deutschen Steuerzahler auch im besten Fall einige Milliarden schultern müssen. Das Institut hat mehrere Szenarien durchgerechnet: Richtig teuer wird es, wenn Hellas seine Kredite nicht mehr zurückzahlen könnte. Bräche dann auch noch eine Panik an den Finanzmärkten aus, die Länder wie Portugal und Irland mit in den Abgrund reißen könnte, stiegen die Kosten immens.

Wenn die Hilfe für Griechenland floppen würde: Was wären die Folgen für das Finanzsystem?

Ein Crash Griechenlands könnte wie der Zusammenbruch von Lehman Brothers wirken: als weltweiter Schock für das Finanzsystem. Griechenland-Papiere wären auf einen Schlag nichts mehr wert, was Löcher in die Bilanzen der Banken reißen würde.

Wie groß ist das Risiko der Banken?

Die Investmentsektion der Bank Barclays hat zusammengestellt, welche Bank noch wie viele Griechenland-Anleihen hält. Neben den Kreditgebern von EZB, Euroländern und IWF stehen griechische Banken dabei ganz vorne. Deutschland hält demnach vor allen Dingen über die Bad Bank der HRE 6,3 Milliarden Euro, die französische Bank BNP hat fünf Milliarden im Portfolio. Eine weitere Rolle spielen die Kreditausfallversicherungen, die Credit Default Swaps (CDS). Die Banken können ihr Engagement in Griechenland hier absichern: Kommt es zu einem Zahlungsausfall, würden die Banken Geld zurückbekommen. Das Risiko eines Zusammenbruchs verlagert sich dann aber auf die CDS-Emittenten. Obwohl US-Banken fast keine griechischen Anleihen halten, könnte sich die Krise so auch über den Atlantik ausbreiten, berichtet die New York Times.

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