Grenzwerte bei Lampen:BGH stärkt Verbraucher

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Glühbirnenfall: In Energiesparlampen waren Grenzwerte für Quecksilber überschritten worden. (Foto: Patrick Seeger/dpa)

Eigentlich ging es im Fall vor dem Bundesgerichtshof um die Quecksilber-Konzentration in Glühbirnen. Nebenbei haben sich Verbraucherverbände ein generelles Klagerecht erstritten.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Es ging eigentlich nur um ein paar Milligramm Quecksilber. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte 2012 sechs Energiesparlampen gekauft, Stichproben im Rahmen einer langjährigen systematischen Überprüfung von Grenzwerten. Eine der Glühbirnen enthielt dreizehn Milligramm Quecksilber, eine weitere fast acht - erlaubt waren damals nur fünf Milligramm. Die DUH verklagte den Hersteller Brilliant AG, den weiteren Vertrieb solcher Lampen zu unterlassen, weil beim hochgiftigen Quecksilber auch ein paar Milligramm keine Lappalie sind. Nun hat der Verband beim Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil erstritten, das nicht nur giftige Glühbirnen betrifft. Denn nach der Logik des Entscheidung dürfen Verbraucherverbände generell die Einhaltung von Grenzwerten für Schadstoffe in Produkten selbst auf dem Klageweg durchsetzen, jedenfalls dann, wenn es um den Schutz der Verbraucher vor erheblichen Gesundheitsgefahren geht. Ein allumfassendes Klagerecht dürfte ihnen damit zwar noch nicht eröffnet sein, schon deshalb, weil die Frage des Gesundheitsschutzes beim äußerst toxischen Quecksilber sehr viel eindeutiger zu beantworten ist als bei weniger giftigen Stoffen. Dennoch ist ein solches Verbandsklagerecht in den Händen von Verbraucherschützern ein scharfes Schwert.

Betroffen seien oft Billigprodukte, die viel zu viel Quecksilber enthalten

Wenn es um Grenzwerte geht, ist es normalerweise der Staat, der ihre Einhaltung durchsetzt. In diesem Fall wären die Länder dafür zuständig. Doch bei den Energiesparlampen hätten sich die Behörden aus der Aufgabe zurückgezogen und seien untätig, kritisiert Thomas Fischer, der in der DUH für Kreislaufwirtschaft zuständig ist. Seit acht Jahren gehe daher der Verband gegen die Hersteller von Energiesparlampen vor. Gerade bei kleineren Unternehmen - häufig solche, die in Asien produzierten - habe man zum Teil massive Verstöße festgestellt. Betroffen seien oft Billig-Glühbirnen, bei denen das Quecksilber, um Kosten zu sparen, mit einer unpräzisen Tröpfchendosierung eingebracht werde, statt winzige, exakt dosierte Pillen zu verwenden. Folge: Der Grenzwert, inzwischen abgesenkt auf 2,5 Milligramm Quecksilber für Lampen mit weniger als 30 Watt, werde oft überschritten. "Da nimmt man wissentlich eine Gefährdung des Verbrauchers in Kauf", sagt Fischer.

Sie könnten nun auch wegen anderer Grenzwerte vor Gericht ziehen - etwa bei Lärm

Wenn fortan Verbände leichter gerichtlich gegen die Missachtung von Grenzwerten vorgehen können, dürfte dies die Effizienz bei der Durchsetzung solcher Normen deutlich erhöhen. Entscheidende Stellschraube war im konkreten Fall die Frage, welchem Zweck der in einem komplizierten Geflecht von nationalen und EU-Vorschriften geregelte Grenzwert für das Lampen-Quecksilber eigentlich dient. Namentlich die betroffenen Unternehmen argumentierten, es gehe dabei allein um Umweltschutz und Abfallbeseitigung - also um ein allgemein-gesellschaftliches Ziel, nicht um spezifische Verbraucherinteressen. Der BGH hat den Streit, der bislang vor den Gerichten der unteren Instanzen ausgetragen worden war, nun abschließend entschieden: "Die Grenzwerte dienen auch dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher", sagte der BGH-Senatsvorsitzende Wolfgang Büscher bei der Urteilsverkündung ( Az: I ZR 234/15).

Wie weit damit die Tür für weitere Wettbewerbsklagen von Verbraucherverbänden geöffnet ist, werden Verbände wie die DUH in künftigen Prozessen ausloten müssen. Bloße Bagatellverstöße, das wurde in der BGH-Verhandlung deutlich, wird man nicht vor Gericht bringen können. DUH-Anwalt Remo Klinger gibt sich optimistisch: "Jede Verletzung von gesundheitsschützenden Normen kann nunmehr grundsätzlich durch Verbände gerichtlich verfolgt werden." Also auch weit über den Leuchtmittelsektor hinaus. Anwalt Thomas Winter, der den Verband vertreten hat, denkt dabei etwa an Motorsägen, deren Abgase den Verbraucher gefährden können. Oder sogar an gesundheitsschädlichen Lärm - auch dafür gibt es Grenzwerte. DUH-Abteilungsleiter Fischer kündigte an, man werde nun das Urteil auswerten und prüfen, auf welche weiteren Produkte das nun aufgewertete Klagerecht anwendbar sei.

© SZ vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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