Greenpeace-Studie zu Gesundheitsschäden:"Kohlekraftwerke sind lautlose Killer"

Braunkohlekraftwerk Jänschwalde

Wenig klimafreundlich - und gesundheitsschädigend: ein Braunkohlekraftwerk in Brandenburg.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Asthma, Herzinfarkte, Lungenkrebs: Kohlekraftwerke in Deutschland schadeten mit ihren Giftausstößen der Gesundheit und seien für Tausende Todesfälle verantwortlich, warnt die Umweltorganisation Greenpeace - und fordert den Ausstieg.

In der Nord- und Ostsee drehen sich Tausende Windkrafträder, auf deutschen Häuserdächern reihen sich die Photovoltaik-Anlagen aneinander und das Umweltministerium schmückt sich mit dem Projekt "Energiewende". Deutscher Strom scheint sauber zu sein - und ist es doch nicht: Beinahe die Hälfte wird noch immer aus Braun- und Steinkohle gewonnen. Das schade nicht nur der Umwelt, sondern auch den Menschen, warnt eine aktuelle Studie der Umweltorganisation Greenpeace.

Die Schornsteine der Kohlekraftwerke in Deutschland und in Europa stoßen Zehntausende Kilogramm toxische Metalle wie Quecksilber, Blei, Arsen und Cadmium aus - und können so Asthma, Herzinfarkte, Lungenkrebs und Entwicklungsstörungen bei Kindern auslösen, heißt es in der Untersuchung, die Greenpeace bei der Universität Stuttgart in Auftrag gegeben hat.

"Kohlekraftwerke sind lautlose Killer", schreiben die Forscher plakativ. Die unterschiedlichen Emissionen aus Schwefeldioxid, Stickoxid und Feinstaub verschmutzten die Luft. Die Partikel seien so klein, dass sie tief in die Lunge eindringen würden. Lösliche Feinstaubpartikel würden in den Blutkreislauf aufgenommen und könnten dadurch Herz und Blutgefäße schädigen. Die nicht-löslichen Partikel wiederum blieben in der Lunge hängen und würden dort das Gewebe zerstören. Auch toxische Metalle könnten das Gehirn und weitere Organe schädigen.

Die Forscher berechnen in ihrer Studie, dass die Emissionen der 67 größten deutschen Kohlekraftwerke 2010 etwa 3100 Menschen das Leben gekostet haben. Außerdem führten die Gesundheitsschäden dazu, dass Arbeitnehmer sich krank meldeten - daher seien 2010 schätzungsweise 700.000 Arbeitstage verloren gegangen.

Durch die Ausstöße der RWE-Werke sterben jährlich Hunderte Menschen

Die deutsche Stromversorgung ist von der Kohle abhängig: Die etwa 140 Braun- und Steinkohlekraftwerke in Deutschland produzierten 45 Prozent des gesamten Strombedarfs, 26 Prozent davon würden dabei auf die besonders belastende Braunkohle entfallen, heißt es in dem Papier. Weil Importkohle derzeit relativ billig sei, nehme die Stromerzeugung durch Kohle in Deutschland sogar zu. Dazu trage auch bei, dass Deutschland über große Vorkommen der besonders schmutzigen Braunkohle verfügt. 185 Millionen Tonnen davon seien 2012 hierzulande verbrannt worden.

Besonders dreckig ist Deutschlands Luft der Studie zufolge dort, wo die meisten Kohlekraftwerke stehen. So betreibe der Energiekonzern RWE fünf Braunkohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen. Auch in Ostdeutschland, bei Dresden, Berlin und Leipzig, befinden sich große Kraftwerke. Die Studie benennt die fünf gesundheitsschädlichsten Energiekonzerne: RWE, Vattenfall, E.ON, STEAG und EnBW. Jährlich würden durch die Emissionen der RWE-Werke im Durchschnitt 959 Menschen, durch die der Vattenfall-Werke 931 Menschen sterben. Ein deutsches Problem bleibt das nicht: Weil der Wind die Schadstoffe über Landesgrenzen hinweg trägt, verteilt sich der Kohledreck in ganz Europa.

Der Bundesverein Braunkohle sieht das mit dem Dreck offenbar anders: Sie bezeichnet sich als "sauber", schließlich würden alle Kraftwerke über Filteranlagen verfügen, die die Emissionen von Schadstoffen befreien. "Selbst die sauberste Kohle ist zu dreckig", schreiben dagegen die Forscher der Greenpeace-Studie. Zwar habe es erhebliche Fortschritte beim Emissionsschutz gegeben. Das verhindere aber nicht, dass die Kohle noch immer stark gesundheitsgefährdend sei. Die einzige Möglichkeit, Todesfälle zu verhindern, sei, vollständig aus der Kohle auszusteigen. Allerdings befinden sich derzeit 17 neue Braun- und Steinkohlewerke in Planung, sechs davon sind bereits genehmigt und darauf angelegt, mindestens 40 Jahre zu laufen.

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