Google:Vorbildlich in China

Google hat den Kampf gegen Chinas Zensoren verloren. Dennoch kann das Unternehmen das Schlachtfeld mit erhobenem Haupt verlassen.

Karl-Heinz Büschemann

Der Internetkonzern Google schaltet in China seine Seiten ab, weil er nicht mehr bereit ist, die Zensur der Informationen in der Volksrepublik mitzutragen. Er zieht sich aus dem Land zurück und ist damit das erste große Unternehmen, das aus politischen Gründen der Regierung in Peking die Stirn bietet und zudem auf die Wachstumschancen verzichtet. Die Regierung in Peking schlug sofort zurück und drohte dem Suchmaschinenanbieter mit "Konsequenzen".

Schnell kursierte die Deutung, Google sei in China in Wahrheit nicht erfolgreich, es habe nur einen Marktanteil von 30 Prozent, das China-Geschäft mache bestenfalls einen Bruchteil des Konzernumsatzes aus. Andere behaupteten, der erfolgreichste Weltkonzern der jüngeren Vergangenheit nutze seine Probleme in China nur, um sein Image zu verbessern, das zuletzt gelitten hatte, weil sich die eifrigen Suchmaschinisten in alle Lebensbereiche der Menschen einmischten.

Der Rückzug sei nichts als ein PR-Gag, zumal sich Google gar nicht völlig aus China verabschiede, sondern Anfragen nur auf einen Computer in Hongkong umleite. Dabei hat der Mitbegründer von Google, der in Russland geborene Sergej Brin, eine bemerkenswert einfache Begründung für den Google-Rückzug in China genannt: Er fühle sich an seine Heimat, die Sowjetunion, erinnert.

Wahrscheinlich haben für Google alle Motive eine Rolle gespielt. Trotzdem ist die Entscheidung historisch zu nennen. Sie ist mutig, weil sie schwerwiegende Folgen für das Unternehmen haben kann. Man wünscht sich, dass andere dem Beispiel der Silicon-Valley-Firma folgen.

Es ist bei Unternehmern und Managern in der westlichen Welt üblich, nicht über die politischen Verhältnisse in China zu sprechen. Die Wirtschaft schätzt das Land mit seinen 1,3 Milliarden Menschen als ein schier unerschöpfliches Wachstumsreservoir, das Geschäfte für Jahrzehnte verspricht. Die will man auf keinen Fall mit Bemerkungen über fehlende Menschenrechte und ein diktatorisches Regime gefährden.

Weltkonzerne, die im eigenen Land nicht vor massivem Druck auf die Regierungen zurückschrecken würden, lassen sich in diesem Wachstumsmarkt Dinge gefallen, die sie anderswo niemals akzeptieren würden. In China ist der Diebstahl von Technologie gang und gäbe, er ist sogar eine Art Staatszweck. Rechtssicherheit ist ein Fremdwort in diesem Land. Allein der Blick auf die gewaltigen Chancen macht die Manager blind und stumm.

Unternehmer müssen keine Freiheitskämpfer sein. Niemand kann ernsthaft erwarten, dass sie mit kritischen Bemerkungen über die Regierung in Peking ihre Geschäfte gefährden. Das ist Sache ihrer Politiker. Aber wenigstens sollten es die Wirtschaftsvertreter unterlassen, die politischen Verhältnisse in China schönzureden.

Mehr als Image, Marktanteile und Gewinne

Den deutschen Unternehmern war es schon unheimlich, dass Kanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in Peking vor vier Jahren die Menschenrechte zum offiziellen politischen Thema machte. Merkels Vorgänger Helmut Kohl und Gerhard Schröder hatten sich zum Gefallen der Milliarden-Investoren darauf konzentriert, im Interesse der Geschäfte den jeweiligen Regierungschefs mit Freundlichkeiten zu begegnen.

Investoren muss aber klar sein, dass Geschäfte mit Diktaturen so risikolos nicht sind, wie sie erscheinen. Ein Unternehmen, das heute die Sonne der Machthaber genießt, kann am nächsten Tag schon im Schatten stehen, seiner Perspektiven beraubt werden und Milliarden verlieren.

Wer mit totalitären Systemen zu tun hat, ist immer in der Nähe der Korruption. China-Kenner berichten, dass in diesem Land Geschäfte gar nicht möglich sind, wenn nicht bestimmte Partner ausreichend geschmiert werden. Die Erfahrungen, die Siemens mit der Bestechung im Ausland machte, sollten anderen Unternehmen eine Warnung sein.

In Ländern wie China kann ein zeitweiliger Erfolg schnell in einem katastrophalen Imageschaden enden. Das haben schon viele zu spüren bekommen. Zum Beispiel musste der Sportartikelhersteller Adidas zusehen, wie Polizisten in Anzügen mit den drei Streifen vor Fernsehkameras auf Tibet-Freiheitskämpfer einschlugen.

Kunden reagieren auf solche Bilder extrem sensibel und können mit dem Boykott bestimmter Produkte ein Unternehmen in Not bringen. Die Globalisierung der Märkte sorgt ganz nebenbei auch für die weltweite Wahrnehmung von Unternehmen und Marken.

Im Falle Google ging es sogar um mehr als um Image, Marktanteile und Gewinne von morgen. Die Internetfirma musste die Erfahrung machen, dass ihre Zusammenarbeit mit dem Regime sogar Menschenleben in Gefahr bringen kann. Anfang dieses Jahres wurde bekannt, dass die Google-Computer angeblich von Hackern im Auftrag der Regierung ausspioniert worden waren. So seien Namen von Regimegegnern bekannt geworden, die Gefahr laufen, ins Gefängnis zu kommen. Google ist ein Symbol dafür, wie nah Geschäfte, die noch akzeptabel sein mögen, und solche, die es nicht mehr sind, beieinander liegen.

Es wäre zu wünschen, dass mehr Unternehmen es wagen, sich zur Politik in China so zu äußern, wie es Google getan hat. Die scharfe Reaktion der chinesischen Regierung auf diesen Schritt deutet darauf hin, dass Peking von der Entscheidung sehr wohl beeindruckt ist. Es wird sich nach dem Rückzug von Google in dem Land nicht viel ändern, in China dauern alle Veränderungen erfahrungsgemäß sehr lange. Aber eines ist klar: Wenn niemand den Mund aufmacht, kommt der Wandel in diesem Lande nie.

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