Google:Gar nicht smart

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Die EU-Kommission verschärft das Verfahren gegen Google: Brüssel wirft dem Konzern jetzt vor, mit seinem Betriebssystem Android Verbrauchern und Wettbewerbern massiv zu schaden.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Margrethe Vestager hat schon etwas Übung darin, sich mit Google anzulegen. Es ist nicht das erste Mal, dass die EU-Kommissarin dem US-Konzern unlautere Geschäftspraktiken vorwirft. An diesem Mittwoch verschärft sie ihren Kurs noch einmal deutlich. Nach Ansicht der Kommissarin missbraucht Google seine Marktmacht beim Smartphone-Betriebssystem Android. Vestager steht im Pressesaal der Brüsseler Behörde und klagt mit ruhiger Stimme an. "Unsere bisherigen Ermittlungen lassen darauf schließen, dass Google durch sein Verhalten den Verbrauchern eine größere Auswahl an mobilen Anwendungen und Dienstleistungen vorenthält, Innovationen anderer Unternehmen bremst und damit gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt", sagt die Wettbewerbskommissarin. Sie schicke deshalb ein Schreiben mit Beschwerdepunkten an Google. Die Mitteilung ist die erste Stufe in dem Verfahren, an dessen Ende eine milliardenschwere Strafe stehen könnte.

Ein Jahr lang haben die Experten Daten ausgewertet und Geschäftsbedingungen geprüft

Seit nunmehr einem Jahr haben Experten der EU-Kommission Daten ausgewertet und Geschäftsbedingungen von Google analysiert. Ihr Ergebnis: Der Konzern erlege Herstellern von Android-Geräten und Betreibern von Mobilfunknetzen Beschränkungen auf, die dem Wettbewerb schaden und Innovationen hemmen. Dies zeigt sich laut Vestager etwa daran, dass Smartphone-Hersteller Googles Browser Chrome vorinstallieren und dessen Suchmaschine als Standard festlegen müssen, wenn sie die Lizenz für bestimmte Google-Apps erwerben wollen. Zudem erhielten Anbieter von Mobilfunknetzen finanzielle Anreize, wenn sie ausschließlich die Google-Suche auf den Geräten installierten. Hersteller anderer Smartphones und Tablets würden am Verkauf ihrer Produkte gehindert, wenn sie andere Betriebssysteme verwenden wollten, die auf dem offenen Android-Quellcode basierten.

Allein im vergangenen Jahr hat Google etwa elf Milliarden Dollar an Werbeeinnahmen verzeichnet, die mit dem firmeneigenen Kartendienst, der Suchmaschine oder dem E-Mail-Dienst Gmail auf Android-Smartphones verknüpft sind. Nach Angaben der EU-Kommission ist das Betriebssystem weltweit auf rund 80 Prozent der Smartphones und Tablets installiert. Es ist auch in Europa das dominierende System.

Google hat nun zwölf Wochen Zeit, auf die neuen Vorwürfe aus Brüssel zu reagieren. Das Unternehmen kann auch eine mündliche Anhörung beantragen. Man wolle mit der EU-Kommission zusammenarbeiten, um zu zeigen, dass Android gut für den Wettbewerb und gut für die Verbraucher sei, sagt Kent Walker, der Chefanwalt des US-Konzerns. Aus seiner Sicht habe Android zur Entstehung eines breiten und vor allem nachhaltigen wirtschaftlichen "Ökosystems" geführt, das auf Open-Source-Software und Innovation basiere. Open Source bedeutet, dass der bei Google entwickelte Programmcode für alle kostenlos zugänglich ist. Hersteller können Android-Geräte demnach komplett ohne Google-Dienste produzieren und das Betriebssystem nach eigenen Wünschen anpassen oder weiterentwickeln. Amazon macht das zum Beispiel bei seinen Kindle-Fire-Tablets.

Will ein Anbieter allerdings Google-Apps wie Gmail oder Maps auf einem Gerät haben, muss er ein Paket mit mehreren Google-Apps vorinstallieren, die nicht gelöscht werden können. Der US-Konzern begründet dies damit, dass sich die verschiedenen Google-Dienste untereinander austauschen müssten, um wirklich nützlich zu sein. Jeder könne außerdem uneingeschränkt Apps anderer Unternehmen installieren und verwenden.

Wer Geräte mit Google-Diensten verkaufen will, bekommt eine nach Angaben des Internet-Konzerns freiwillige "Anti-Fragmentierungs-Vereinbarung" vorgelegt. Mit ihr solle sichergestellt werden, dass alle Apps auf allen Geräten laufen können. Daraus ergibt sich aber auch, dass Anbieter, die diese Vereinbarung unterzeichnen, keine Geräte mit abgewandelten Android-Versionen als Betriebssystem verkaufen können.

Für EU-Kommissarin Vestager wäre die Lösung ganz einfach: "Google muss sein Vorgehen einstellen." Dies sei nötig, um europäische Verbraucher zu schützen. Ansonsten drohe dem Unternehmen ein Bußgeld. Dieses kann bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes betragen, der beträgt bei Google 74,5 Milliarden Dollar. Sollte es wirklich so weit kommen, dürfte wohl der Europäische Gerichtshof das letzte Wort haben.

Android ist nicht das einzige Problem, das Google mit der EU-Kommission hat. Die Brüsseler Behörde hat bereits ein weiteres Wettbewerbsverfahren wegen der Platzierung von Werbung in der Suchmaschine eröffnet. In dem seit 2010 laufenden Verfahren beschuldigt die EU-Kommission den Konzern, eigene Angebote zu bevorzugen. So geht es etwa um die Frage, ob Google seine Marktmacht als Suchmaschinenbetreiber ausnutzt, um Millionen von Nutzern auf die Preisvergleichsseite Google Shopping zu lenken. Und das, obwohl andere Anbieter womöglich niedrigere Preise und eine größere Auswahl bieten.

Wie hoch der mögliche Schaden sei, den Google durch seine Geschäftspraktiken verursacht, vermag EU-Kommissarin Vestager nicht sagen. Dies sei schwer zu quantifizieren. Alles, was sie wolle, sei ein fairer Wettbewerb. Und dann sagt sie noch: "In Europa kann man dominant sein, aber man darf seine Dominanz nicht missbrauchen."

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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