Google:Angriff auf das Kerngeschäft

Lesezeit: 2 min

Grünes Männchen aus Mountain View: das Android-Maskottchen. (Foto: AP)

Die EU-Kommission eröffnet ein drittes Verfahren gegen Googles Marktmacht - jetzt geht es um Werbung.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Im seit sechs Jahren laufenden Wettbewerbsverfahren gegen Google zielt die EU-Kommission nun auch auf die Online-Werbung. In diesem Bereich macht der Suchmaschinenanbieter den weit überwiegenden Teil seines Umsatzes - 90 Prozent. Das Unternehmen missbrauche seine marktbeherrschende Stellung, indem es die Möglichkeiten Dritter künstlich beschränke, auf ihren Internetseiten Suchmaschinenwerbung von Wettbewerbern anzuzeigen, erklärte die Behörde am Donnerstag in Brüssel.

Es ist der dritte Bereich, in dem die Kommission Google in einem "Statement of Objections" unfairen Wettbewerb vorwirft und Änderungen fordert. Zunächst hatte sie den Preisvergleichsdienst "Google Shopping" unter die Lupe genommen. Hier hat sie jetzt zusätzliche Beweise vorgelegt. "Wir glauben, dass das Vorgehen von Google den Verbrauchern geschadet hat, weil sie die Suchergebnisse angezeigt bekommen, die Google ihnen zeigen will, und nicht unbedingt diejenigen, die relevanter sind", sagte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Die Firma schiebe "sehr, sehr oft" eigene Dienste in der Anzeige nach oben. Google habe den Wettbewerb in diesem Bereich "geschwächt oder sogar fast beseitigt".

In einem weiteren Verfahren, das im vergangenen April lanciert wurde, geht es um das weltweit dominierende Smartphone-Betriebssystem Android. Hier moniert die Kommission unter anderem, dass Hersteller von Android-Geräten mit integrierten Diensten des Konzerns zwingend auch die Google-Suche und den Web-Browser Google Chrome vorinstallieren müssen.

Die neuen Vorwürfe der Kommission richten sich speziell gegen den Dienst AdSense for Search von Google. Er ermöglicht es Anbietern - zum Beispiel Online-Einzelhändlern oder Medienkonzernen - die Google-Suchmaske in ihre Websites einzubinden. Wird in dieser Maske nach Informationen gesucht, erscheint zusätzlich Werbung, für die der Webseiten-Betreiber und Google eine Provision erhalten. Auf dem Markt für die Vermittlung von Suchmaschinenwerbung hat Google in Europa einen Anteil von 80 Prozent. Diese Position hat das Unternehmen nach Ansicht der Kommission in den vergangenen zehn Jahren ausgenutzt, indem es wichtigen "direkten Partnern" Bedingungen diktierte, die Konkurrenzanbieter benachteiligten. So müssen die Partner eine Mindestzahl von Suchmaschinenanzeigen abnehmen und den besten Platz auf ihren Ergebnisseiten für Werbung von Google reservieren. Auch würden Kunden dazu gezwungen, von Google eine Genehmigung einzuholen, bevor sie an der Präsentation konkurrierender Suchmaschinenwerbung etwas ändern.

Laut Vestager hält die Kommission an ihren Untersuchungen in anderen Bereichen fest, etwa der Reisesuche oder der Suche nach lokalen Geschäften. Außerdem geht sie weiterhin der Kritik unter anderem von deutschen Medienverlagen nach. Sie monieren die Art und Weise, wie Google ihre Inhalte verwertet.

Google hat die Vorwürfe der EU-Kommission immer zurückgewiesen. "Wir glauben, dass unsere Innovationen und Produktverbesserungen die Auswahl für europäische Verbraucher vergrößert und den Wettbewerb vorangebracht haben", erklärte der Konzern am Donnerstag. Man werde die Vorwürfe der Kommission prüfen. Google sieht keine kausale Verbindung zwischen seinen eigenen Geschäftspraktiken und dem Auf und Ab von Konkurrenzfirmen. Ad-Sense hält es eher für ein Nischengeschäft mit sinkenden Umsätzen. Google hat zu den früheren Vorwürfen Zugeständnisse angeboten, die der Kommission aber nicht weit genug gingen.

Der Konzern hat zehn Wochen Zeit für eine Stellungnahme. Hält die Kommission an ihren Vorwürfen fest, könnte sie Bußgelder in Höhe von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes verhängen. Derzeit wären dies mehr als sieben Milliarden Euro. Gegen die US-Konzerne Intel und Microsoft hat die EU Kartellstrafen in Höhe von einer Milliarde und 860 Millionen Euro verhängt. Das Google-Verfahren läuft seit 2010, also relativ lange, ohne dass ein Ende absehbar wäre. Da mit Gerichtsverfahren zu rechnen sei, müsse die Kommission sehr genau arbeiten, sagte Vestager, das gehe eben auf Kosten der Zeit. Die Kommission sollte offene Verfahren gegen Google "auch irgendwann einmal zu Ende führen", drängte der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU).

Wie bei früherer Gelegenheit machte die dänische Kommissarin ihre Sympathie für Google deutlich. "Dessen Produkte haben unser Leben verbessert", indem sie Zugang zu neuen Informationen geboten hätten, sagte sie. "Das gibt Google aber nicht das Recht, anderen Unternehmen Wettbewerbs- und Innovationsmöglichkeiten zu nehmen."

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: