Goldman Sachs und die Handelspanne:Mensch gegen Maschine

Goldman Sachs

Hier wohnt das große Geld: die Zentrale von Goldman Sachs in New York.

(Foto: Scott Eells/Bloomberg)

Die stolze Investmentbank Goldman Sachs galt in Sachen Technik bislang als unfehlbar. Doch nun sorgt das Geldhaus für eine neue Handelspanne an den Börsen. Und schon sind die Märkte in Aufruhr.

Von Alexander Mühlauer

Es ist ein Kampf, der wohl nie enden wird: Mensch gegen Maschine. Wobei, in der Welt der Börsen scheint er bereits entschieden. Computer haben an den Finanzmärkten die Macht übernommen, Börsenmakler mutieren zu Statisten. Was bleibt, ist die Kulisse. Das Parkett, die schwarzen Tafeln mit den Buchstaben und Zahlen, die flimmernden Bildschirme. An den Handelsplätzen verdrängen die Maschinen den Menschen, nur bei wenigen Geschäften wird er noch gebraucht.

Nun ist es aber so: Auch Maschinen haben, wenn man so will, menschliche Züge. Und so kommt es immer wieder zu Computerfehlern. Jetzt hat es sogar die stolze Investmentbank Goldman Sachs getroffen, die bislang auch in Sachen Technik als unfehlbar galt. (Spätestens seit der Finanzkrise weiß man es besser.) Das Geldhaus hat versehentlich eine Flut an Geschäften mit Aktienoptionen getätigt. Und schon waren die Märkte in Aufruhr. Die Orders von Goldman wurden am Dienstag kurz nach Handelsbeginn abgegeben. Betroffen waren Optionen auf Aktien, deren Handelssymbole mit den Buchstaben H bis L beginnen, darunter amerikanische Großkonzerne wie Kellogg, Johnson and Johnson oder JP Morgan Chase.

Die Börsenbetreiber Nyse Euronext, Nasdaq OMX und CBOE teilten mit, die Deals würden genau überprüft. Eine mit dem Vorgang vertraute Person führte die fehlerhaften Orders auf eine Computerpanne zurück. Diese habe dazu geführt, dass bloße Interessensbekundungen irrtümlich als Aufträge an die Handelsplätze versandt worden seien. Gut möglich, dass Goldman Sachs nun ein Verlust in Millionenhöhe droht. Der Finanzkonzern bestreitet das und teilte lediglich mit, dass dem Unternehmen kein großer Schaden entstanden sei. Was auch immer das im Goldman-Maßstab bedeuten mag.

Doch nicht nur in New York, weltweit regieren schnelle und effiziente Rechner die Handelsplätze. Bereits 1997 führte die Frankfurter Börse ihr elektronisches Xetra-System ein, zuletzt fanden noch gut zehn Prozent des Handels auf dem Parkett statt. An der Wall Street gibt es seit 2005 die elektronische Plattform Archipelago. Zuvor waren in New York täglich fast drei Millionen Aktiengeschäfte getätigt worden. Nach der Computereinführung stieg die Zahl binnen drei Jahren auf über 20 Millionen. Die Börsen haben eine Macht bekommen, die ungeheuerlich anmutet.

Das Ziel: maximaler Gewinn

Vor Ausbruch der Finanzkrise war das weltweite Handelsvolumen an den Finanzmärkten 73-mal so hoch wie das gesamte Bruttoinlandsprodukt der Welt. Die großen Deals werden heute an irgendwelchen Computern in Zürich, Hongkong oder sonstwo gemacht. Die Finanzkrise offenbarte, dass zu viele Wertpapiergeschäfte außerhalb regulierter Börsen abgewickelt werden. Banken und Hedgefonds handeln direkt miteinander. In Sekunden jagen Händler Milliarden durch die Währungsräume, elektronisch gesteuert von einem Rechner, der von niemandem reguliert wird - mit nur einem Ziel: maximalen Gewinn zu erzielen.

Sogenannte High-Frequency-Trader beherrschen die Handelsströme. Diese Hochgeschwindigkeitshändler wickeln Wertpapiergeschäfte in Millionstelsekunden ab. Unternehmen, die dieses Geschäft betreiben, sind klein, verschwiegen und kaum kontrolliert. Dabei verantworten sie bereits etwa 70 Prozent der US-Börsenumsätze (in Deutschland sind es gut 40 Prozent). Viele Experten sehen darin eine große Bedrohung für das Finanzsystem.

Als Präzedenzfall gilt der "Flash Crash" vom 6. Mai 2010. An diesem Tag stürzte der US-Leitindex Dow Jones in weniger als 20 Minuten um fast 1000 Punkte ab, so schnell und tief wie nie zuvor. An den Märkten brach Chaos aus. Nach einer halben Stunde war der Blitz-Crash vorbei, bis heute ist nicht geklärt, worin die Ursachen bestanden. Es kann sein, dass es an den Turbo-Händlern lag.

Die neueste Panne von Goldman erinnert an den Fall Knight Capital, bekannt als "Knight-Mare on Wall Street". Im Sommer 2012 versetzte ein Computerfehler der Finanzfirma die Anleger in Panik. Rechner hatten die Märkte mit Orders geflutet, das Unternehmen verlor 440 Millionen Dollar. Knight Capital stand vor dem Kollaps und musste von mehreren Investoren gerettet werden. Mittlerweile hat der Makler Getco die Firma übernommen.

Bei Goldman Sachs besteht diese Gefahr nicht, dafür ist der Geldkonzern viel zu groß. Was aber auch diesmal hängen bleibt, ist das Gefühl menschlicher Ohnmacht.

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