"Gnadenlose Hetze":Beißende Kritik an Aldi, Lidl und Schlecker

Etliche Mitarbeiter von Lidl, Schlecker und Aldi Süd erleben nach Darstellung der Gewerkschaft ver.di täglich die Schattenseiten der Discounter-Erfolgsgeschichte.

Sie sind Legenden des deutschen Handels, lenken milliardenschwere Unternehmen und pflegen den Ruf verschrobener Geheimniskrämer: Lidl-Gründer Dieter Schwarz, Drogerie-Betreiber Anton Schlecker und die Aldi-Brüder Theo und Karl Albrecht.

"Gnadenlose Hetze": Soll Druck auf Mitarbeiter ausüben: Aldi Süd.

Soll Druck auf Mitarbeiter ausüben: Aldi Süd.

(Foto: Foto: dpa)

Sich selbst präsentieren die Manager in internen Publikationen gerne als demütig, allein dem Wohl von Beschäftigten und Kundschaft verpflichtet. Doch etliche Mitarbeiter der Discounter haben nach Angaben von Verdi keinen angenehmen Arbeitsalltag.

"Testkäufer inszenieren Kündigungsgründe"

In den Konzernzentralen und Filialen der Handelsriesen werden aufmüpfige Beschäftigte sowie Betriebsräte angeblich systematisch schikaniert. Mit der Umsetzung rigider Sparprogramme hätten sich die - bereits länger bekannten - schlechten innerbetrieblichen Verhältnisse in diesem Jahr nochmals verschärft.

"Die Unternehmen wollen ihre eigene Suppe kochen und sich nicht an demokratische Spielregeln halten", kritisiert ver.di-Handelsexperte Hans-Martin Poschmann. Aldi Süd, Lidl und Schlecker wollten sich zu den Vorwürfen auf Anfrage nicht äußern.

Die scheuen Unternehmerpersönlichkeiten Schwarz, Schlecker und Albrecht stehen in dem Ruf, jeden Cent zwei Mal umzudrehen. Lidl (Umsatz 8,5 Milliarden Euro) hat es in diesem Jahr geschafft, stärker als Discountprimus Aldi (Umsatz Nord/Süd 25 Milliarden Euro) zu wachsen.

Lidl kalkuliere nicht nur bei Lieferanten und Pachtverträgen knallhart, sondern auch bei den eigenen Mitarbeitern, erzählen Betriebsräte.

Unbezahlte Überstunden seien die Regel. "Vor Ort beruht das Erfolgsrezept Billig auf Personalnotstand und gnadenloser Hetze. Wo sich Unmut regt, geben sich Testkäufer die Klinke in die Hand und inszenieren Kündigungsgründe", heißt es in einem ver.di-Bericht.

Die Gewerkschaft setzt nun verstärkt auf Kampagnen zur "Demokratisierung von Lidl", um öffentlich Druck auf die Konzernspitze um Dieter Schwarz auszuüben. Bei Aldi Nord hat ver.di damit in der Vergangenheit einiges erreicht. Zentrallager und Filialen haben gewählte Interessenvertreter, auf Betriebsversammlungen schauen auch Manager aus der Essener Chefetage vorbei.

"Bei Aldi Nord sind die Strukturen nicht mehr ganz so geheimnisvoll. Aldi Süd hat sich dagegen ähnlich eingeigelt wie Lidl und greift auf vergleichbar rüde Methoden zurück", sagt Poschmann.

"Abmahnungen, Kontrollen, Überwachung, Druck und Angst"

Beim Blockieren von Betriebsräten sei jedoch Deutschlands zweitgrößter Discounter Lidl führend: Immer wieder seien Unternehmensteile in kleine rechtliche Einheiten umgewandelt worden, um den Aufbau von Betriebsräten zu untergraben.

Heute ist die zur Schwarz-Gruppe (Kaufland) gehörende Lidl-Stiftung in Neckarsulm ein Geflecht aus Hunderten Beteiligungen. Es ist unheimlich schwer, die Konzernstruktur aufzudröseln. Dieter Schwarz verstecke sich hinter der Stiftung, aber er halte die Fäden zusammen, meint Poschmann.

Ähnlich nebulös gehe es bei Schlecker zu. Anton Schlecker hat in vier Jahrzehnten Europas größte Drogerie- Kette mit 12.500 Filialen, 48.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 6,2 Mrd Euro aufgebaut.

Die innerbetriebliche Mitbestimmung scheint dabei in vielen Fällen auf der Strecke geblieben zu sein. Zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten ohne Betriebsrat. Wegen Lohndumpings wurden Anton und Christa Schlecker vor fünf Jahren vom Stuttgarter Landgericht zu hohen Geldstrafen und Gefängnis auf Bewährung verurteilt.

Danach unterschrieb der Unternehmer zwar Tarifverträge, doch die Kritik seitens der Arbeitnehmer reißt nicht ab.

Allein in München sind ver.di so viele Klagen zu Ohren gekommen, dass die Gewerkschaft gerade eine Anti-Mobbing-Kampagne gestartet hat. Abmahnungen, Kontrollen, Überwachung, Druck und Angst: Zahlreiche Schlecker-Kassiererinnen sähen sich unerhörten Schikanen von Vorgesetzten ausgesetzt.

Betroffen seien kranke, ältere oder schwangere Frauen, die nicht mehr die volle Leistung bringen könnten, sagt ver.di-Sprecherin Agnes Schreieder. Dabei gehe es nicht um Einzelfälle, sondern um ein Phänomen mit System.

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