Glyphosat:In die Verlängerung

Getreideähren im Wind

Das Mittel vernichtet nicht nur Unkraut, es kann auch Erntehelfer sein. Bauern setzen Glyphosat ein, um die Reifung von Getreide zu beschleunigen und zu steuern.

(Foto: Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die EU-Länder entscheiden am Freitag über Glyphosat - wieder einmal. Scheitert auch dieser Versuch, kann die EU-Kommission eigentlich nur noch eines tun.

Von Silvia Liebrich

Trotz massiver Proteste wird die Europäische Kommission die Zulassung für das umstrittene Pestizid Glyphosat wohl verlängern. Andere Alternativen hat sie kaum. Denn wenn sich Vertreter der EU-Länder bei ihrem Treffen an diesem Freitag wieder nicht auf eine Genehmigung einigen können, muss Brüssel im Alleingang entscheiden. Darauf wird es nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wohl hinauslaufen. Nach drei gescheiterten Abstimmungsversuchen droht nun auch im Berufungsausschuss eine Pleite. Frankreich hat signalisiert, dass es gegen den Unkrautvernichter stimmen wird, Deutschland bleibt bei seiner Enthaltung, weil sich Agrar- und Umweltministerium nicht einigen können. Eine mehrheitliche Zustimmung der Länder dürfte nach Einschätzung von Beobachtern auch dieses Mal nicht zustande kommen.

Viel Zeit bleibt der Kommission dann nicht mehr. Die aktuelle Zulassung von Glyphosat läuft Ende des Monats aus, also nächste Woche. Bis dahin muss entschieden sein, ob der Stoff in der EU verboten oder erneut zugelassen wird. Darauf dringen Hersteller und Bauernverbände. Auslöser des Hickhacks sind unter anderem widersprüchliche Risikoanalysen. Während Krebsexperten der Weltgesundheitsorganisation WHO den Stoff für wahrscheinlich krebserregend halten, sehen die zuständigen europäischen Behörden dieses Risiko nicht. Rein formal ist für Neuzulassung jedoch die Einschätzung der EU-Lebensmittelaufsicht Efsa entscheidend - und die gibt grünes Licht. Selbst wenn sie wollte, die Kommission kann das nicht einfach ignorieren, sonst drohen Schadenersatzklagen der Pestizidhersteller.

Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission, hat bereits durchblicken lassen, wie es weitergehen wird. Die Kommission könne sich nicht den Luxus leisten, auf eine Entscheidung zu verzichten, sagte er vergangene Woche vor EU-Abgeordneten. Deutliche Kritik richtete er auch an die Adresse jener EU-Länder, die sich wie Deutschland mit ihrer Enthaltung um eine Entscheidung drückten. Ähnlich äußerte sich auch Martin Häusling, EU-Abgeordneter der Grünen. "Die Länder schieben der Kommission den Schwarzen Peter zu. Zu Hause können sie dann ihren Wählern sagen, nicht wir sind schuld, die EU hat für Glyphosat entschieden."

Die große Mehrheit der Deutschen, 83 Prozent, lehnt eine weitere Zulassung von Glyphosat in Europa ab. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage von Greenpeace hervor. Demnach sind drei Viertel der Gegner selbst dann gegen eine Zulassung, wenn sich der Krebsverdacht nicht bestätigen sollte. Zudem gaben laut Greenpeace 96 Prozent der Befragten an, sie seien bei einem Verzicht der Landwirtschaft auf das Pestizid bereit, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Den Umweltschützern zufolge könnte ohne Glyphosat beispielsweise der Preis für ein Kilo Äpfel um fünf Cent steigen. Greenpeace und Abgeordnete der Grünen im europäischen Parlament forderten die Bundesregierung erneut auf, sich am Freitag gegen Glyphosat auszusprechen.

Nachdem die EU-Kommission zunächst eine Zulassungsverlängerung erst für fünfzehn und dann für neun Jahre wollte, sieht ihr aktueller Vorschlag eine Verlängerung der laufenden Zulassung für zwölf bis achtzehn Monate vor - ohne Auflagen. In diesem Zeitraum soll die Europäische Chemikalienagentur Echa eine weitere Studie zu Glyphosat abschließen. Von diesem Ergebnis wird die EU-Kommission dann voraussichtlich eine Neugenehmigung des Pestizids für einen längeren Zeitraum abhängig machen.

Glyphosat ist weltweit das am meisten verkaufte Pestizid. Zuerst auf den Markt gebracht wurde es vom US-Hersteller Monsanto, den der Bayer-Konzern übernehmen will. Außerhalb der EU spielt der Wirkstoff beim Anbau von gentechnisch-veränderten Pflanzen wie Mais und Soja ein große Rolle. Sie sind so gezüchtet, dass sie gegen den Wirkstoff resistent sind - ein Milliardengeschäft für Saatgut- und Pestizidhersteller. In der EU ist der Anbau von Gentech-Pflanzen zwar weitgehend verboten. Trotzdem wird Glyphosat auch hier auf 40 Prozent der Felder ausgebracht. Umstritten ist vor allem der Einsatz kurz vor der Ernte, mit dem die Reife von Getreide beschleunigt und gesteuert werden kann. Spuren von Glyphosat lassen sich inzwischen in vielen Nahrungsmitteln nachweisen, auch in Brot und Bier.

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