Glühwein:Alle Jahre wieder

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Auf Weihnachtsmärkten in Deutschland werden jedes Jahr Millionen Liter Heißgetränke serviert. Die Tassen dafür kommen fast alle von einer Firma in Düren.

Von Vivien Timmler, München

Die Nürnberger trinken ihn ganz klassisch aus einer weißen Tasse mit Altstadtmotiv, die Kölner nippen am liebsten an ihrer tannengrünen "Wimmeltasse", und in Dortmund geht das heiße Gebräu in diesem Jahr zum ersten Mal im edlen Glasseidel über die Theke: Etwa 50 Millionen Liter Glühwein trinken die Menschen in Deutschland pro Weihnachtsmarktsaison, wenn auch in diesem Jahr angesichts des warmen Wetters weniger. Bei 0,2 Litern Abfüllmenge pro Tasse sind das trotzdem viele Millionen Rationen, die in knapp vier Wochen gereicht werden. Auch, wenn jeder Weihnachtsmarkt seine individuelle Tasse anbietet: Ein Großteil stammt aus dem gleichen Haus, dem Familienunternehmen Mohaba aus Düren in der Eifel.

Die Betreiber der Familienfirma verstehen sich als Dekorateure

Fragt man die Inhaber, Hartmut Schlepütz und Sohn Guido, wie sie ihre Firma umschreiben würden, dann antworten sie nicht etwa mit "Tassenproduzent" oder "Tassenimporteur". Die beiden verstehen sich als "Tassendekorateure", und das in Familientradition seit mehr als 60 Jahren. Dabei war von Tassen bei der Gründung des Unternehmens noch nicht einmal die Rede: In den Fünfzigerjahren tranken die Leute Glühwein aus Plastikbechern, gravierte oder verzierte Glasbehälter kamen damals lediglich in gehobenen Wein- und Sektkellereien oder in Brauhäusern zum Einsatz.

Eine von Vielen aus Düren: Die Nürnberger Glühwein-Tasse aus dem Jahr 2010. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Irgendwann nahm Hartmut Schlepütz die Keramiktassen trotzdem in das Sortiment des Unternehmens auf, richtig gut verkauften sich die aber nie - bis ein Verbot das Geschäft belebte. "In den Achtziger-und Neunzigerjahren wurden Einwegprodukte auf Weihnachtsmärkten nach und nach durch die Kommunen untersagt", sagt Sohn Guido Schlepütz, "und plötzlich war der Bedarf da, von null auf hundert." Aus dem Nischenunternehmen wurde innerhalb kurzer Zeit ein viel gefragter Lieferant und Dekorateur für Glühweintassen. Mittlerweile machen sie 70 Prozent des Umsatzes von Mohaba aus.

Bedruckt werden am Standort Düren jedoch nur die Glastassen, auch "Seidel" genannt. Die Tassen aus Keramik, die auf fast allen Weihnachtsmärkten Standard sind, werden dagegen in China hergestellt und bedruckt und anschließend von Mohaba importiert. Wie viele Tassen es jedes Jahr genau sind, möchte die Familie allerdings nicht verraten. "Es sind einige Millionen", sagt Guido Schlepütz nur.

Nürnberg, Aachen, Köln, München, Dortmund - die größten und bekanntesten deutschen Weihnachtsmärkte sind fest in Mohaba-Hand. Nicht nur die: Auch international hat das Unternehmen mittlerweile ein enges Kundennetz aufbauen können. "Der Erfolg unseres Geschäfts hat viel mit dem Erfolg der Marke 'Deutscher Weihnachtsmarkt' an sich zu tun", ist sich Hartmut Schlepütz sicher, "Weihnachtsmärkte sind ganz klar ein Exportschlager." Märkte in Frankreich, England und den Niederlanden gehören schon lange zum festen Kundenstamm, "The Christkindlmarket" in Chicago ist stolz auf seine Mohaba-Tasse in Stiefelform. Vor ein paar Jahren haben sich auch die Veranstalter der Weihnachtsmärkte in Vancouver und Philadelphia für die Mohaba-Produkte entschieden.

Meissners Strategen: "Was müsste sich denn aus Ihrer Sicht im Büro ändern, damit Ihre Augen einmal so leuchten wie jetzt nach einer Tasse Glühwein?" SZ-Zeichnung: Dirk Meissner (Foto: N/A)

Dass in Deutschland ein Großteil der Glühweingefäße aus einem Haus kommt, merkt der Weihnachtsmarktbesucher selbst gar nicht. Egal, wie viele Märkte er besucht: Zwei komplett identische Tassen wird er kaum finden. Die klassische "Punschtasse", der "Nikolausstiefel", die "Heinzeltasse", das "Glühweinfässchen": Schon die Anzahl der Formen, die allein das Unternehmen Mohaba anbietet, lässt kaum Wünsche offen. Hinzu kommen verschiedene Farben, Reliefs, Glasuren - und Motive. Einige Standardvorlagen gibt es, aber die seien eher etwas für die kleineren Märkte, sagt Schlepütz. Die Vertreter der großen Kunden, etwa des Aachener oder des Dortmunder Weihnachtsmarktes, hätten von Anfang an ganz genauen Vorstellungen. "Das sind Kunden, die jedes Jahr Tassen bei uns bestellen und ihren Besuchern dementsprechend jedes Jahr etwas Neues bieten wollen", sagt er. "Die schicken uns dann eine Vorlage, und wir machen nur noch den Feinschliff."

Die ersten Motivwünsche gehen bei Mohaba bereits im März ein, unter anderem der von Günter Wendler. Der Betreiber der "Wendler-Almhütte" auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt und Mitglied des Marktvorstands kümmert sich jedes Jahr besonders früh um die Bestellung. "Dass wir mit die ersten sind, ist extrem wichtig für uns, denn so haben wir unsere Tasse exklusiv", sagt Wendler. Exklusiv, das heißt, dass auf keinem Weihnachtsmarkt im Umkreis von 50 Kilometern eine ähnliche Tasse ausgegeben wird - zumindest nicht aus dem Hause Mohaba.

Neun Glühweinstände gibt es in Dortmund, das macht knapp 100 000 Tassen. 80 000 davon sehen genau gleich aus, sie tragen das diesjährige Motiv samt Überschrift und Jahreszahl, aber bei den restlichen 20 000 gibt es einen Unterschied: Sie sind undatiert. "Das ist ein kleiner Trick, den wir uns erlauben", verrät Wendler. "Zwar nehmen viele Menschen gegen Ende der Weihnachtsmarktsaison eine Tasse mit nach Hause, einige gehen kaputt - aber ein paar Hundert bleiben jedes Jahr übrig. Und wenn die keine Jahreszahl haben, können wir sie erneut verwenden." Aus den vergangenen vier Jahren seien mittlerweile so gut wie keine Tassen mehr vorhanden, lediglich aus dem Jahr 2010 befänden sich immer noch mehrere Hundert im Lager. "Das zeigt uns, dass die Tasse den Leute nicht gefallen hat", sagt Wendler, "denn am Ende entscheidet der Gast über die Mitnahmequote des Vorjahres, wie die nächste Tasse aussehen wird."

© SZ vom 21.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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