Glücksspiele:Angriff auf ein heiliges Monopol

Die Lottomilliarden sind Teil der förderalen deutschen Staatsräson. Jetzt attackiert ein Anbieter aus Gibraltar das staatliche Lotteriemonopol - das könnte nun erstmals vor Gericht angezweifelt werden. Es steht ein langer Streit bevor.

Von Jan Willmroth

Die jüngere Geschichte Deutschlands könnte man ohne den Traum von der plötzlichen Million nicht erzählen. Ohne das Lottospiel, die Tippscheine mit den kleinen Kästchen, wäre der Aufbau der bundesdeutschen Zivilgesellschaft anders verlaufen. Denn knappe zwei Fünftel des Geldes, das Spieler im Lottokiosk ausgeben, gehen an gemeinnützige Zwecke oder fließen in die Landeshaushalte. An die drei Milliarden Euro überweisen die 16 eigenständigen Lottogesellschaften Jahr für Jahr an ihre Landesverwaltungen, davon profitieren Sportvereine, Museen und Kulturstiftungen, die Denkmalpflege und Wohlfahrtsvereine.

Das Lotteriemonopol, eines der letzten Monopole in Deutschland, ist Teil der föderalen Staatsräson, es gilt als indiskutabel. Bald werden die Landesregierungen aber darüber diskutieren müssen, weil Gerichtsverfahren sie dazu zwingen: Lottoland, ein junger, privater Anbieter aus dem Steuerparadies Gibraltar, attackiert das deutsche Lotto-System.

Was Lottoland ankündigt, klingt zunächst ziemlich hanebüchen. Das Unternehmen habe in Bayern, Niedersachsen und im Saarland Anträge auf Veranstaltung von Primärlotterien beantragt, schreibt es in einer Mitteilung. Das Prinzip solle dem gewöhnlichen 6 aus 49 ähneln und 23 Prozent der Einnahmen gemeinnützigen Zwecken zugutekommen. Hanebüchen ist das deshalb, weil es für solche Erlaubnisse keine Rechtsgrundlage gibt. Das Gesetz zementiert das Staatsmonopol: Private Anbieter von Lotterien mit sehr hohen Gewinnsummen haben in Deutschland keine Chance.

Die Anwälte von Lottoland wissen das, hinter ihrem Angriff steckt Kalkül: Die Innenministerien der drei Länder werden die Anträge ablehnen - und gegen die Ablehnungsbescheide wird Lottoland klagen. Damit dürfte erstmals das Lotteriemonopol als solches zum jahrelangen Streitgegenstand vor Verwaltungsgerichten werden. "Auf diese Weise werden wir klären", schreiben Anwälte der Münchner Kanzlei Hambach & Hambach in einer Erklärung, "ob sich das Lotteriemonopol ... tatsächlich rechtfertigen lässt".

Aus der Sicht von Lottoland, das derzeit etwa 300 Mitarbeiter in seinen Büros im Jachthafen von Gibraltar beschäftigt, gehört dieses Monopol ebenso wie seinerzeit das staatliche Wettmonopol schleunigst abgeschafft. Im vorigen Jahr machte die Firma zum ersten Mal mehr als 300 Millionen Euro Umsatz. Deutsche Fernsehzuschauer kennen sie aus der knallgrünen Pro-Sieben-Werbung. Im Jahr 2016 hat Lottoland hierzulande etwa 23 Millionen Euro für Werbung ausgegeben.

Bislang hat Lottoland keine eigenen Lotterien veranstaltet und bietet nur sogenannte Zweitlotterien an. Die sind in Deutschland nicht legal; was die Anbieter anzweifeln: Sie berufen sich auf die Dienstleistungsfreiheit laut EU-Vertrag.

Auf der Lottoland-Website können Kunden auf die Zahlen von mehr als 30 Lotterien wetten. Lottoland spiegelt also die deutschen Ziehungen und garantiert die gleichen Jackpots, verlangt für die Tipps aber weniger Geld als die staatlichen Gesellschaften. Mit einem ähnlichen Modell ist Tipp24 aus London im Geschäft. Steuern zahlt Lottoland in Deutschland bislang nicht. "Das ist uns ein echter Dorn im Auge, wir empfinden das als reine Produktpiraterie", sagt Torsten Meinberg, Geschäftsführer von Lotto Hamburg und derzeit Federführer der 16 Lottogesellschaften. "Wenn man bedenkt, dass hier eine Gewinnspanne von 40 bis 50 Prozent möglich ist, dann ist das kein Wunder, dass Private dies für sich haben wollen."

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