Glencore und Xstrata fusionieren zu Bergbau-Riesen:Erz-Könige unter sich

Öl, Gas, Metall - die Bergbaufirmen Glencore und Xstrata saugen alles aus der Erde, was die Welt so braucht. Jetzt fusionieren sie zu einem 90 Milliarden Dollar schweren Branchenriesen. Der geheimniskrämerische Glencore-Chef Ivan Glasenberg hat den Deal eingefädelt - und lässt nun einem alten Studienkumpel den Vortritt.

Wolfgang Koydl, Zürich

In der Leichtathletik gelten sie häufig als die hässlichen Entlein des Sports: Ihre Bewegungen sind unelegant und ungelenk, ja, auf den ersten Blick mögen sie gar unfreiwillig komisch erscheinen. Vom Ruhm und Glanz eines Marathon-Läufers oder eines Hundert-Meter-Sprinters jedenfalls sind die schlaksigen Geher meilenweit entfernt. Doch es wäre ein Fehler sie zu unterschätzen: Zäh und ausdauernd erreichen sie jedes noch so weit entfernte Ziel, auch wenn es etwas länger dauert.

Key Speakers At Russia Forum

Diskretion ist sein Markenzeichen: Seit zehn Jahren steht der gebürtige Südafrikaner Ivan Glasenberg an der Spitze des Rohstoffhändlers Glencore. Er hat das vom ebenso schillernden wie legendären Marc Rich gegründete Unternehmen ausgebaut und im vergangenen Jahr an die Börse gebracht. Doch über seine Pläne und Strategien hat er der Öffentlichkeit bislang recht wenig verraten. Interviews gibt der heute 55-Jährige nur selten, und sein Privatleben schirmt er streng ab. Das vor allem unterscheidet ihn von seinem Verhandlungspartner, dem eher lauten Xstrata-Chef Mick Davis. Und doch kennen sich beide seit langem.

(Foto: Bloomberg)

Ivan Glasenberg war in seiner Jugend ein Geher. Für seine südafrikanische Heimat holte er Junior-Titel, und eine Teilnahme an den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles scheiterte nur an der Ächtung des Apartheid-Staates durch die internationale Sportgemeinschaft. Sportlich hätte er es sich zugetraut, sich mit den Weltbesten zu messen. Heute treibt der mittlerweile 55-jährige Glasenberg Ausdauer-Sport nur noch zu seinem privaten Vergnügen. Als Chef des Schweizer Rohstoff-Giganten Glencore aber dürften ihm seine Zähigkeit und Hartnäckigkeit jetzt geholfen haben, sein großes Ziel zu erreichen: die Fusion von Glencore mit dem ebenfalls im schweizerischen Kanton Zug beheimateten Bergbau-Konzern Xstrata.

Es ist die größte Fusion in der Geschichte der Branche. Sie schafft einen der größten Rohstoffkonzerne der Welt, der mit so gut wie allem handelt, was die Welt braucht: von Erzen, Kohle und Metallen über Erdöl und Gas bis hin zu landwirtschaftlichen Produkten.

Glencore und Xstrata schließen sich zu einem neuen Branchenriesen zusammen. Die Fusion ist 90 Milliarden Dollar schwer. Am Dienstag legten sie die Pläne für ihrem Zusammenschluss offen. Xstrata-Aktionäre würden für jedes ihrer Papiere 2,8 neue Glencore-Titel erhalten, teilte Xstrata mit. Ausgenommen sind Xstrata-Aktien, die bereits im Besitz von Glencore sind. Den Ausschlag gab am Ende, dass Xstrata-Aktionäre einen Aufschlag von mehr als 15 Prozent auf ihre Papiere erhalten.

Seit langem schon arbeitete Glasenberg auf eine Fusion hin. Glencore und Xstrata sind sich genauso wenig fremd wie ihre jeweiligen Chefs Glasenberg und Mick Davis: Beide Firmen gingen aus dem Nachlass des Unternehmens von Marc Rich hervor, einem sowohl als legendär als auch als schillernd bezeichneten Rohstoffhändler, den das FBI wegen mutmaßlicher illegaler Geschäfte mit dem iranischen Mullah-Regime weltweit zur Fahndung ausschrieb, bevor US-Präsident Bill Clinton ihn am letzten Amtstag begnadigte. Glencore hält einen Anteil von mehr als 30 Prozent an Xstrata, Glasenberg sitzt im Verwaltungsrat, und seinen Kollegen Davis kennt er aus Studientagen in Südafrika.

Beide Männer entstammen der jüdischen Gemeinde Südafrikas. Glasenbergs Vater Samuel war ein Einwanderer aus Litauen, der in Johannesburg eine Firma für Koffer und Taschen aufbaute. Sohn Ivan studierte Wirtschaftsprüfung an der Witwatersrand-Universität von Johannesburg und komplettierte dies 1983 durch einen MBA an der University of South California Marshall School of Business. Ein Jahr später heuerte er bei Marc Rich in New York an.

Es blieb nicht aus, dass er schon bald zu den sogenannten "Rich Boys" gezählt wurde, einer Gruppe von erfolgreichen, wenn auch meist sehr geheimniskrämerisch operierenden Rohstoffhändlern. Glasenberg wurde das Kohlegeschäft in Südafrika und anschließend in Australien übertragen. In den Jahren 1989 und 1990 leitete er die Niederlassungen in Hongkong und Peking, und 1991 wurde er zum Chef der gesamten Abteilung für den Handel mit Kohle berufen.

"Ohne Zweifel der starke Mann"

Firmenchef Rich hielt große Stücke auf den jungen Südafrikaner: "Ich mochte ihn vom ersten Augenblick", teilte Rich einmal in einem Interview dem Londoner Guardian mit. "Er ist ein exzellenter Analytiker, sehr intelligent und ein harter Arbeiter. Bei Glencore ist er ohne Zweifel der starke Mann."

Der führende Mann bei Glencore ist Glasenberg seit 2002. Als Vorstandschef war er maßgeblich an der Wandlung des Unternehmens vom reinen Rohstoffhändler zu einem integrierten Rohstoffkonzern beteiligt, der immer erfolgreicher die gesamte Wertstoffkette kontrolliert - von der Förderung über den Transport und die Verarbeitung von Produkten bis hin zu ihrem Verkauf. Das Wort "Trader" freilich ist bei Glencore verpönt: Weil "handeln" angeblich einen negativen Beigeschmack habe, bezeichnen die Glencore-Manager ihre Tätigkeit lieber als "marketing".

Nach der Fusion von Glencore und Xstrata soll nun Davis den neuen Konzern leiten. Der knapp zwei Meter große, gern andere Schultern klopfende Hüne ist schon vom Äußeren das genaue Gegenteil des zierlichen, stets zurückhaltend auftretenden Glasenberg. Der muss sich nun mit dem zweiten Platz zufriedengeben. Doch Glasenberg, der knapp 16 Prozent des Glencore-Kapitals besitzt, ist auch ein Großaktionär der neuen Firma. Investoren fragen sich daher, ob Davis einen derart mächtigen Mitspieler in seinem Nacken haben will.

Auf alle Fälle wird Glasenberg in diesem Fall noch mehr von der Privatsphäre aufgeben müssen, die er bisher so eifersüchtig hütete, dass ihn die Financial Times einmal "eines der großen Rätsel der Firmenwelt" nannte. Immerhin: In seiner Schweizer Wahlheimat machte er unlängst Schlagzeilen, als sein Wohnort Rüschlikon am Zürich-See quasi als Weihnachtsgeschenk für die Bewohner Ende vergangenen Jahres den Steuersatz um sieben Prozentpunkte senkte. Zu danken hatten sie es ihrem seit kurzem eingebürgerten Nachbarn Glasenberg und einigen anderen Glencore-Managern, die hier wohnen: Ihre Steuerzahlungen spülten mehr als 50 Millionen Franken mehr in die Gemeindekasse, als der Stadtkämmerer in seinen kühnsten Träumen erhofft hatte. Glasenberg wird es verschmerzen: Seit Glencores Börsengang im Mai vergangenen Jahres gehört er mit einem geschätzten Vermögen von sieben Milliarden Franken zu den zehn reichsten Schweizern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: