Glencore:Ein Großer will mehr

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Von Glencore betriebenes Getreide-Terminal in Odessa/Ukraine. Das Schweizer Unternehmen will seine Position auf dem Weltmarkt ausbauen und dazu die amerikanische Agrarfirma Bunge übernehmen. (Foto: Vincent Mundy/Bloomberg)

Der Schweizer Rohstoffkonzern hat einen zweifelhaften Ruf. Nun plant er, in den amerikanischen Getreidehandel einzusteigen.

Von Kathrin Werner, New York

Diesen Männern fehlt es weder an Ehrgeiz noch an Ausdauer. Glencore-Chef Ivan Glasenberg, in Südafrika mehrfach Landesmeister im Gehen, hätte es 1984 zu den Olympischen Spielen geschafft, wäre sein Land nicht wegen der Apartheid ausgeschlossen gewesen. Chris Mahoney, Chef der Agrarsparte Glencore Agriculture, gewann 1980 eine Silbermedaille im Rudern bei Olympia in Moskau. Sie haben sich nun ein Ziel ausgesucht, das ebenfalls Ehrgeiz und Ausdauer erfordert: Der Schweizer Rohstoffkonzern will in den Getreidehandel in den USA einsteigen, ein schwieriges Unterfangen, denn die USA sind der weltgrößte Getreideexporteur, und Glencore ist dort bisher kaum präsent.

Die US-Firma Bunge hält wenig von einer Fusion. Experten halten einen Deal dagegen für plausibel

In der vergangenen Woche gab das Unternehmen sein Interesse an einer Übernahme des amerikanischen Agrarhändlers Bunge bekannt. Glencores Landwirtschaftssparte sei an das US-Unternehmen informell herangetreten, "wegen einer möglichen einvernehmlichen Zusammenlegung der Geschäfte". Bunge zeigte sich wenig begeistert und teilte mit, es liefen keine Gespräche über einen Zusammenschluss. Marktbeobachter glauben aber, dass der Deal Chancen hat. Bunge ist an der Börse etwa elf Milliarden Dollar wert.

Ein solcher Eintritt von Glencore in den amerikanischen Getreidehandel wäre eine Sensation für die Branche, die seit einem Jahrhundert von den gleichen vier großen Firmen beherrscht ist. Bekannt sind die vier als die ABCDs: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Bei Louis Dreyfus hatte es Glencore schon 2011 mit einer Übernahme versucht, war aber am Preis gescheitert. Würde Glencore Bunge übernehmen, entstünde ein mächtiger Spieler im Handel mit Lebensmitteln, neben den USA auch in Ländern wie Brasilien, Australien, Russland und Kanada und ihren Handelsflüssen nach China, einem Lebensmittel-Importland. Der kombinierte Konzern wäre führend unter anderem bei Sojabohnen, Weizen und Zucker.

Für Glencore sind große Zukäufe nichts Neues. Der Konzern hatte sich nach seiner Gründung 1974 auf den Handel mit Metallen, mineralischen Rohstoffen und Erdöl konzentriert. Später weitete das Unternehmen mit Sitz in Baar in der Schweiz die Geschäfte auf Öl- und Kohleprodukte aus. Im Jahr 1982 kaufte Glencore eine Getreidevertriebsgesellschaft aus den Niederlanden und stieg so in die Agrarwirtschaft ein. Es folgten Zukäufe unter anderem von Raffineriebetreibern und Bergbaufirmen. Der Konzern wuchs rasant. Heute zählt er zu den größten Rohstoffkonzernen. Er hat 155 000 Mitarbeiter und erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 177,4 Milliarden Dollar. Glencores Agrarsparte wirtschaftet separat von dem restlichen Konzern, vor zwei Jahren hatte Glencore 49 Prozent der Anteile an zwei kanadische Pensionsfonds verkauft, als der Konzern Geld brauchte. Die Agrarkonzerne stecken im Umbruch. Obwohl es weltweit nur noch wenige große Spieler gibt, schließen sie sich noch weiter zusammen und werden noch mächtiger. Allein Monsanto hat über die Jahre etliche kleinere Konkurrenten übernommen und so an Dominanz gewonnen. Jetzt übernimmt Bayer den US-Konzern. Zwei weitere Milliardendeals haben in den vergangenen Monaten für wachsende Marktkonzentration gesorgt: Chemchina hat den Schweizer Pestizid- und Saatguthersteller Syngenta übernommen, den Monsanto auch gern gekauft hätte. Gleichzeitig schließen sich die US-Chemiefirmen Dow Chemical und Dupont zusammen. Hauptgrund für das Übernahme- und Fusionsfieber ist eine anhaltende Schwäche an den Agrarmärkten. Fallende Getreidepreise sorgen dafür, dass die Bauern Druck auf die Hersteller von Saatgut und Chemie machen, ebenfalls die Preise zu senken. Das führt zu schrumpfenden Gewinnen und zu sinkenden Aktienkursen. Auch Getreidehändlern wie Bunge geht es derzeit nicht gut. Die Unternehmen leiden seit einigen Jahren unter einem weltweiten Überangebot und geringen Handelsmargen. Übernahmen und Fusionen hat es bisher trotzdem kaum gegeben.

Bunge-Chef Soren Schroder hatte vor Kurzem gesagt, seine Branche sei aber reif dafür. Mit Glencore drängt ein Konzern in den größten Lebensmittelmarkt, der immer wieder für mangelnde Transparenz und fragwürdige Methoden in der Kritik steht und oft in Streit mit der lokalen Bevölkerung wegen Umweltverschmutzung gerät, zuletzt etwa wegen Erdöl-Probebohrungen in der Westsahara und einer Glencore-Mine im Norden Australiens mit Aborigines. In Deutschland bekriegt sich das Unternehmen gerade mit einer Nichtregierungsorganisation. Facing Finance hatte an mehrere deutsche Banken appelliert, Konzerne, denen Umweltzerstörung, Menschenrechtsverletzungen, Gesundheitsgefährdung, Korruption und Steuervermeidung vorgeworfen beziehungsweise nachgewiesen werden, weder zu finanzieren noch sich an diesen zu beteiligen. Facing Finance verweist dazu unter anderem auf Nachhaltigkeitsbewertungen diverser Rating-Agenturen. Diese enthielten zahlreiche Vorwürfe gegen Glencore, die Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörung, Gesundheitsgefährdung und Korruption einschlössen. Der Bericht enthalte pauschale und unbelegte Vorwürfe und Vorurteile, beschwerte sich Glencore. Aus Angst vor einem teuren Rechtsstreit hat Facing Finance eine Pressemitteilung über die Vorwürfe aus dem Internet gelöscht.

© SZ vom 02.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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