Gleicher Lohn für Mann und Frau:Ja - es braucht ein Gesetz!

Familienministerin Manuela Schwesig will, dass Betriebe Gehälter offen legen - um Frauen für gleichwertige Arbeit gleiche Bezahlung zu sichern. Das ist unkompliziert zu handhaben und außerdem überfällig.

Ein Kommentar von Constanze von Bullion

Entgeltgleichheitsgesetz - das Wort klingt nach einem bürokratischen Albtraum. Und wenn man ihn durchspielt, diesen Albtraum, läuft da zum Beispiel Folgendes ab. Frau Müller, 47 Jahre alt und seit über 15 Jahren im Betrieb, geht eines Tages zu ihrem Chef und sagt: "Mein Kollege, Herr Meier, ist zehn Jahre jünger als ich und erst sechs Jahre im Unternehmen. Er hat keinen Studienabschluss, ich schon. Komischerweise fährt Kollege Meier aber einen Lamborghini, ich nur Volkswagen, und er baut sich auch noch ein Haus. Was verdient der Kerl eigentlich?"

Der Chef murrt, holt aber die Gehaltslisten aus der Schublade. Wie sich zeigt, verdient Herr Meier ein Viertel mehr als Frau Müller, die unter Triumphgeheul sein Büro verlässt. Monatelang werden nun komplizierte Gutachten erstellt, es gibt Krach im Büro, die Kollegen ziehen vor Gericht, nur arbeiten geht halt leider keiner mehr so richtig.

Ein Albtraum? Schon möglich, aber wie das so ist mit Nachtgespenstern: Mit der Wirklichkeit haben sie oft nicht allzu viel gemein. Und wenn Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig nach der Frauenquote nun ein Entgeltgleichheitsgesetz durchsetzen will, um Frauen für gleichwertige Arbeit gleiche Bezahlung zu sichern wie Männern, ist das kein Teufelszeug. Es ist ein überfälliger Anlauf, eine nicht zu rechtfertigende Ungerechtigkeit der Arbeitswelt einzudämmen.

Bürokratische Überforderung? Es reicht ein Mausklick

Schwesig will Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Recht auf Auskunft sichern, warum sie in ihrem Betrieb wie viel verdienen. So haben es Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart, wo zu lesen steht, dass "die bestehende Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen nicht zu akzeptieren" sei. Frauen verdienen in Deutschland im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. Damit gehören wir in Europa zu den Spitzenreitern der Lohnungerechtigkeit, und freiwillig ändert sich daran seit Jahren nichts.

22 Prozent weniger - umgerechnet auf ein Arbeitsjahr heißt das, dass Frauen bis zum 20. März umsonst arbeiten. Eine Frechheit, klar, und auch Arbeitgeber versichern, sie wünschten nichts so sehr wie mehr Frauen auf gut bezahlten Posten. Leider, leider aber seien die Frauen oft nicht ausreichend qualifiziert, im falschen Job oder zu lange bei den Kindern, so dass sie keine gleichwertige Berufsbiografie vorweisen könnten. Wer Unternehmer zwinge, all das offenzulegen, schicke sie in ein bürokratisches Inferno.

Wirklich? Richtig ist, dass von den 22 Prozent, die Frauen weniger verdienen, nach Zahlen des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts 15 Prozentpunkte abzuziehen sind. Sie erklären sich dadurch, dass viele junge Frauen sich für ehrenhafte, aber mies bezahlte Sozialberufe entscheiden, zu Führungsposten zu oft Nein sagen, aus Angst, oder nach Geburt eines Kindes in Teilzeit arbeiten. Kinderzeit ist kostbar, sicher. Aber Mütter, die länger als ein Jahr eine Nebenrolle spielen im Job, dürfen sich nicht wundern, wenn sie Vollzeitmänner auf der Gehaltsliste nie mehr einholen.

Jenseits der Eigenverantwortung aber bleiben sieben Prozent unerklärte Gehaltsdefizite - also Benachteiligungen und Vorurteile, die ohne Gesetzesdruck nicht verschwinden. Es gilt aber auch Gerüchte auszuräumen, etwa die Furcht, ein Entgeltgleichheitsgesetz gebe Frau Müller das Recht zu wissen, was Herr Meier verdient. Nichts dergleichen ist geplant. Wohl aber soll Frau Müller erfahren dürfen, nach welchen Kriterien sie tariflich eingestuft wurde. Bei Beamtinnen und Angestellten nach Tarifvertrag reicht dafür ein Mausklick. Bürokratische Überforderung? Unsinn.

Finster sieht es in Berufen ohne Tarifverträge aus

Falsch ist auch die Behauptung, in Tarifverträgen sei das Gehalt doch schon genau aufgedröselt. Schön wär's. In der Baubranche etwa, wo Frauen ohnehin einen schweren Stand haben, spielen Prämien und Zulagen eine erhebliche Rolle. Ohne Auskunftsrechte können Arbeitnehmerinnen diese weder kontrollieren noch einklagen. Noch finsterer sieht es in Berufen ohne Tarifverträge aus, oft angebliche "Frauenberufe". Hier wird regelmäßig nach Gutsherrenart bezahlt, also miserabel. Kontrolle ist hier nicht nur zumutbar, sondern von höchstem Nutzen. Dass Mini-Unternehmen unter dem Dokumentationsdruck kollabieren, steht nicht zu befürchten: Das Gesetz soll erst für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern gelten.

Interessant aber wird es auch bei übertariflicher Bezahlung, also in der Schleuse ganz nach oben. Wer es ernst meint mit Frauen in Führungspositionen, kann nichts dagegen haben, dass sie erfahren, welche Wohltaten es hier so gibt. Hinweise männlicher Kollegen werden jederzeit entgegengenommen. Dann dürfen die Frauen sich auf angeregte Stunden mit ihren Arbeitgebern freuen.

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