G+J-Chef Bernd Kundrun:Die Welle

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Bernd Kundrun führte Gespräche mit Pro Sieben Sat1 - seine Zukunft bei Bertelsmann ist ungewiss

Christopher Keil

Man kann sich vorstellen, was den Wirtschaftstiteln, die der Hamburger Verlag Gruner+Jahr herausgibt, zu einem Manager einfallen würde, in dessen Verantwortung einerseits ein massiver Stellenabbau in Krisenzeiten der Printbranche fällt und der andererseits bei einem anderen Unternehmen aufsteigen möchte. So ungefähr könnte man es ja im Fall von Bernd Kundrun, dem Vorstandsvorsitzenden von Gruner+Jahr, sehen.

Bernd Kundrun, Chef des Verlags Gruner+Jahr. (Foto: Foto: dpa)

Am Donnerstag vergangener Woche hat Kundrun, 51, gegenüber seinen G+J-Vorstandskollegen Gespräche mit Pro Sieben Sat 1 eingestanden. An diesem Dienstag erfuhren auch die Chefredakteure des Verlages von "Kontakten" - während einer Routinesitzung zum Jahresende. Dass Kundrun überhaupt darüber spricht, hat wohl mit einer Veröffentlichung im Manager Magazin zu tun.

Darin wird geschildert, wie der G+J-Boss "besonnene Überlegungen über Ideen, Konzepte und die Zukunft" des angeschlagenen TV-Konzerns angestellt habe. Zweimal traf er sich nach SZ-Informationen in den vergangenen drei Monaten mit den Gesellschaftern, den Private-Equity-Firmen KKR und Permira. Am Ende fiel die Wahl auf Thomas Ebeling. Warum? Kundrun hatte als Geschäftsführer von 1994 bis 1997 den Pay-Kanal Premiere aufgebaut, besitzt also TV-Erfahrung.

Kein Kommentar

Kundrun, der sich persönlich nicht äußern mochte, hat eine andere Wahrheit der Geschichte. Zwar ließ er "Gespräche" bestätigen, doch habe er den Herren von Pro Sieben Sat1 abgesagt. Hat er sich mit den Männern von KKR und Permira ausgetauscht, weil er sich angesichts der dramatischen Einbrüche im Werbemarkt um die Entwicklung des Verlagsgeschäftes und damit um seine Karriere sorgte?

Auch in München, in der Zentrale der Fernsehgruppe, ist kein offizieller Kommentar zu erhalten. Im Umfeld des Konzerns gibt es keine Zweifel: Kundrun sei interessiert gewesen an der Aufgabe, die mit circa vier Milliarden Euro verschuldete TV-Familie (u.a. Pro Sieben, Kabel1, Sat1) zu lenken.

Die Angelegenheit ist komplex und interpretationsfähig - angefangen damit, dass das Manager Magazin vom Spiegel-Verlag publiziert wird, an dem G+J mit 25,5 Prozent beteiligt ist, bis hin zu den Auswirkungen für den Mehrheitsgesellschafter, die um Wachstum kämpfende Bertelsmann AG aus Gütersloh.

Schon einmal musste sich Hartmut Ostrowski, 50, der im Januar Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann wurde, mit Pro Sieben Sat1 beschäftigen. Vor ein paar Monaten drängte es seinen Finanzvorstand Thomas Rabe auf den Hochsitz des finanziell belasteten Fernsehunternehmens. Was fanden Rabe, 43, und jetzt Kundrun so attraktiv, dass sie sich eine Tätigkeit unter der Aufsicht der börsengetriebenen Heuschrecken vorstellten konnten? Wollten sie den Beweis antreten, dass Finanzinvestoren und Fernsehen doch zueinander passen, was man nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre bei Pro Sieben Sat 1 nicht wirklich glauben mag? Warum suchten sie ausgerechnet die Nähe zum Rivalen der von Bertelsmann geführten RTL-Gruppe mit den Sendern RTL, Vox, n-tv?

Mit Rabe, so behauptet man in Gütersloh, habe sich Ostrowski ausgesöhnt. Der kurzzeitig in Versuchung geführte Finanzchef sei mit ganzem Herzen ein Bertelsmann. Sein Vertrag läuft allerdings um 2010 herum genauso aus wie der Vertrag von Bernd Kundrun. Hatte Kundrun das Gefühl, dass Ostrowski, ein Vorgesetzter mit anspruchsvollen Leistungskriterien, ihn ziehen lassen werde?

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Bernd Kundrun seinen Mitarbeitern geschriebn hat.

An diesem Donnerstag gab es für alle Vorstände Gelegenheit, miteinander zu sprechen. Ostrowski leitete eine der üblichen Vorstandsrunden in Gütersloh. Als Amateurfußballer war er Mittelstürmer, einer, der wusste, wo das Ziel stand. Als Betriebswirt sei er ähnlich, verraten die, die ihn kennen. Ostrowski entscheide nicht emotional, sondern nach Faktenlage. Er werde sich Kundruns Krisenmanagement in aller Ruhe anschauen.

Frühzeitig informiert

Kundrun soll Ostrowski früh über das erste Treffen mit KKR und Permira unterrichtet haben - angeblich mit der Versicherung, Bertelsmann die Treue zu halten. Ein Treuebekenntnis über 2010 hinaus hat er aber bisher nicht bekommen von Ostrowski. Ob es für Kundrun überhaupt noch reicht, selbst wenn die Zahlen stimmen?

Gerade erst hat G+J ein Restrukturierungsprogramm auflegen lassen, alle Wirtschaftstitel (u.a. Capital, FTD) werden in einer Zentralredaktion zusammengeführt, als Folge 60 Stellen gestrichen, außerdem wurden Magazine wie Park Avenue eingestellt.

Schon als der Plan Mitte November verkündet wurde, soll Ostrowski, der bei der Bertelsman-Tochter Gruner+Jahr Aufsichtsratschef ist, nicht begeistert gewesen sein über die Kompromisslosigkeit bei den Entlassungen. Bertelsmann ist ein Unternehmen, in dem soziale Verantwortung ernst genommen wird. Sprüche wie die von G+J-Zeitungsvorstand Bernd Buchholz - angesichts der aufziehenden Krisenwelle müsse "man den Leuten auf dem Sonnendeck sagen, dass sie ihre Liegestühle und Drinks beiseite stellen müssen" - kamen wohl nicht gut an. Buchholz war in dem Sparprojekt allerdings auch der Mann fürs Grobe. Vielleicht wollte Kundrun das nicht mehr sein.

Den Verlagsmitarbeitern schrieb er jetzt in einer Mail: Es sei ja bekannt geworden, dass er "im Zuge der Neubesetzung der Position des Pro Sieben Sat1-Vorstandsvorsitzenden angesprochen wurde und dass es Kontakte gab. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle versichern, dass ich für diese Position nicht zur Verfügung stand. Ich bin und bleibe mit großer Begeisterung und unverändertem Engagement Vorstandsvorsitzender von G+J und ich freue mich darauf, mit Ihnen gemeinsam weiterhin die Zukunft unseres Hauses zu gestalten".

© SZ vom 19.12.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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