Gipfelstürmer:Gründen ist schön, macht aber viel Arbeit

Ein Münchner und sein Partner wollen die Welt der Finanzen revolutionieren: Mit ihrer App können die Nutzer Konten, Versicherungen und Geldanlagen bündeln.

Von Harald Freiberger

Also, unterhalten kann man sich nicht in diesem Büro in der Parkstadt Schwabing in München. Handwerker bohren Löcher in die Decke, der Lärm betäubt die Ohren. Dazwischen sitzen an diesem heißen Sommertag junge Männer in kurzen Hosen vor dem Computer. Aber so geht's, wenn's läuft: Dann kommen ab und zu die Handwerker für anfällige Erweiterungsarbeiten vorbei. "Wir bauen gerade Glastüren ein, dahinter sitzen künftig die neuen Mitarbeiter unseres Callcenters", sagt Firmen-Mitgründer Andreas Gensch. Man versteht ihn kaum wegen des Lärms. Deshalb redet es sich besser in einem Bistro um die Ecke.

Gensch trinkt Kakao, isst Butterbreze und erzählt die Geschichte seiner Gründung. Treefin ist "Deutschlands erste Allfinanzlösung für die Hosentasche". Das ist der Werbespruch, den sie sich ausgedacht haben. Sie haben eine App entwickelt, mit der Nutzer all ihre Finanzangelegenheiten auf den Computer oder das Smartphone bekommen: die Versicherungsverträge, die Konten, die Geldanlagen. "Wir integrieren alles und geben damit einen 360-Grad-Überblick, das gibt es bisher nicht", sagt er.

Gensch, 35, machte nach dem Abitur eine Banklehre, studierte Betriebswirtschaft, war Assistent des Finanzvorstands des Burda-Verlags, dann ging er als Berater zu Roland Berger. "Irgendwann bin ich beim Mittagessen mit Reinhard Tahedl ins Gespräch gekommen, der schon ein Finanzunternehmen gegründet hatte", erzählt er. Man tauschte Karten, ein halbes Jahr später traf man sich wieder. Da sprachen sie erstmals davon, dass sie ein gemeinsames Unternehmen aufziehen könnten. "Ich wollte immer irgendwie etwas gründen", sagt Gensch. Als Schüler sammelte er Pfandbecher im Olympiastadion bei Spielen des FC Bayern ein, das brachte bis zu 60 Mark. Später im Studium fragte er sich beim Eisessen, wie viel man wohl mit einer Eisdiele verdient.

Treefin

Im Dezember 2014 gründeten Andreas Gensch (links) und Reinhard Tahedl den Finanzdienstleister Treefin. Seitdem wurden 11 800 Kunden geworben.

(Foto: Treefin)

Manche gründen ein Unternehmen, weil sie eine Geschäftsidee haben, bei Gensch war es umgekehrt: Er wusste, dass er gründen wollte, nur die Idee fehlte noch.

Im Gespräch mit seinem Kompagnon Tahedl kam die Idee dann. "Den Anstoß gab mein dicker Leitz-Ordner im Keller, in dem alle meine Versicherungsunterlagen gesammelt waren", erzählt er. "Es wäre doch schön, wenn man alle Finanzdaten auf einen Blick hätte." Und dann nicht nur die Versicherungen, sondern auch das Bankkonto, das Depot, eventuell die Baufinanzierung, den Bausparer.

Die Dienste werden stetig ausgebaut. Gerade entsteht ein Callcenter

Im Dezember 2014 gründeten die beiden Treefin. "Den Namen haben wir uns gegeben, weil ein Baum für Wachstum steht", sagt Gensch. Die Hauptarbeit war es, technische Schnittstellen zu Banken und Versicherungen herzustellen. Der Kunde muss sich bereit erklären, seine Finanzdaten Treefin zu überlassen: die Onlinebanking-Verbindung, andere Bankkonten, die Versicherungsdaten, Geldanlagen. Ist das erfüllt, kann die App vieles: Sie ermöglicht Online-Überweisungen, sie zeigt die Kontostände an und gibt einen Gesamtüberblick über Einnahmen und Ausgaben, sie zeigt, welche Versicherungsbeiträge fließen, welche Policen unverzichtbar sind und welche überflüssig, wo Lücken bestehen, welche Geldanlagen vorhanden sind.

"Aggregieren, analysieren, aufbereiten" - das ist der Dreiklang, mit dem Gensch das Geschäftsmodell beschreibt. Die Daten, die jeder Kunde hinterlässt, sind das wertvolle Rohmaterial, mit dem Treefin arbeitet. Ein Modell, das ausbaubar ist.

Demnächst bietet Treefin auch Beratung und das Makeln von Versicherungen an. Zu diesem Zweck lässt Gensch derzeit im Büro das Callcenter bauen. Gut ausgebildete Finanzexperten sollen am Telefon Auskunft geben. "Das A und O ist, dass unsere Beratung unabhängig ist, wir verkaufen nicht die Produkte eines bestimmten Anbieters, sondern suchen das heraus, was für den Kunden am besten passt."

An der Unabhängigkeit soll sich auch durch den Einstieg eines Konzerns nichts ändern: Die Wüstenrot-Württembergische Versicherung übernahm kürzlich Anteile an Treefin. Mit dem Geld soll das Unternehmen weiter wachsen, der Konzern erhofft sich davon Zuwachs in seiner Digitalkompetenz.

"Der Zeitpunkt war genial, wir hatten zum Hype schon ein fertiges Produkt"

Im Herbst 2015 ging Treefin online, zu einer Zeit, da das Thema Fintech gerade Fahrt aufnahm. "Ich habe gespürt, dass sich in der Finanzbranche etwas ändert", sagt Gensch. Viele hätten keine Lust mehr, in die Bank zu gehen, und wollten den Bankberater auch nicht zu Hause auf der Couch sitzen haben. Die Branche lechze nach Veränderung. "Der Zeitpunkt war genial, wir hatten zum Hype schon ein fertiges Produkt, wie Trüffelschweine haben wir an das richtige Ding hingerochen", sagt Gensch.

Gipfelstürmer

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In zweieinhalb Jahren hat Treefin 11 800 Kunden geworben, vor allem über Facebook, Google und Instagram. 19 Mitarbeiter sind es inzwischen. Wachstumsziele hat Gensch, aber er hängt sie nicht an die große Glocke. Das Wachstum soll aber maßvoll sein, damit es steuerbar bleibt.

Ohnehin ist der Druck auch so schon groß genug. Gensch sitzt vor dem leeren Teller, ab und zu pickt er ein Salzkorn auf, das noch von der Butterbreze übrig ist. "Ich schlafe wenig in letzter Zeit, auch deshalb, weil wir vor kurzem ein Baby bekommen haben", sagt er. Manchmal sucht er ein Wort und findet es nicht - Schlafmangel. Ein Unternehmen zu gründen, ist schön, macht aber viel Arbeit.

Nach gut einer Stunde springt Gensch auf, bedankt sich für das Gespräch und verschwindet in die Sommerhitze. Sofort hat er das Handy am Ohr, schnellen Schrittes bewegt er sich zurück ins Büro. So geht's, wenn's läuft.

Zum zweiten Mal schreibt der SZ-Wirtschaftsgipfel in diesem Jahr den Gründerwettbewerb Gipfelstürmer aus. Der Gewinner wird am 18. November in Berlin gekürt. Bewerbungen bis 1. Oktober unter: www.sz-wirtschaftsgipfel.de/gipfelstuermer.

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