Gipfelstürmer:Besser als die Flatrate

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Das Berliner Start-up Feldwerk von Arndt Jablonowski rechnet für Unternehmen auf Basis großer Datenmengen den günstigsten Mobilfunktarif aus. Die sparen so viel Geld.

Von Steffen Uhlmann

Mitgründer Andre Goldflam (links) und Sandro Wolf (rechts) kümmern sich um die Software. Die Idee, über die Auswertung großer Datenmengen, den besseren Mobilfunktarif für Unternehmen zu finden, hatte Arndt Jablonowski (Mitte). (Foto: N/A)

Höflich, integer, ausdauernd und geduldig, selbstdiszipliniert und auf dem Weg zur Unbezwingbarkeit: Arndt Jablonowski lehrt und lebt Taekwondo. Mit fünf Jahren hat er angefangen, sich in der koreanischen Kampfsportart zu üben. Jetzt ist er 45, trägt den roten Gürtel und ist kurz davor, ein Meister zu werden. Er darf dann den schwarzen Gürtel tragen. "Aber" sagt er, der Weg bleibe das Ziel. Gerade das lehre Taekwondo. Was wohl heißen soll, dass der Wirtschaftsingenieur und IT-Experte sich, privat wie beruflich, immer noch unterwegs fühlt und das Gefühl, irgendwo angekommen zu sein, vermeiden möchte. Dabei glaubt er, jetzt die eine große Idee gefunden zu haben, die aus einem Tüftler einen anerkannten Erfinder und erfolgreichen Unternehmer macht.

Seine Firma Feldwerk berät große Unternehmen bei der Wahl ihrer Mobilfunk-Tarife. "Ein schwieriges Thema", sagt der Gründer. Schließlich sei es schon für Privatleute kompliziert, aus dem ebenso großen wie undurchschaubaren Angebot von Tarifen und Optionen die passende Variante herauszufinden. Umso schwerer sei das für Unternehmen mit vielen Mitarbeitern, die je nach Tätigkeit und Aufgaben unterschiedlich oft im In- und Ausland telefonieren und im Internet surfen müssten. "Also buchen die allermeisten Firmen für ihre Mitarbeiter eine Flatrate", sagt der IT-Experte. "Aus Angst, die Kosten nicht kontrollieren zu können." Doch diese "Versicherung gegen die Unsicherheit" sei längst nicht die günstigste Lösung, sagt Jablonowski: "Sie ist nur eine Folge von Unwissenheit."

Das nutzen Telekommunikationsanbieter. Ihre Vertriebsleute seien sie in erster Linie daran interessiert, solche Produkte zu verkaufen, mit denen sie hohe Provisionen erzielten. "Und das sind nicht unbedingt die Produkte, die der Kunde wirklich braucht", sagt Jablonowski. Zur "Wahrheit" gehöre es aber ebenso, dass es auch Vertriebsmitarbeitern immens schwer falle, ihren Geschäftskunden ein passendes Angebot zu machen. "Dafür braucht es Analysen zum Nutzungsverhalten eines jeden einzelnen Mitarbeiters, um daraus ein nutzungsgerechtes Tarifmodell zu kombinieren", erklärt er. "Dafür müssen gigantische Datenmengen ausgewertet werden."

Als Jablonowski für einen großen Telekommunikationsanbieter ein Projekt zur "Effizienzsteigerung im Vertrieb" betreute, kam ihm die "fixe Idee", eine Software plus "Rechenmaschine" entwickeln zu wollen, um die Datenmengen zu beherrschen. Kurzentschlossen gründete er seine Firma Feldwerk, machte die beiden Programmierer Andre Goldflam und Sandro Wolf zu Teilhabern und holte später auch noch den Projektmanager Frank Nadler mit ins Boot. "2010 haben wir neben unseren Jobs mit der Entwicklung angefangen, vier Jahre später waren wir endlich fertig damit", erzählt der Gründer. "Wir hatten ein angebotsreifes Produkt auf dem Tisch. Eine Rechenmaschine, die in 24 Stunden sämtliche Daten von zehntausend Teilnehmern erfasst, die im Inland und in die ganze Welt hinaus telefonieren und die dabei die unterschiedlichsten Tarifoptionen der Anbieter berücksichtigt. "Die Auswertung erfolgt natürlich pseudonymisiert", sagt Jablonowski. Das erfordert der Datenschutz."

Gut Geld verdient hat Jablonowski schon immer: Nach dem Studium bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC, dann beim Gabelstaplerhersteller Jungheinrich und der Digitalagentur Sinner Schrader, schließlich als Berater für die Telekommunikationsunternehmen Deutsche Telekom, Vodafone oder Telefonica. "Was damals übrig blieb, habe ich seit 2000 in eigene Geschäftsideen gesteckt", erzählt Jablonowski. Es waren, sagt er heute, mehr Tüfteleien. So wollte er zum Beispiel einen leicht tragbaren Kinderwagen nebst Steuerung bauen, scheiterte jedoch an den viel zu hohen Kosten für den "Säuglingstransporter". Nicht viel besser erging es ihm mit seinem Designgrill samt dazugehörigem Rucksack für unterwegs. Auch das viel zu teure Stück zündete nicht am Markt. Die letzten Exemplare dienen nun gut verpackt als Raumteiler im neuen Büro von Feldwerk in Berlin-Mitte.

Weitere Artikel aus der SZ-Serie Gipfelstürmer finden Sie hier. (Foto: SZ-Grafik)

Die Feldwerk-Gründer waren von Anfang an überzeugt, den großen Wurf zu landen und wurden zunächst enttäuscht. "Wir dachten, die großen Telekommunikationsanbieter würden unsere Software sofort kaufen, um endlich ihren Kunden transparentere und maßgeschneiderte Tarife anbieten zu können", sagt Jablonowski. Die Vertriebsleute der Konzerne winkten ab, weil sie bei so viel Preistransparenz um ihre Margen und Provisionen fürchteten. Noch heute schüttelt er über solches Geschäftsgebaren den Kopf: "Die Unternehmen kassieren lieber ab als sich um faire Preise zu bemühen."

Konzerne wie Beiersdorf, Tchibo, Schott oder Zeiss probierten die neue Rechenmaschine aus

Also wandte sich Jablonowski an die Kunden der Telekommunikationskonzerne und bot mehr als 100 von ihnen eine Tarifberatung und seine Rechenmaschine an. Große Konzerne wie Beiersdorf, Tchibo, Schott oder Zeiss griffen zu. Bei solchen international tätigen Unternehmen seien die Mobilfunkkosten schnell mal siebenstellig, rechnet Jablonowski vor. Die könne man mit Hilfe von Feldwerk um durchschnittlich 50 Prozent senken. "Sie haben aufgrund unserer Analyse ihre Mobilfunkverträge neu ausgeschrieben und dann auch die Tarifsenkungen bei Anbietern durchgesetzt", sagt er betont nüchtern. "Das ist nur zu korrekt."

Feldwerk erhält dafür eine Provision. Das Start-up arbeitet inzwischen profitabel. "Seit Ende 2015 stecke ich kein eigenes Geld mehr in die Firma", sagt Jablonowski. "Wir sind jetzt zu acht, schlank aufgestellt und haben doch noch viel mit Feldwerk vor." Ziel sei es, nun eine vereinfachte Softwarevariante für kleinere und mittlere Firmen zu entwickeln, um so den Kundenkreis deutlich zu erweitern. Die Mobilfunktarife für Geschäftskunden schätzt Jablonowski hierzulande auf vier bis sechs Milliarden Euro. "Die könnte man mit unserer Hilfe glatt halbieren", sagt der Feldwerk-Chef. "Fragt sich nur, ab wann wir die Anbieter richtig nerven."

Zum zweiten Mal schreibt der SZ-Wirtschaftsgipfel in diesem Jahr den Gründerwettbewerb Gipfelstürmer aus. Der Gewinner wird am 19. November in Berlin gekürt. Bewerbungen und weitere Infos unter: www.sz-wirtschaftsgipfel.de/gipfelstuermer.

© SZ vom 03.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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