Giesecke & Devrient:Die Geld-Macher

Die Münchner Firma produziert etwas, das jeder haben will und alle täglich in der Hand halten: Banknoten. Aber das Traditionsunternehmen steckt in einer Krise - und muss sich jetzt neu erfinden.

Von Caspar Busse

Ihre Eltern hatten einst einen guten Rat für Christine Riesen: "Geh' zu Giesecke & Devrient, da kannst Du alt werden, wenn Du keine silbernen Löffel stiehlst." Und so heuerte Christine Riesen, heute 52 Jahre alt, im Oktober 1984 bei der Münchner Traditionsfirma im Banknotendruck an. Ihr Großvater hatte einst die großen Bögen mit den Geldscheinen auseinandergeschnitten, war dann in den Fünfzigerjahren mit an den neuen Standort an der Prinzregentenstraße im Münchner Osten gezogen. Der Vater hat dann später die Lastwagen gesteuert, die die kostbare Fracht abtransportierten. Tochter Christine arbeitet heute tief unter der Erde in den überdimensionierten Geldtresoren, in denen die Banknoten zwischengelagert werden. Aber wohl nicht mehr lang.

"Wir waren ein Teil der Familie, darauf waren hier alle stolz", sagt Christine Riesen, "und jetzt werden wir abgeschafft." Ihre Stimme zittert. Am 11. Dezember vergangenen Jahres ist für sie eine Welt zusammengebrochen. Damals mussten die Drucker plötzlich die Maschinen anhalten, alle Mitarbeiter wurden in die Kantine gerufen. Dort stand Walter Schlebusch, 66, der Vorsitzende der Geschäftsführung. Er hatte keine guten Nachrichten. Der Geldnotendruck am Standort München werde bis Herbst 2015 eingestellt, sagte er.

Giesecke & Devrient, das steht seit Jahrzehnten für Solidität und Verschwiegenheit. Hier wird das produziert, was die Welt antreibt und was alle täglich in den Händen halten: Geld. Giesecke & Devrient, das ist auch ein Beispiel, wie sich ein weltweit tätiger Mittelständler, der lange vor allem Erfolge präsentieren konnte, plötzlich neu erfinden muss.

Jahrzehntelang hat das 1852 von Hermann Giesecke und Alphonse Devrient gegründete Unternehmen sehr gut verdient. Doch nun ist die Traditionsfirma in eine Krise gerutscht. Immer wieder wurden die Ziele verfehlt, seit Jahren schmelzen die Gewinne dahin, das Eigenkapital ist bedenklich knapp geworden. 2014 wurde ein Minus von 73 Millionen Euro eingefahren, der erste Verlust der Unternehmensgeschichte. Die Dividende fällt aus.

"Wir sind in einer Situation, in der wir handeln müssen, auch um die Firma zu sichern", sagt Schlebusch. Er hat einen tief greifenden Umbau eingleitet. Hundert Millionen Euro sollen pro Jahr eingespart werden. Fast tausend Jobs werden im ganzen Konzern gestrichen, die meisten in München. Die 210 Jobs in der Banknoten-Druckerei sind nur ein Teil davon, aber es ist doch ein Symbol. Mit der Herstellung von Geldscheinen in München - früher die Mark, heute der Euro und viele andere Währungen dieser Welt - ist das Unternehmen groß geworden. Künftig werden Banknoten nur noch an den beiden Standorten in Leipzig und in Malaysia gedruckt.

Harter Schnitt

2014 fuhr Giesecke & Devrient erstmals einen Verlust ein. Nun wird der Banknotendruck am Standort München geschlossen.

Vieles hat sich verändert: Die Bundesbank schreibt die Aufträge anders als früher international aus, die Konkurrenz ist hart, der Preisdruck hoch. Banknoten werden inzwischen woanders billiger produziert. Dazu kommen neue Bezahlsysteme, mit der Kreditkarte, über das Handy, per Online-Dienst. Das Unternehmen expandiert zwar schon lange in neue Bereiche. Aber noch immer kommt die Hälfte des Gesamtumsatzes von 1,8 Milliarden Euro aus dem Geschäft mit Banknoten - mit dem Druck, aber auch mit der Herstellung des Papiers und dem Verkauf von Banknotenbearbeitungsmaschinen aller Art. Die Münchner sind hier stolzer Weltmarktführer. Aber es kommt einiges zusammen: Auch in den anderen Bereichen haben sie zu kämpfen, etwa in der Sicherheitstechnik, bei der Entwicklung von Chipkarten oder in der Produktion von Pässen.

Firmenchef Schlebusch ist ein freundlicher, weißhaariger Mann, der aus Aachen stammt. Von 1975 bis 1980 war er dort Pressesprecher der Technischen Hochschule, es war sein erster Job, und bis heute redet er gerne und offen. Er ist in einem Alter, in dem andere in den Ruhestand gehen, er ist seit 2000 bei Giesecke & Devrient, seit zwei Jahren Vorsitzender der Geschäftsführung. Davor war er der Chef der Banknotensparte. Damals hatten ihm Mitarbeiter einen Sessel aus Plexiglas geschenkt, gefüllt mit Schnipseln von geschredderten Banknoten. Der steht jetzt neben seinem Schreibtisch. Seine Besucher holt er schon mal persönlich an der Pforte ab, begleitet sie hoch in den siebten Stock der Zentrale. Gediegenes Ambiente, dicke Teppichböden, gerahmte Stiche alter Wertpapiere an den Wänden, die Türen aus dunklem Holz. Das Geldmachen ist eben ein vornehmes Geschäft.

Giesecke & Devrient: Ein historischer Geldschein der Bayerischen Notenbank, der die Bavaria zeigt: Seit mehr als 160 Jahren produziert Giesecke & Devrient Banknoten.

Ein historischer Geldschein der Bayerischen Notenbank, der die Bavaria zeigt: Seit mehr als 160 Jahren produziert Giesecke & Devrient Banknoten.

(Foto: Stephan Rumpf)

Auf derselben Etage hat auch Verena von Mitschke-Collande ihr Büro. Zusammen mit ihren vier Kindern ist die resolute Erbin Inhaberin des Unternehmens. Die Familie gehört zu den reichsten in Deutschland, und zu den verschwiegensten. Kaum etwas dringt nach außen. Verena von Mitschke-Collande ist die Tochter des früheren Firmenpatriarchen Siegfried Otto, der das Unternehmen einst groß und zur Weltfirma gemacht hat. Noch heute grüßt ein Ölbild Ottos die Besucher im Foyer - dort wo im schwarz-weißen Marmorboden die Buchstaben G und D eingelassen sind. Im vergangenen Jahr feierten sie mit einer kleinen Ausstellung den hundertsten Geburtstag von Otto, der 1997 mit 82 Jahren gestorben ist. Die Drucker erinnern sich noch gerne an ihn. Er kam aus seinem Büro schon mal runter in die Produktion und sprach mit ihnen. "Das Unglück begann mit dem Tod von Siegfried Otto", sagt einer, der seit Jahrzehnten dabei ist.

Tradition gilt hier viel, die Empörung über die Schließungspläne ist auch deshalb so groß. Draußen am hohen Eisenzaun, der einmal um die Konzernverwaltung geht, wehen in diesen Tagen rote Verdi-Fahnen, "Kahlschlag bei Arbeitsplätzen, weg mit der Axt", steht auf den Plakaten. In der vergangenen Woche sind sie immer wieder mit Trillerpfeifen und Transparenten vor den Haupteingang gezogen. Seit vielen Tagen streiken sie, Aufträge sind bereits in Gefahr. Die Reputation des Unternehmens steht auf dem Spiel.

"Es tut mir leid, dass wir eine solch gute Druckerei schließen müssen. Das ist eigentlich eine Schande", sagt auch Schlebusch. Aber es gehe einfach nicht anders, die Kosten in München seien zu hoch, die Konkurrenz sei zu hart. Die Entscheidung sei ihm sehr schwer gefallen. Viele der Beschäftigen, die nun gehen müssen, kenne er persönlich noch aus alten Zeiten. Doch Schlebusch lässt sich nicht beirren, er hat Angst um die Firma.

Die Mitarbeiter in der Geldnotendruckerei können das alles trotzdem nicht verstehen. Noch im vergangenen Jahr haben sie Extra-Schichten gefahren, teilweise sogar am Wochenende. Immer wieder habe das Unternehmen viel Geld mit irgendwelchen neuen Projekten in den Sand gesetzt, sagt Peter Stark, 56, seit 1979 dabei und inzwischen stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats. Aber immer sei der Banknotendruck der Kern gewesen. Und genau der solle nun in München schließen?

Die Unruhe bei Giesecke & Devrient ist jedenfalls groß. Gerade erst hat Peter-Alexander Wacker, auch er ein erfolgreicher Familienunternehmer, seinen Posten als Chef des Aufsichtsrats hingeworfen. Es gab Streit. Beim traditionellen Abendessen, zu dem Verena von Mitschke-Collande nach Feststellung des Jahresabschlusses die wichtigsten Manager einlädt, war er schon nicht mehr dabei. Wacker geht der Umbau zu schnell, zu viel auf einmal.

Schlebusch dagegen drängt. Er will nicht nur sparen, er prüft auch den Bau einer neuen Hauptverwaltung - und er will das ganze Unternehmen neu organisieren. Das Konzept eines integrierten Technologiekonzerns, das jahrelang verfolgt wurde, sei falsch, heißt es. Jetzt sollen die drei großen Bereiche - Banknotendruck, Chipkarten und Sicherheitslösungen sowie Ausweissysteme - weitgehend getrennt unter einer Holding arbeiten. Giesecke & Devrient soll so eine Zukunft haben. Eine Zukunft, in der für Christine Riesen und viele andere aber kein Platz mehr ist.

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