Gibraltar:Kleine Kriege um große Summen

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Die Polizei von Gibraltar beobachtet spanische Fischer. (Foto: Pablo Blazquez Dominguez/Getty Images)

Großbritannien und Spanien streiten um Gibraltar. Nur vordergründig geht es dabei um Fische und Baumaterial. In Wirklichkeit ist es ein Kampf um Milliarden, denn die Halbinsel gilt als Steueroase und Paradies für Geldwäscher.

Von Thomas Urban, Gibraltar

Der Regierung des britischen Überseegebietes Gibraltar war von Anfang an klar, dass es im andauernden "kleinen Wirtschaftskrieg" mit Spanien nicht um Fischgründe geht. Ein neu angelegtes künstliches Riff hat Madrid als Grund angeben, warum derzeit die Abfertigung an der Grenze zwischen der Halbinsel, die nicht zur Schengen-Zone gehört, so schleppend verläuft, dass Pendler mitunter sechs Stunden in der prallen Sonne warten müssen. Nur konnte das Argument, spanischen Fischern entgingen Millioneneinnahmen, leicht widerlegt werden. Denn mangels Fischen wird in dem umstrittenen Stück neben dem Flughafen von Gibraltar, das kleiner als ein halber Quadratkilometer ist, schon lange nicht mehr gefischt. Und Schleppnetze für den Muschelfang dürfen dort ebenfalls nicht eingesetzt werden.

Diese Panne Madrids hat es Fabian Picardo, dem sozialdemokratischen Chefminister von Gibraltar, bislang einfach gemacht, in dem Konflikt die internationale Öffentlichkeit auf seine Seite zu bringen. Worum es der konservativen Regierung in Madrid eigentlich geht, stellte Premierminister Mariano Rajoy nun in einem Mahnschreiben nach Brüssel klar: Die Europäische Union müsse endlich überprüfen, ob bei den von Jahr zu Jahr anschwellenden Finanzströmen über Gibraltars Briefkasten- und Internetfirmen nicht EU-Recht verletzt werde. Mit anderen Worten: Die Steueroase und Geldwaschanlage Gibraltar müsse trockengelegt werden.

Doch auch hier konnte Picardo bislang parieren: Erst im Juni hätten die Finanzminister der EU-Staaten seiner Regierung bescheinigt, alle von Brüssel geforderten Änderungen des Steuersystems umgesetzt zu haben. In der Vergangenheit hatte Brüssel die Behörden von Gibraltar wegen mangelnder Bereitschaft zur Zusammenarbeit wiederholt ermahnt. Picardo räumte nun vor dem Parlament ein, dass der schlechte Ruf Gibraltars bei den EU-Finanzpolitikern nicht völlig unbegründet gewesen sei.

Dabei hat der Oxford-Absolvent seit seinem Amtsantritt 2011 viele Schritte unternommen, um die Abstimmung mit Brüssel zu verbessern, weil ein solider Ruf für einen Finanzplatz unabdingbar sei. Auch verwies er in einem Brief an den spanischen Finanzminister Cristobal Montoro darauf, dass Gibraltar mittlerweile alle Forderungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nach Transparenz und Kooperation erfülle.

Spanien lehnt direkte Verhandlungen ab

Gegenüber Madrid wiederholte er noch am Vorabend der aktuellen Krise seinen Vorschlag, unter Aufsicht Brüssels eine gemeinsame Kommission zu bilden, die die strittigen Fragen klären solle. Dazu gehört auch der Tabakschmuggel. Nach Angaben aus Madrid hat sich seit 2010 der Zigarettenhandel über Gibraltar mehr als verdoppelt, auf 140 Millionen Packungen, die pro Stück nur mit zehn britischen Cent besteuert werden. Gibraltar verweist auf die Möglichkeit einer gemeinsamen Bekämpfung des Schmuggels durch die britische Polizei und die spanische Guardia Civil. Doch die Konservativen in Madrid lehnen direkte Verhandlungen mit Gibraltar ab; die einzige dafür in Frage kommende Ebene sei die Regierung in London, diese verweist wiederum auf die Autonomierechte Gibraltars im Steuersystem.

In der Regionalregierung von Andalusien ist man über den "kleinen Wirtschaftskrieg" alles andere als glücklich. Denn für die Region mit einer Arbeitslosigkeit von 35 Prozent ist Gibraltar ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Mehr als 350 Millionen Euro fließen jährlich aus der Halbinsel in die Wirtschaft des Umlandes: Löhne für mehr als 10.000 in Gibraltar arbeitende Spanier, Warenverkehr, vor allem Treibstoff, Baumaterialien und Wohnungseinrichtungen, Einnahmen aus Immobilienverkauf sowie Gewerbesteuern von Firmen aus Gibraltar, die in Spanien Geschäfte betreiben.

Das Handelsvolumen hat sich seit dem Platzen der spanischen Immobilienblase vor fünf Jahren, wovon besonders Andalusien betroffen war, auf 1,2 Milliarden Euro verdoppelt. Das kleine Gibraltar mit seinen 30.000 Einwohnern ist auf diese Weise für Andalusien, der größten Region Spaniens, der siebtwichtigste Handelspartner geworden, nach Frankreich, Deutschland, Italien, den USA, Portugal und Marokko.

In der Tat profitiert die Halbinsel von niedrigen Steuersätzen, sie ist nach Angaben der eigenen Regierung Sitz von 18.000 Briefkastenfirmen, vor allem aus dem Finanzsektor. Madrid spricht von 30.000 Briefkastenfirmen, von denen nur ein Bruchteil überhaupt Steuern zahle. Dem spanischen Fiskus entgehe dadurch alljährlich eine dreistellige Millionensumme. Die Führung von Gibraltar hält dem entgegen, dass sie auch gern mit Spanien ein Steuerabkommen schließen werde, wie sie es bereits mit den anderen großen EU-Staaten und den USA getan habe.

Ärger über Online-Glücksspiele

Besonderer Stein des Anstoßes ist für Madrid der massiv angestiegene Umsatz der Anbieter von Online-Glücksspielen mit Sitz in Gibraltar. In der Tat ist dies neben Online-Versicherungen der wichtigste Faktor beim Wachstum der vergangenen fünf Jahre: Viermal hintereinander konnte die Wirtschaft Gibraltars ein Plus von mehr als zehn Prozent verbuchen; im Jahr 2012 noch immer 7,8, während Spanien in die Rezession abdriftete. Noch beeindruckender sind die Zahlen beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf: Es wuchs in den Jahren 2008 bis 2012 von 34.500 auf 50.700 Euro, während es in im rezessionsgeplagten Spanien von 23.900 auf 22.700 Euro sank.

In Gibraltar gibt man sich daher optimistisch, den kleinen Wirtschaftskrieg zu überstehen, zumal auch die Madrider Wirtschaftspresse ihn zunehmend für kontraproduktiv hält. Vor allem aber verlässt man sich an der Südspitze der Iberischen Halbinsel auf London. Und das hat bislang keinerlei Bereitschaft erkennen lassen, am Sonderstatus seiner Überseegebiete gerade in der Steuerpolitik rütteln zu lassen. Dazu gehört neben den Kanalinseln eben auch die Halbinsel mit dem großen Affenfelsen.

Derweil geht der Kleinkrieg weiter. Nach Zeitungsberichten vom Samstag hielten die spanischen Behörden mehrere Lastwagen mit Baumaterial an der Grenze auf. Die Entscheidung habe der Zoll auf Betreiben der Generalstaatsanwaltschaft getroffen. Die Lkws transportierten demnach Steine für ein Bauprojekt im Osten Gibraltars.

© SZ vom 26.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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