Gezerre um den Reisekonzern:Eine Wette gegen TUI

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Die Investmentbank Morgan Stanley hat ihren Anteil an dem Touristikkonzern verdoppelt. Jetzt rätseln Anleger, Analysten und offenbar auch TUI selbst, welche Absichten Morgan Stanley verfolgt.

Von Martin Hesse

Normalerweise schnellt der Aktienkurs nach oben, wenn bekannt wird, dass ein Investor einen großen Anteil an einem Unternehmen erworben hat. Anleger spekulieren dann auf einen Übernahmeversuch.

Bei TUI war das am Mittwoch ganz anders: Die Nachricht, die Investmentbank Morgan Stanley habe ihren Anteil an dem Touristikkonzern seit Mai auf 10,1 Prozent verdoppelt, drückte den Kurs.

Seitdem rätseln Anleger, Analysten und offenbar auch TUI selbst, welche Absichten Morgan Stanley verfolgt, welche Rolle Hedge-Fonds dabei spielen und warum sich der Kurs so bewegt, wie er sich bewegt.

Am Donnerstag ist er wieder deutlich gestiegen, und daraus lässt sich eine Erklärung der Turbulenzen ableiten. Am Morgen hatte die Deutsche Börse gemeldet, der Zehn-Prozent-Anteil Morgan Stanleys werde dem Streubesitz der Aktie zugerechnet.

Die Rolle der Hedge-Fonds

Das tat dem Kurs gut, weil damit die Hoffnung gewachsen ist, dass TUI weiterhin im deutschen Elite-Index Dax vertreten bleibt. Die Börse zieht nur diesen Streubesitz - also die nicht von strategischen Investoren gehaltenen Anteile - für die Berechnung des Marktwertes von Unternehmen heran. Marktwert und Handelsvolumen entscheiden maßgeblich über die Zusammensetzung des Dax.

Warum kommt die Börse zu dem Schluss, dass Morgan Stanley die Aktien nicht aus strategischen Gründen hält?

Dafür gibt es zwei Erklärungen: Entweder Morgan Stanley hält die Aktien, um sie im Auftrag anderer etwa an Hedge-Fonds zu verleihen, die die Aktien leer verkaufen wollen. Die zweite Möglichkeit ist, dass die Investmentbank die Aktien systematisch einsammelt - im Auftrag eines Finanzinvestors oder strategischen Käufers, der TUI mehrheitlich übernehmen will.

Im Umfeld der Investmentbank wurde der Süddeutschen Zeitung die erste Version nahe gelegt. Morgan Stanley ist weltweit der größte so genannte Prime Broker und erbringt als solcher Dienstleistungen für andere Marktteilnehmer.

Unter anderem nehmen die Prime Broker Aktien in ihre Bücher, die Fondsgesellschaften oder Banken verleihen wollen. Alle großen deutschen Fondsgesellschaften bessern über Leihgebühren - sie liegen für Dax-Werte bei etwa ein Prozent im Jahr - in mehr oder weniger großem Umfang ihre Einnahmen auf.

Als Leiher treten vor allem Hedge-Fonds auf, die Leerverkäufe (short sales) tätigen. Dabei werden geliehene Aktien in Erwartung fallender Kurse sofort verkauft, um sich später billiger einzudecken und die Papiere an den Verleiher zurück zu geben - vorausgesetzt die Spekulation geht auf.

Tatsächlich haben offenbar Hedge-Fonds nicht erst in den vergangenen Tagen, sondern bereits seit Monaten auf diese Weise gegen TUI spekuliert.

"TUI ist eine der bekanntesten Short-Storys am Markt", sagt Sy Schlüter, Manager bei der Hedge-Fonds-Gesellschaft Copernicus. Auch sein Fonds habe die Aktie lange Zeit leer verkauft, "weil die Strategie der TUI nicht aufgeht und wir die Aktie daher für überbewertet hielten".

Welchen Anteil Leerverkäufe an dem Kursverfall der vergangenen Wochen haben, lässt sich nicht nachweisen, da short sales in Deutschland anders als in den Vereinigten Staaten nicht gekennzeichnet werden müssen.

Die Verleiher stürzt ein Fall wie TUI in einen Konflikt. Zwar verdienen die Fondsgesellschaften bei hoher Leihnachfrage an den Gebühren nicht schlecht, gleichzeitig drohen aber dem eigenen Fonds Kursverluste, wenn die Wette der Short-Seller aufgeht.

Dennoch machen fast alle Fondsgesellschaften mit. "Wenn man nicht verleiht, tut es in der Regel ein anderer, und die Kurse leiden trotzdem", sagt der Sprecher einer Fondsgesellschaft.

Schlüter hat nach eigener Aussage seine Verkaufswette beendet. Es sei zu bekannt, dass die Aktie leer verkauft werde, die Gefahr auf dem falschen Fuß erwischt zu werden, wachse. Zudem sei der Wert mittlerweile so niedrig, dass TUI ein Kandidat für eine Zerschlagung werde. Damit spricht er die zweite Erklärung für den Zehn-Prozent-Anteil Morgan Stanleys an.

TUI selbst wollte am Donnerstag nicht ausschließen, dass hinter dem Morgan-Stanley-Anteil ein Übernahmeversuch stecke. Nur die Bank selbst hegt derartige Pläne offenbar nicht - ein strategisches Engagement hätte sie der Deutschen Börse mitteilen müssen.

© SZ vom 30.07.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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