Gesundheitsreform:Roland Koch will Positivliste für Arzneien stoppen

Der hessische Ministerpräsident unterstützt die Pharmaindustrie in ihrem Kampf gegen die Bundesregierung. Die geplanten Reformen in der Gesundheitspolitik zerstörten den Standort Deutschland.

(SZ vom 23.05.2003) — Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat angekündigt, im Bundesrat jedes einzelne Gesetz zur Gesundheitsreform solange abzulehnen, wie von der Bundesregierung "der Pharmastandort Deutschland zerstört wird".

In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Chefs von drei Pharma-Unternehmen griff Koch vor allem die geplante Positivliste für Medikamente an. Damit werde der Arzneimittelforschung in diesem Land die Grundlage entzogen.

Der Ministerpräsident sagte, er wolle den Markt über neue Medikamente ent-scheiden lassen - und nicht eine staatliche Kommission, die in der Positivliste festlegt, welche Medikamente ein Arzt noch verschreiben darf.

Koch sagte, das Thema beschäftige ihn aus wirtschaftspolitischen Gründen. Die Rhein-Main-Region sei traditionell die "Apotheke Europas". Angesichts von Arbeitslosigkeit und Globalisierung stelle sich die Frage, "womit wir in Deutschland eigentlich noch unser Geld verdienen wollen". Er habe kein Interesse, dass auch noch diese Industrie aus Deutschland abwandere.

Ein Pharmaunternehmen ist keine Zementfabrik

Der Chef von Aventis Deutschland, Heinz-Werner Meier, sagte, er sei "erschüttert über die Dummheit in der Gesundheitspolitik". Er sorge sich, wie er es in seinem internationalen Konzern noch durchsetzen solle, eine Investition in Deutschland zu tätigen, und nicht etwa in New Jersey.

Niemand werde eine Milliarde Euro in ein Medikament stecken, wenn er fürchten müsse, es damit anschließend nicht oder erst nach Jahren auf die Positivliste der Bundesregierung zu schaffen. Nur dort aber, wo ein neues Medikament erforscht werde, werde es anschließend auch klinisch entwickelt. Und nur, wo es entwickelt werde, werde es am Ende auch produziert.

Die Umsatzrendite in den Pharma-Unternehmen liegt über dem deutschen Schnitt. Die Chefs der Hersteller Merz und Hormosan, Jochen Hückmann und Detlev Schwab, bezifferten sie auf fünf bis zehn Prozent. Aventis-Chef Meier sagte, bei den großen Unternehmen betrage sie 20 Prozent.

Er fügte an, ein Pharma-Unternehmen sei jedoch angewiesen auf sehr viel höhere Renditen "als eine Zementfabrik". Pharmaforschung sei finanziell hoch riskant. Allein sein Konzern habe vor kurzem dreimal nacheinander eine Milliarde Euro "in den Sand gesetzt", weil neue Arznei-Projekte sich während der Forschung zerschlugen.

Ministerpräsident Koch sagte, es gebe mittlerweile genügend wohlhabende Länder in der Welt, die sich die Erforschung neuer Medikamente leisten könnten. Die Frage werde also sein: "Wird irgendeines dieser Medikamente noch in Deutschland produziert?"

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