Gesundheit:Privatversicherte stehen vor einem Preisschock

Stethoskop

Eine Arztbehandlung kann sich zwischen Kassen- und Privatpatient erheblich unterscheiden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Niedrige Zinsen und hohe Kosten setzen Krankenversicherern zu. Darum wird es nun für die Kunden richtig teuer.

Kommentar von Herbert Fromme

Da hat Gesundheitsminister Hermann Gröhe etwas gründlich missverstanden. Er lobte in der vergangenen Woche die privaten Krankenversicherer (PKV) dafür, dass sie ihre Alterungsrückstellungen im vergangenen Jahr trotz der Lage auf dem Kapitalmarkt weiter erhöht haben. Doch freiwillig haben sie das nicht getan: Wegen der niedrigen Zinsen sind sie dazu gezwungen. Nicht trotz, sondern wegen der Lage am Kapitalmarkt müssen Allianz, Debeka, DKV und alle anderen die Reserven aufstocken - und dafür ihre Kunden zur Kasse bitten.

Die private Krankenversicherung beruht auf einem Sparplan. In jungen Jahren sind die PKV-Versicherten gesünder. Dann zahlen sie höhere Beiträge als eigentlich nötig wäre für Ärzte, Medikamente oder Krankenhausaufenthalte. Das überschüssige Geld wird angelegt. Im Alter sind die Versicherten kränker, die Beiträge sind dann im Schnitt niedriger als eigentlich benötigt. Die Differenz zahlen die Gesellschaften aus dem angesparten Vermögen der Versicherten - das ist die Alterungsrückstellung.

Womöglich müssen Kunden bald wieder bluten

Ein schönes System, wenn es funktioniert. Doch wenn die Zinsen niedriger sind, als von den Anbietern kalkuliert, geht die Rechnung nicht mehr auf. Dann müssen die Kunden höhere Beiträge zahlen, damit mehr zurückgelegt werden kann. Sonst kommt der erforderliche Betrag für das Alter nicht zusammen.

Genau das passiert gerade. Für 2017 werden zwei Drittel der knapp neun Millionen Privatversicherten Erhöhungen im zweistelligen Bereich erleben, schätzt die Branche selbst. Die von Gröhe gelobten hohen Rückstellungen und die kräftig steigenden Beiträge sind zwei Seiten derselben Medaille. Deshalb sind die 219 Milliarden Euro an Alterungsrückstellungen in der Branche auch kein Grund zur Beruhigung. Wenn die Zinsen so niedrig bleiben, wovon die Mehrzahl der Experten ausgeht, müssen die Kunden schon bald wieder bluten, weil dann 250 Milliarden Euro oder 300 Milliarden Euro nötig sind.

Dazu kommen Beitragssteigerungen wegen gestiegener Gesundheitskosten. Dass es 2017 zu besonders kräftigen Erhöhungen kommt, nachdem die Gesellschaften in den vergangenen Jahren meistens moderat angepasst hatten, liegt an den gesetzlichen Vorgaben. Sie dürfen nämlich die Beiträge nur erhöhen, wenn ihre Ausgaben für die Gesundheit ihrer Kunden um einen bestimmten Schwellenwert gestiegen sind. Meistens sind das zehn Prozent, manchmal auch fünf Prozent. Wenn diese Schwelle überschritten wird, was 2016 bei vielen Tarifen der Fall ist, müssen die Versicherer anpassen - und dabei auch alle anderen Faktoren mit einrechnen, die sich auf den Preis auswirken. Dazu gehört die Zinsentwicklung. Die Folge ist der Doppelschlag bei den Beiträgen.

Die Versicherer fordern eine Entzerrung. Sie wollen das Recht, die Beiträge öfter und dafür weniger steil zu erhöhen, um die extremen Sprünge zu vermeiden. Dagegen sträubt sich bislang die SPD, die aus dem Ärger vieler Kunden über die PKV politisches Kapital schlagen will. Diese Haltung sollte die Partei aufgeben. Der Systemstreit - PKV und gesetzliche Kassen wie bisher oder einheitliche Bürgerversicherung, wie von SPD und Grünen gefordert - wird nicht dadurch entschieden, dass die PKV-Versicherten alle drei, vier Jahre in Panik versetzt werden.

Die privaten Krankenversicherer haben auch eine Bringschuld. Ihre Kosten sind immer noch viel zu hoch, vor allem die Vertriebskosten. In der Betreuung ihrer Versicherten hinken die meisten weit hinter guten gesetzlichen Krankenkassen hinterher. Die Möglichkeiten der Digitalisierung, die erhebliche Kostensenkungen mit sich bringen kann, nutzen sie nur zögernd. Und beim Verkauf rechnen viele Vertreter den potenziellen Kunden immer noch mit viel zu optimistischen Annahmen über Zinsen und Gesundheitskosten vor, warum sie mit der PKV angeblich so viel sparen können gegenüber der gesetzlichen Kasse.

Was tun die Versicherten? Zurück in die gesetzlichen Kassen können sie kaum, selbst wenn sie es wollten. Wenn sie zwischen verschiedenen PKV-Gesellschaften wechseln, verlieren sie den größten Teil ihrer Alterungsrückstellungen, die Beiträge bei der neuen Gesellschaft wären dann extrem viel höher. Es bleibt der Wechsel in einen anderen Tarif innerhalb der bestehenden Gesellschaft. Das kann tatsächlich viele Hundert Euro Einsparungen bedeuten. Lange hat sich die Branche gegen einfache Regeln für den internen Tarifwechsel gesträubt. Jetzt gibt es sie. Berater, die sich aufdrängen und für den Wechsel hohe Gebühren verlangen, sind deshalb fast immer überflüssig. Aber auch mit neuem Tarif gilt: Die nächste Preiserhöhung kommt bestimmt.

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