Gestorbene Marken:Die ewige Liebe des Verbrauchers

Commerzbank und Dresdner Bank

Gestorbene Marken: Szene einer Dresdner-Bank-Filiale aus dem Jahr 2008

(Foto: dpa)
  • Immer wieder ersetzen Unternehmen bekannte Markennamen durch neue.
  • Dabei investieren viele Firmen viel Geld in die Popularität eben jener Marken - eigentlich ein Widerspruch.
  • Manche Verbraucher bedauern die Namenswechsel auch noch nach Jahrzehnten.
  • Experten führen das auf eine große, oft auch regional begründete Verbundenheit mit Markennahmen zurück.

Von Angelika Slavik, Hamburg

Im Internet findet man viele wundersame Dinge, darunter zum Beispiel Beiträge von Menschen, die sich nach Raider sehnen. "Raider war viel besser", kann man da lesen. Und: "Raider war meine Kindheit." Oder: "Ich möchte mir endlich wieder ein Raider kaufen" - versehen mit exakt 13 Ausrufezeichen.

Natürlich könnte jeder aus dieser Gruppe jederzeit ein Raider bekommen, es gibt sie im Supermarkt, am Kiosk, noch im verlottertsten Automaten an jedem Provinzbahnhof. Überall. Bloß heißt Raider, ein Schokoriegel mit Karamell, mittlerweile Twix. Seit 1991 um genau zu sein. Damals fand der Hersteller, es sei Zeit für einen Namen, von dem er glaubte, er ließe sich international besser vermarkten. Wieso regt man sich ein Vierteljahrhundert später noch über so etwas auf?

Manchmal gelingt auch ein wundersames Comeback

Im Lauf eines Erwachsenenlebens muss man unzählige Male Abschied nehmen von vertrauten Marken. Das gilt für die Dresdner Bank und für Privatfernsehen von Premiere, für Hanomag Autos und für die Versicherung Hamburg Mannheimer. Und es scheint unnötig zu erwähnen, dass deren langjährige Werbefigur - "Hallo Herr Kaiser!" - natürlich auch eine eigene Facebook-Gruppe hat, die sich massiv für seine Rückkehr einsetzt.

Dass diese Abschiede manchen so schwerfallen, ist nur auf den ersten Blick irrational. Denn schließlich investieren die Unternehmen oft viele Hundert Millionen Euro, um eine emotionale Bindung zwischen ihren Marken und den Konsumenten zu erzeugen. Sie produzieren Werbespots mit Kindern, Hundebabys und Tränendrüsenmusik im Hintergrund, sie sponsern Olympische Spiele, Weltmeisterschaften und Schulfeste. Sie inszenieren Fallschirmsprünge aus der Stratosphäre. Überall, wo Emotionen zu erwarten sind, sind Marken. Damit am Ende überall, wo die Marke ist, auch die Emotionen sind - und die Menschen im Supermarkt zielsicher das richtige Regal ansteuern.

Bei Dresdner Bank mehrere hundert Arbeitsplätze gefährdet

Wer erinnert sich noch? Die Dresdner Bank ging in der Commerzbank auf.

(Foto: Frank May/dpa)

Warum beerdigt man dann eine etablierte Marke - nach dem ganzen Aufwand?

Warum beerdigt man eine etablierte Marke?

Klaus-Dieter Koch ist Markenstratege, leitet das Beratungsunternehmen Brandtrust in Nürnberg. Er sagt, dass es manchmal schon sinnvoll sein könne, sich von einem bekannten Namen zu trennen, selbst wenn er nicht durch einen Skandal oder strategische Fehler beschädigt sei. Die Marke Kabel Deutschland zum Beispiel, die nun dem einheitlichen Markenauftritt von Vodafone zum Opfer fällt, sei einfach aufgrund ihres Namens nicht zukunftstauglich: "Kabel Deutschland, das klingt nach Bonner Republik, nach schweren Maschinen, die irgendwelche riesigen Leitungen verlegen müssen, damit sich da etwas tut. Das ist vielleicht ungerecht: Aber mit so einem Namen können Sie keine Mobilfunkverträge verkaufen."

Noch öfter aber, sagt Koch, sei das Ende einer Marke das Resultat davon, dass sich "irgendein Konzernmanager völlig vergaloppiert hat. Das ist natürlich ein teurer Fehler, denn das gibt in der Regel ein paar Jahre totales Chaos und dann kehrt man oft reumütig zurück."

Es gibt auch wundersame Comebacks

Tatsächlich ist eine Liste der verschwundenen Marken nicht vollständig ohne eine zweite: die der wundersamen Comebacks nämlich. Da ist zum Beispiel das Geschirrspülmittel Fairy Ultra. Die Wettkämpfe zwischen den imaginären spanischen Dörfern Villariba und Villabajo um den schnelleren Erfolg beim Paellapfannen-Abspülen - "Während Villabajo noch schrubbt, wird in Villariba schon gefeiert!" - waren schon in den Neunzigern legendär. Im Jahr 2000 benannte der Mutterkonzern Procter & Gamble die Marke um und versuchte "Fairy" unter dem Namen "Dawn" zu verkaufen. Es wurde ein spektakulärer Misserfolg. Drei Jahre später kehrte Fairy in die deutschen Regale zurück. Den Wettkampf zwischen Villariba und Villabajo kann man heute noch im Werbefernsehen verfolgen.

Auch zahlreiche Marken, die einst in der DDR populär waren und denen nach der Wende zunächst keine Zukunft vorausgesagt wurde, haben sich gegen alle Widerstände durchgesetzt: Die Sektmarke Rotkäppchen etwa geriet zwar anfangs in arge Turbulenzen, erfreut sich mittlerweile aber bundesweit reger Nachfrage und schluckte 2002 sogar den (westdeutschen) Konkurrenten Mumm. Auch die Waschmittelmarke Spee, inzwischen im Besitz von Henkel, oder Florena-Gesichtscreme, heute Teil von Beiersdorf, sind weiter auf dem Markt - und erfolgreich.

Langlebige Liebe

Wenn Konsumenten erst einmal ihr Herz an eine Marke verloren haben, ist ihre Liebe erstaunlich langlebig. Oder wie die Markenforscher das ausdrücken: Die Resilienz eines gut etablierten Produkts ist bemerkenswert - im Besonderen dann, wenn Marke als Teil einer regionalen oder nationalen Identität verstanden wird. Menschen, die in Ostdeutschland aufgewachsen sind, assoziieren Produkte von damals mit ihren Kindheitserinnerungen. In Düsseldorf ist Altbier eine Lebenseinstellung, und in der ganzen Bundesrepublik ist der Stolz auf die deutschen Automarken stark ausgeprägt; sogar bei Menschen, die privat Rad oder Renault fahren.

Und die ewig trauernden Raider-Fans? Die bekamen 2009 zumindest zwischenzeitlich, was sie so sehr begehrten: Anlässlich eines Firmenjubiläums brachte der Twix-Hersteller Mars Deutschland eine Sonderedition heraus - ohne Vorwarnung. Entsprechend groß war die Aufregung, als Raider wieder im Regal lag. Wurde all das Flehen endlich erhört? Nicht ganz. Trotz des großen Zuspruchs und eines Hypes in den sozialen Netzwerken blieb die Aktion eine einmalige Ausnahme. Mars nahm den Werbeeffekt mit und schrieb dann wieder "Twix" auf die Verpackung seiner Schokoriegel, so wie es die Markenstrategie vorsieht. Wie hieß es in dem Werbespot zum Namenswechsel Anfang der Neunziger? "Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix!" Stimmte wohl nur so halb. Wie das mit den Versprechen in der Werbung eben so ist.

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