Geschichten aus Griechenland:"Es fühlt sich an wie im Krieg"

Wie geht es den Griechen? Wir haben bei einigen nachgefragt. Konstantinos Tsaltas, 59 Jahre, führt einen Bauernhof in der Nähe von Kalamata.

Protokoll von Pia Ratzesberger

"Mein Bauernhof hat eine lange Tradition, vor mir haben ihn schon mein Vater und mein Opa geführt. Wir bauen hier Oliven an und stellen Öl her. Tiere haben wir auch ein paar, aber nur für uns selbst. Über Jahrzehnte war der Hof immer gewinnbringend, doch seit fünf Jahren macht die Krise ihn nun kaputt. Er lohnt sich nicht mehr. Anfangs hatte ich noch ein großes Polster, Erspartes, doch jetzt ist mehr als die Hälfte aufgebraucht. Und an das Geld, das ich noch auf der Bank habe, komme ich nicht mehr ran. Wie soll ich meine Arbeiter und mein Saatgut bezahlen, meinen Strom und mein Wasser?

Nicht wie alle anderen Geld abgehoben - aus Verantwortung

Das Bargeld reicht vielleicht noch für etwa zwei Wochen, das gebe ich nur für Essen und Sprit aus - ohne Sprit kommt man hier nicht weit, der ist wichtig. Was soll werden in der Zukunft? Nicht nur ich habe Angst, alle hier haben Angst. Die gegenwärtige Situation ist eine absolute Katastrophe, es fühlt sich an wie im Krieg. Eine Verwandte von mir ist zum Beispiel in Therapie und braucht regelmäßig Medikamente - jetzt kann sie die nicht mehr kaufen, weil kein Bargeld da ist. Sie versucht sich, so gut es geht, noch welches von Bekannten zu leihen.

Ich habe eigentlich schon geahnt, dass es so weit kommen wird, aber bin trotzdem nicht wie alle anderen zur Bank gerannt. Ich habe mein Erspartes aus Verantwortung nicht abgehoben - einen Sturm auf die Banken, ihnen noch mehr Kapital entziehen, das kann doch keiner wollen.

18 Monate Warten für eine Genehmigung

Wir brauchen endlich wieder Wachstum in Griechenland. Unser Land wird noch immer viel zu sehr von der Bürokratie erdrückt, nur ein Beispiel: Ich wollte einmal das Dach meiner alten Scheune neu mit Ziegelsteinen decken, ganze 18 Monate hat es gedauert bis die Behörde mir das genehmigt hat. Bei einer großen Hotelanlage bei uns in der Nähe hat es sogar 20 Jahre gedauert, bis die Genehmigung da war, das muss man sich einmal vorstellen. 2200 Unterschriften haben die Bauherren dafür gebraucht und mehr als 600 einzelne Genehmigungen.

Außerdem ist das Steuersystem hierzulande viel zu ineffizient und unübersichtlich. Viele Menschen haben kein Einkommen, keinen Cent und sollen dennoch Steuern zahlen, das ist absurd. Es stimmt nämlich nicht, dass die Griechen keine Lust haben Steuern zu zahlen - nein, die meisten können einfach nicht, weil nichts da ist zum Besteuern!

Tsipras hat alles nur noch schlimmer gemacht

Die Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre haben unseren Mittelstand zerstört, viele Bekannte von mir arbeiten seit Monaten ohne Lohn, weil die Firmen nicht mehr zahlen können. Ab und an bekommen sie einen 50-Euro-Schein zugesteckt und das war es dann wieder für lange Zeit. Genau deshalb haben sie diesen Herrn Tsipras gewählt, weil er viel versprochen hat und sie gehofft haben, dass sich diese Versprechen bewahrheiten. Auch ich habe am Anfang, obwohl ich politisch anders orientiert bin, kurz gedacht - wer weiß, vielleicht bringt dieser junge Mann etwas zustande. Doch er hat alles nur noch schlimmer gemacht.

Trotz allem aber werde ich am Sonntag mit Ja stimmen. Mein Ja gilt nicht unbedingt der Troika oder den Reformen, mein Ja gilt Europa. Denn eines ist klar: Wir Griechen sind Europäer und wir stehen für die europäische Idee ein. In guten wie in schlechten Zeiten."

Wie geht es den Griechen? Weitere Protokolle:

Apotheker Michalis Baitsis, 24 Jahre: "Woher sollen wir wissen, was richtig ist?"

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Reportage: Mina Fidas leitet eines der ältesten Unternehmen Griechenlands. Sie weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll.

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