Geplanter Gasspeicher:Erschütterungen in der Mark Brandenburg

Nördlich von Berlin plant der russische Konzern Gazprom das größte Erdgas-Depot Westeuropas - die ersten Bohrtürme sind schon da.

Constanze von Bullion

Die Prignitz am Nordostrand von Brandenburg ist ein Landstrich, in dem Superlative eher seltene Gäste sind. Man lebt hier bescheiden in einsamer Landschaft, es gibt viele Seen und wenig zu tun - und neuerdings gibt es Unruhe, jedenfalls ein wenig. Auf Äckern werden Bohrtürme errichtet, Tieflader rollen an, sie rütteln am Boden und messen seine Erschütterung. Es sind Vorboten eines ungewöhnlichen Projekts.

Geplanter Gasspeicher: Es gibt einige Gasspeicher in Deutschland - keiner aber ist so groß wie der, den Gazprom derzeit plant.

Es gibt einige Gasspeicher in Deutschland - keiner aber ist so groß wie der, den Gazprom derzeit plant.

(Foto: Foto: dpa)

Rund um Schweinrich bei Wittstock will der russische Energiekonzern Gazprom das größte unterirdische Gaslager Westeuropas anlegen. Jetzt haben Probebohrungen begonnen, der Boden wird mit Messgeräten erkundet, und wenn er so ist, wie Geologen vermuten, kann Gazprom hier bald acht bis zehn Milliarden Kubikmeter Erdgas einlagern.

Sechs Dörfer auf Gas

In bis zu 1800 Meter Tiefe liegt eine Sandsteinsedimentschicht von etwa 250 Quadratkilometern, das entspricht der Größe von Dresden, sie reicht bis nach Mecklenburg, sechs Dörfer sind darauf verteilt. Gazprom prüft noch einen weiteren Standort im mecklenburgischen Hinrichshagen, hier könnten fünf Milliarden Kubikmeter Gas unterkommen - zusätzlich oder alternativ, das ist noch offen.

Einen Gasspeicher von so riesenhaften Dimensionen gibt es auf dem Kontinent sonst nur in der Ukraine. Der russische Konzern Gazprom hat keinen Zugriff auf dieses Depot, und weil er ohnehin schon lange unabhängig von den Diensten der Ukrainer werden will, müssen eigene Lagerstätten her.

Wenn erstmal die Ostsee-Pipeline gebaut ist, fließen jedes Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Westsibirien über Greifswald nach Westeuropa, sagt Gazprom-Sprecher Burkhard Woelki. "Wir brauchen diesen Gasspeicher, um eine vernünftige Anbindung an das Pipeline-Netz zu haben." Vor allem aber sei der Riesenspeicher nötig, "um die Versorgungssicherheit in Deutschland herzustellen".

Speichern für Wirtschaftlichkeit

Neben Sorgen um die Energiesicherheit dürften bei Gazprom vor allem wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen. Gas wird besonders im Winter verbraucht, im Sommer fallen die Preise, und nur wer große Speicher hat, kann die Schwankungen ausgleichen und mit kontinuierlichem Gewinn produzieren. Bis zu einer Milliarde Euro wollen die Russen nun in den märkischen Sandboden investieren - vorausgesetzt, die "Renditerechnung" stimmt und die geologischen Erkundungen ergeben keine Sicherheitsbedenken, heißt es bei Gazprom.

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Erschütterungen in der Mark Brandenburg

Die Landesregierung hört das gern. "Brandenburg wird zur Gasdrehscheibe Europas. Wir haben jetzt die Chance, bei diesen neuen Technologien ganz vorn mit dabei zu sein", sagt der Sprecher von Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns. Der CDU-Politiker setzt seit langem auf Energiewirtschaft, die in Brandenburg schon in der DDR Tradition hatte. Gegen alle Proteste von Umweltschützern unterstützt er den Ausbau des Braunkohleabbaus und neue Methoden der CO2-Lagerung, aber auch die Herstellung regenerativer Energien. Das hat dazu geführt, dass Brandenburg bei Produktion und Verbrauch klimafreundlichen Stroms bundesweit an der Spitze liegt - aber auch doppelt so viel Kohlendioxid in die Luft bläst wie der Rest der Republik.

"Das Leben ist lebensgefährlich"

Jetzt soll also auch noch Erdgas kommen, und wer den Bürgermeister von Wittstock fragt, was er davon hält, dass seine Region bald auf einer enormen Gasblase leben könnte, hört am anderen Ende der Leitung ein Lachen und dann: "Das Leben ist lebensgefährlich." Jörg Gehrmann meint das natürlich nicht ernst, er begrüßt die Idee eines Gasspeichers, Sicherheitsbedenken hat er nicht. "Jeder Gasbehälter, der in einem Vorgarten steht, ist gefährlicher." Der Bürgermeister hofft auf einen Schub fürs örtliche Handwerk, zehn bis 15 Anwohner könnten an der Pumpstation Arbeit finden, vor allem als Wachleute. Immerhin, sagt Gehrmann. Er hofft, dass Gazprom bei Wittstock eine Niederlassung anmeldet und ordentlich Gewerbesteuer zahlt.

Fragt man den Gazprom-Sprecher, ob solch eine Niederlassung geplant ist, sagt er: "Nö. Die Niederlassung von Gazprom Westeuropa ist in Berlin." Was hätte Brandenburg dann eigentlich von der Sache, mal abgesehen von dem eher abstrakten Wert, Gasdrehscheibe Europas zu sein? Nichts - außer Risiken, sagt Burkhard Voß, der Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz Brandenburg. Die unterirdische Lagerung von Gas, so meint er, ist "relativ sicher, aber nicht völlig sicher".

Er erzählt dann von einem DDR-Dorf namens Knoblauch, das evakuiert wurde, als Gas aus einem Erdspeicher entwich. Größte Bedenken hat Voß auch, weil Teile des geplanten Speichers unter dem "Bombodrom" liegen würden. Auf dem Truppenübungsplatz hat die Rote Armee Tieffliegerangriffe geübt, jetzt will die Bundeswehr das Gelände nutzen, drei Bundesländer klagen dagegen. Was, wenn sie unterliegen, fragt der Umweltschützer. "Dann hantieren die oben mit Bomben und unten mit Gas."

Im Landesbergamt Brandenburg ist man bemüht, solche Ängste abzubauen. Mit der DDR könne man die moderne Gastechnologie nicht vergleichen, sagt Landesbergamtspräsident Klaus Freytag. "Mir ist ein entsprechender Schadensfall in den letzten 30 Jahren auch nicht bekannt." 1500 Meter Deckengebirge liegen über dem porösen Sandstein, der das Gas aufnehmen soll, erklärt er. Nun werde "sehr genau geprüft", ob dieser Deckel aus Lehmschichten und Granit dicht sei und das Gas auch nicht anderswo entweichen könne. 2011 sollen die Erkundungen abgeschlossen sein.

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