Geplante Reform:Gewaltkur für Krankenhäuser

Krankenkassen warnen vor unnötigen Operationen

Operationssaal in Köln (Symbolbild): Die Regierung plant eine umfassende Reform der Krankenhäuser.

(Foto: dpa)
  • Viele Krankenhäuser sind nicht rentabel und sparen bei Personal und medizinischen Leistungen.
  • Die Regierung will den Krankenhaussektor deswegen grundsätzlich reformieren.
  • Nach den Plänen sollen etwa Krankenhäuser in Zukunft nach Qualität bezahlt werden.

Von Guido Bohsem, Berlin

Im Krankenhaus treffen an jedem Tag unendliches Leid und grenzenloses Glück aufeinander. Wie an kaum einem anderen Ort vertrauen die Menschen ihr Schicksal in der Klinik anderen Menschen an. Ärzten, Pflegern, Schwestern. Das Krankenhaus ist ein Schicksalsort. Doch es hat auch eine wirtschaftliche Dimension. Die Kliniken sind großer Arbeitgeber und Steuerzahler, wichtige Unternehmen.

Doch vielen Häusern geht es schlecht. Rund 42 Prozent schrieben 2013 Verluste, viele erwarten auch im kommenden Jahr keine Besserung. Um über die Runden zu kommen, haben viele Häuser die Zahl der Operationen deutlich gesteigert. Und zwar so stark, dass Patienten inzwischen befürchten müssen, nicht nur aus medizinischen Gründen auf dem OP-Tisch zu landen, sondern auch aus wirtschaftlichen. Andere Häuser haben ihren Personalstand drastisch runtergefahren. Damit sich die wirtschaftliche Krise der Kliniken nicht zu einer Vertrauenskrise der Patienten ausweitet, möchte die große Koalition den Krankenhaussektor gründlich umkrempeln. Am Freitag legte eine Kommission von Experten aus Bund und Ländern Eckpunkte für eine Reform vor. Das wichtigste Ziel dabei ist, für mehr Qualität zu sorgen.

Die Süddeutsche Zeitung erklärt die einzelnen Punkte und was sie für die Patienten bedeuten. Nach den Plänen der Politiker sollen die Krankenhäuser in Zukunft nach Qualität bezahlt werden. Das könnte greifen, wenn in einer Klinik zum Beispiel Blinddarm-Operationen deutlich besser gelingen als in anderen Krankenhäusern. Denn auch bei einem so alltäglichen Eingriff kommt es sehr darauf an, welches Krankenhaus ihn vornimmt. Nach Daten des wissenschaftlichen Instituts der AOK treten in den schlechtesten Kliniken Komplikationen in 7,88 Prozent der Fälle auf, während der Wert in den besten Häusern nur bei 3,23 Prozent liegt. Dort reißen etwa die Wunden seltener wieder auf. Es kommt nicht so oft zu Blutvergiftungen, und ungeplante Folgeeingriffe sind so gut wie nie notwendig. Ein neues Qualitäts-Institut soll die notwendigen Daten ermitteln.

Mit dem Vorhaben will die Koalition erreichen, dass nicht mehr alle Krankenhäuser jeden Eingriff anbieten, sondern die Häuser vor allem das machen, was sie am besten können. In der Folge könnten daher in einigen Häusern Abteilungen geschlossen und Betten abgebaut werden. Im Gegenzug würden diese Kapazitäten aber an anderer Stelle wieder neu entstehen.

Strukturfonds

Ein zentrales Problem der deutschen Krankenhäuser ist die Konkurrenz. Es gibt einfach zu viele Kliniken, um alle wirtschaftlich betreiben zu können. Das belegen Vergleiche beispielsweise mit den Niederlanden. Die Konkurrenz führt zu teurem Leerstand. So wies Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kürzlich darauf hin, dass im Jahresschnitt von den 501 000 Krankenhausbetten etwa 113 000 leer stehen. Das Schließen einer Klinik ist jedoch kostspielig - mit der nötigen Summe könnte man das fragliche Haus in der Regel noch bis zu eineinhalb Jahre unterhalten. Nun ist ein Fonds geplant, um diesen Prozess künftig zu erleichtern.

Mit bis zu einer Milliarde Euro sollen überflüssige Abteilungen oder ganze Kliniken geschlossen werden. Die Hälfte des Geldes sollen die Krankenkassen stellen, die andere Hälfte die Länder. Mit den Mitteln können die Häuser auch zu Behandlungszentren umgewandelt werden oder beispielsweise in Pflegeeinrichtungen. Ziel ist es, die Zahl der Betten und Häuser abzubauen und somit den Konkurrenzdruck zu nehmen.

Kassenverträge

Viele Kliniken versuchen, die Zahl ihrer Operationen deutlich zu steigern, um so mehr Einnahmen zu erzielen. Das konnte man zuletzt an der dramatisch gestiegenen Zahl von Hüft- oder Knieoperationen ablesen - obwohl der Zusammenhang von der Krankenhausgesellschaft immer bestritten wurde. Tatsächlich ist die Zahl dieser Eingriffe hierzulande deutlich höher als in den meisten Nachbarstaaten, obwohl die Knie und Hüften der Deutschen nicht schlechter sein dürften. Die Kommission will nun den Kassen erlauben, für besonders häufige Operationen Verträge mit ausgesuchten Kliniken abzuschließen. Das ist ein deutlicher Bruch. Bislang müssen die Kassen mit jeder Klinik einen Behandlungsvertrag schließen, egal, ob sie die Behandlung für hochwertig halten oder daran zweifeln. Um unnötige Operationen zu vermeiden, wird diskutiert, ob auch das Verfahren zur Zweitmeinung nochmals verschärft werden kann. Welche Operationen für die Kassenverträge infrage kommen, soll der gemeinsame Bundesausschuss (GBA) aus Ärzten, Kassen und Krankenhaus-Vertretern entscheiden.

Pflegeoffensive

Um wirtschaftlich über die Runden zu kommen, haben viele Kliniken in den vergangenen Jahren massiv Personal abgebaut. Weil gleichzeitig die Zahl der Patienten zugenommen hat, knirscht es inzwischen gewaltig im Betrieb. Vor allem mangelt es an Pflegern und Schwestern, die für die Betreuung der Patienten auf der Station zuständig sind. Damit sich das wieder ändert, plant die Kommission zwei Dinge: Mit 660 Millionen Euro sollen in den nächsten drei Jahren solche Stellen massiv gefördert werden. Zudem wird erwogen, die Vergütung der Kliniken stärker auf die Betreuung auf den Stationen auszurichten. Vorschläge dazu könnten bis Ende 2017 von einer eigens eingerichteten Kommission erarbeitet werden.

Notfallversorgung

Aus Konkurrenzgründen haben viele Krankenhäuser ihre Notfallversorgung eingestellt. Die Strafzahlungen, die schon jetzt für diesen Fall vorgesehen sind, reichen nach Einschätzung der Kommission nicht aus, um das zu verhindern. Künftig soll es wieder lohnender sein, selbst eine Notfallversorgung zu betreiben als es anderen zu überlassen.

Unikliniken und Fallpauschalen

Auch für die Unikliniken soll es künftig mehr Geld geben. Die hochkomplexen Krankheiten und Verletzungen, die dort behandelt werden, deckt das Fallpauschalensystem derzeit nicht ausreichend ab. Überhaupt soll das System der Fallpauschalen grundsätzlich verbessert werden. So soll das zuständige Institut künftig alle Kliniken zwingen können, die zur Berechnung notwendigen Daten zur Verfügung zu stellen. Das verweigern viele Häuser derzeit.

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