Gepflegte Konkurrenz:Kölsch gegen Alt

Beim Karneval wie beim Bier verstehen Kölner und Düsseldorfer keinen Spaß. Trotz geografischer Nähe ist sich jede Stadt selbst genug. Ein Alt in Köln zu trinken, scheint ausgeschlossen. Ein Kölsch in Düsseldorf ist mindestens ebenso undenkbar.

Von Philipp Selldorf

Fragt man einen Kölner, was er von Altbier hält, antwortet er üblicherweise, dass er das nicht wisse, weil er noch kein Alt getrunken habe, und dass er auch nicht vorhabe, das jemals zu tun. Warum sollte er denn? Selbstverständlich gibt es auch Kölner, die sich dazu bekennen, dass sie schon Altbier getrunken hätten, aber oft ist das dann kein Bekenntnis aus Überzeugung, sondern hat eher den Charakter eines abenteuerlichen oder exotischen Erlebnisses. So wie man schon mal Aal in Gelee oder Schnecken in pikanter Tomatensoße gegessen hat, so hat man halt auch schon mal Kontakt mit Altbier gehabt.

Zwischen den rheinischen Hauptstädten verläuft eine unsichtbare Grenze. Sie gründet nicht auf den Folgen der Schlacht von Worringen im Jahr 1188 oder auf anderen historischen Konflikten. Sie geht auch nicht auf ideologische Gegensätze zurück, selbst wenn das im Karneval oder in Witzen oft thematisiert wird. Sie beruht vor allem auf der Überzeugung der Bewohner, sich selbst genug zu sein. Man ignoriert sich gegenseitig, so gut man eben kann. Trotz regelmäßig anderslautender Ankündigungen aus dem Straßenverkehrsamt ist es immer noch so, dass auf den Kölner Straßen (fast) kein Schild den Weg nach Düsseldorf weist. Man wird auf diverse Autobahnen geleitet, nach Krefeld oder Neuss, nach Euskirchen, Schleiden oder Olpe, aber in die nächstgelegene Großstadt muss der Fremde allein finden. Das hat vor mehr als einem Jahrzehnt auch den aus Düsseldorf stammenden Filmregisseur Wim Wenders irritiert, in einem Buch über die kölsche Band Bap ("Viel passiert") sinnierte er über das seltsam distanzierte Verhältnis der beiden rheinischen Zentren. Dass in Köln kein Schild nach Düsseldorf weise, das habe wohl damit zu tun, "dass die Kölner sich sehr mit ihrer Stadt begnügen", mutmaßte Wenders. Umgekehrt gilt freilich das Gleiche. In Düsseldorf ist folgender Witz populär: "Ein Berliner und ein Kölner springen von der Brücke. Wer kommt zuerst an? Einerlei. Hauptsache, der Kölner springt." Diesen Witz kennt man allerdings auch in Köln, bloß, dass dort ein Düsseldorfer springt.

In Kölner Kneipen gibt es auch Tegerseer Helles. Aber bitte bloß kein Düsseldorfer Alt

Schwieriger als heim nach Düsseldorf zu finden, ist es für Düsseldorfer, in Köln ein Altbier aufzutreiben. Es ist einfach nicht üblich in Kölner Kneipen und Brauhäusern, die Spezialität aus der nahen und doch so fernen Nachbarstadt zu servieren. In den meisten Gastwirtschaften, ob Szene-, Studenten- oder Eckkneipen, kommen Pils und Weißbier aus allen Ecken Deutschlands vor, Münchner Augustiner und Tegernseer Helles, und die international vertriebenen Marken aus Mexiko und Tschechien und Irland, die gibt es sowieso - aber ein Frankenheimer oder Schumacher Alt aus dem kaum weiter als 30 Kilometer stromabwärts gelegenen Düsseldorf, das muss man mit viel Mühe suchen und dann auch meist vergeblich. Warum das so ist? Ganz sicher nicht deshalb, weil sich Kölsch-Trinker nicht als Altbier-Trinker eignen (und umgekehrt). Beide Biere sind ja enge Verwandte. Sie werden obergärig gebraut, das heißt, es wird obergärige Hefe benutzt. Der offensichtliche Unterschied zwischen Alt und Kölsch besteht in der Farbe. Da die Malzkörner beim Alt länger geröstet werden, ist es deutlich dunkler als Kölsch. Es schmeckt dadurch herber und ein bisschen bitterer, dennoch tendieren die beiden Sorten in eine ähnliche Richtung. Auch das jeweils typische Gefäß zeugt von der familiären Beziehung der zwei Biere: In Düsseldorf ist es das zylindrische Glas, in Köln die Kölsch-Stange, beide sind mit 0,2 Liter zu füllen. Größere Einheiten sind zwar in der Außengastronomie durchaus verbreitet, bedeuten aber an beiden Orten einen Stilbruch und bringen Geschmacksverlust. Sowohl Alt als auch Kölsch sollten nach dem Zapfen schnell getrunken werden, um die Frische im Geschmack zu erhalten.

Während Alt auch in Westfalen und anderen entlegenen Gegenden gebraut werden darf - sogar in Köln -, ist Kölsch eine an die Herkunft geknüpfte Schutzmarke, darüber wacht einerseits die Kommission der Europäischen Gemeinschaft und andererseits die sogenannte Kölsch-Konvention des Kölner Brauerei-Verbandes. Wie in einer nationalen Verfassung geht dem Grundgesetz des Kölsch' eine Präambel voraus. Darin heißt es: "Die Bezeichnung Kölsch ist seit alters her eine qualifizierte geografische Herkunftsbezeichnung für nach dem Reinheitsgebot hergestelltes helles, hochvergorenes, hopfenbetontes, blankes obergäriges Vollbier, die von den beteiligten Wirtschafts- und Verkehrskreisen, von Verwaltungsbehörden und Gerichten sowie in zwischenstaatlichen Abkommen über den Schutz von Herkunftsbezeichnungen anerkannt und bestätigt worden ist." In dieser Ansage äußert sich der Alleinvertretungsanspruch der eingesessenen Kölner Brauereien, vor allem aus wirtschaftlichen, aber auch aus kulturellen respektive lokalpatriotischen Motiven. Es gilt, Irreführungen, Verwechslungen und Verwässerungen der Marke entgegenzuwirken.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Köln und Düsseldorf kein zweites Nordirland darstellen, weil Kölner und Düsseldorfer aus Überzeugung unterschiedliche Biervorlieben pflegen. Die Bier-Konfessionen stehen nicht zwischen den Menschen. Wenn Wirte und Brauereien die ungefähr bei Leverkusen liegende Demarkationslinie überschreiten, müssen sie keine Anfeindungen befürchten. Im "Eigelstein" an der Hammer Straße in Düsseldorf wird seit mehr als zehn Jahren ergiebig und erfolgreich Kölsch serviert. Und in Köln gibt es zwei private Brauereien, die auch Alt herstellen. Anna Heller, Juniorchefin des gleichnamigen Familienbetriebs, wurde schlagartig zur Medien-Berühmtheit, als sie bekannt machte, das Sortiment zu erweitern. "Manche", so sagte sie, "konnten es wirklich nicht fassen."

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