Gentechnik-Kritikerin Robin:"Das System Monsanto ist in Gefahr"

Marie-Monique Robin über die gescheiterte Lobbyarbeit des Agrarkonzerns Monsanto, die Folgen des Genmais-Verbots und die Macht der Verbraucher.

Tobias Dorfer

Monsanto ist der mächtigste Agrarkonzern der Welt. Das sogenannte Schweinepatent hat das Unternehmen genauso entwickelt, wie den Genmais Mon810. Am vergangenen Dienstag hat die Bundesregierung den Anbau von Mon810 in Deutschland verboten - für Monsanto eine empfindliche Niederlage. Der Konzern zieht mit seinen Produkten regelmäßig die Wut von Gentechnik-Gegnern auf sich. Die französische Dokumentarfilmerin Marie-Monique Robin hat für ihre Reportage "Mit Gift und Genen" drei Jahre über Monsanto recherchiert. In ihrem Film zeigt die Journalistin, wie der Agrarkonzern Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt - und wirft dem Unternehmen vor, die Gefahren der grünen Gentechnik zu vertuschen.

Robin, Genmais

Die französische Journalistin Marie-Monique Robin hat drei Jahre über Monsanto recherchiert. Sie sagt, dass der Agrarkonzern nach dem Genmais-Verbot in Deutschland praktisch tot sei.

(Foto: Foto: Dominique Robin, AP, dpa)

sueddeutsche.de: Seit Dienstag ist der Anbau von Genmais in Deutschland verboten. Hat Sie diese Entscheidung überrascht?

Marie-Monique Robin: Ich muss zugeben, dass mich die Standhaftigkeit der Deutschen erstaunt hat. Hier gibt es einen recht breiten Konsens quer durch Politik, Verbraucher und Landwirte, dass Gentechnik nicht wünschenswert ist. In Frankreich, wo sich sogar die größte landwirtschaftliche Gewerkschaft für die grüne Gentechnik ausspricht, ist das anders.

sueddeutsche.de: Der Mon810-Hersteller Monsanto gilt als Meister des politischen Ränkespiels. Wie konnte es zu dieser Niederlage kommen?

Robin: Monsanto nimmt sehr stark Einfluss auf Entscheidungen der Politik - in den USA und in Europa. Die Lobbyismus-Maschinerie ist riesig. In einer Reportage wird gezeigt, wie der Leiter der Abteilung Biotechnologie im Bundesamt für Verbrauchersschutz und Lebensmittelsicherheit sagte, Mon810 sei unbedenklich. Dabei hat er enge Verbindungen zu Monsanto. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.

sueddeutsche.de: Zugleich gibt es in Deutschland auch eine breite Front von Monsanto-Gegnern. Naturschützer, Imker, Kirchenvertreter, sogar Feuerwehren machen gegen den Konzern mobil. Hat Monsanto das unterschätzt?

Robin: Ja, das haben sie. Aber noch viel mehr unterschätzt hat Monsanto die europäischen Verbraucher, die gentechnisch veränderte Produkte nicht haben wollen. Die Entscheidung von Landwirtschaftsministerin Aigner gegen Mon810 ist auch ein Resultat dieser Entwicklung. Jetzt ist der Genmais verboten. Das ist für Monsanto eine Katastrophe und bedeutet möglicherweise das Ende der Aktivitäten in Deutschland.

sueddeutsche.de: In ihrem Film prangern sie an, in den USA seien Entscheidungen zugunsten Monsantos auf politischen Druck und ohne wissenschaftliche Aspekte gefallen. Kritiker des deutschen Neins sagen dasselbe. Die Forschung hat auf beiden Seiten des Atlantiks offenbar nicht viel zu sagen.

Robin: So ist es. Das liegt jedoch daran, dass es keine wissenschaftlichen Studie gibt, welche die langfristige Wirkung von Gen-Lebensmitteln erforscht. Weder die Unbedenklichkeit noch die Schädlichkeit ist bewiesen. Die Industrie muss beweisen, dass die Produkte sicher sind. Zwei Forscher haben ihre Jobs verloren, nachdem sie für Monsanto belastende Ergebnisse erzielt haben.

sueddeutsche.de: Sie fordern also erst einmal eine verlässliche Studie?

Robin: Ja. Sehen Sie, Mon810 ist ein Insektizid-Mais. Diese Pflanze stellt 24 Stunden am Tag ein Gift her. So muss das auch getestet werden. Solche Studien dauern mindestens zwei Jahre. Ich selbst esse nur Bio-Fleisch und brauche keine Gen-Lebensmittel. Aber wenn so etwas schon in die Läden kommt, dann muss die Unbedenklichkeit sorgfältig bewiesen worden sein.

Im zweiten Teil: Warum das Genmais-Verbot in Deutschland das Geschäftsmodell von Monsanto bedroht - und wie der Agrarkonzern auf die Niederlage reagieren kann.

"Monsanto ist in Europa praktisch tot."

sueddeutsche.de: In anderen Ländern - vor allem in den USA, Asien und Lateinamerika - ist die grüne Gentechnik längst Realität. In Deutschland dagegen werden nicht einmal 4000 Hektar Ackerfläche mit Genmais besät. Wie wichtig ist der deutsche Markt für Monsanto?

Robin: Auch wenn es auf den ersten Blick anders scheint - sehr wichtig. In Europa wird viel Mais und Raps angebaut, das wäre ein großer Markt für Monsanto. Noch wichtiger ist jedoch, dass die Entscheidung Deutschlands gegen den Genmais auch Einfluss haben wird auf Länder wie Argentinien und Paraguay, wo die grüne Gentechnik bereits Realität ist.

sueddeutsche.de: Wie sieht dieser Einfluss aus?

Robin: Vor etlichen Jahren wollte Monsanto in den USA eine Sorte Gen-Weizen auf den Markt bringen. Doch die Landwirte, die sonst Gen-Soja und Genmais anbauen, starteten eine große Kampagne gegen den Gen-Weizen. Warum? Weil sie ihren Weizen nach Europa liefern und diesen Markt nicht verlieren wollten.

sueddeutsche.de: Europa hat als Abnehmer von Getreide also eine Schlüsselrolle?

Robin: Ja. Dazu kommt, dass Monsanto derzeit zwar an Genpflanzen nur Mais, Baumwolle, Raps und Soja vertreibt. Aber die haben noch viel mehr in der Pipeline: In absehbarer Zeit wollen sie auch genveränderte Zucchini, Kartoffeln und Tomaten verkaufen.

sueddeutsche.de: Neben Deutschland haben auch Frankreich, Ungarn, Österreich, Griechenland und Luxemburg den Anbau von Mon810 verboten. Wie stark ist Monsanto in Europa jetzt überhaupt noch?

Robin: Monsanto ist in Europa praktisch tot. Jetzt eine neue Gen-Pflanze zu etablieren, wird sehr schwer. Noch schlimmer für den Konzern ist jedoch, dass ein ganzes System in Frage gestellt wird.

sueddeutsche.de: Ein System?

Robin: Das System Monsanto basiert auf den Patenten für die Gen-Pflanzen. Damit schafft Monsanto eine große Abhängigkeit.

sueddeutsche.de: Die Abhängigkeit von großen Konzernen fürchten Landwirte auch bei Nutztieren, wie die Proteste gegen das sogenannte Schweinepatent zeigen. Doch ist es nicht so, dass Landwirte immer von Agrarkonzernen abhängig sind, egal ob sie Monsanto heißen oder nicht?

Robin: Auf herkömmliches Saatgut gibt es in Europa keine Patente. Anders ist es bei gentechnisch veränderten Pflanzen. Wer solche Organismen anbaut, muss vertraglich zusichern, keine Ernte einzubehalten, sondern die neue Saat beim Konzern zu kaufen. Jedes Jahr. Das System von Monsanto basiert auf Patenten - und dieses System ist jetzt gefährdet.

sueddeutsche.de: Wie wird Monsanto reagieren?

Robin: Ich wüsste nicht, was sie dagegen machen können. Es wird sehr schwer sein, diese Entscheidung gerichtlich anzufechten. Schlimmer als die juristische Niederlage und die daraus resultierenden Verluste ist jedoch ein wichtiger Punkt: Monsanto hat den Meinungskrieg in Europa verloren.

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