Gentechnik:Feindesland für Zauberlehrlinge

Teufelszeug oder Chance im Kampf gegen den Hunger: Während in Europa der Streit um die grüne Gentechnik blüht, geht in den USA und in China schon die Saat auf.

Daniela Kuhr

Man müsse sich das ähnlich vorstellen wie ein Taxi, sagt Karin Herbers auf dem Weg zum Labor. "Nehmen wir an, es geht um zwei bestimmte Gene, die wir von einer Pflanze zur anderen übertragen wollen." Die 46-Jährige mit den kurzen blonden Haaren öffnet einen Schrank im Flur und entnimmt ihm Kittel und Schutzbrille."

Gentechnik: Glauben ist alles: Der Streit zwischen Befürwortern und Gegnern grüner Gentechnik ist unentschieden.

Glauben ist alles: Der Streit zwischen Befürwortern und Gegnern grüner Gentechnik ist unentschieden.

(Foto: Foto: ddp)

Dann stehen wir nicht etwa mit einer winzigen Schere vor dem Mikroskop und schneiden die Gene aus der ersten raus, um sie in die zweite reinzukleben." Bei der Vorstellung muss sie lachen. "Stattdessen hilft uns ein Bakterium, das quasi in unserem Auftrag Gene von einer Pflanze zur anderen bringt." Eine Art Gentaxi eben, sagt sie und öffnet die Tür zum Labor.

Manipulierung oder Optimierung?

Karin Herbers leitet den Forschungsbereich von BASF Plant Science, der Pflanzentechnologie-Sparte von BASF. Das Konzerngelände in der Nähe von Ludwigshafen erinnert an einen großen Bauernhof. Neben den Verwaltungsgebäuden mit den Labors steht ein altes Gutshaus, umgeben von Gewächshäusern, Feldern und einzelnen Bäumen. Herbers weiß, dass ihre Arbeit vielen Menschen Angst macht. Auf diesem Gelände, in diesen Labors entsteht neues Leben. Leben, wie es die Natur nicht hinbekommt. "Manipuliertes Leben", sagen Kritiker. "Optimiertes Leben", sagt Karin Herbers.

Kaum ein Thema wird derzeit so kontrovers diskutiert, wie die angeblichen Vor- und Nachteile der grünen Gentechnik, also dem Teil der Gentechnik, der sich mit Pflanzenzüchtung befasst. Die Befürworter halten ihren Einsatz für lebenswichtig. Sie sind überzeugt, dass sich Pflanzen entwickeln lassen, die Krankheiten, Schädlingen, Wassermangel oder Klimaschwankungen standhalten. Das trage nicht nur zu einer effizienteren Landwirtschaft bei, sondern könne auch helfen, die weltweite Lebensmittelkrise zu mildern.

20 Jahre Forschung

Nach Ansicht von Gentechnik-Kritikern ist das naiv. Als sich in dieser Woche in Bonn 3000 Vertreter aus 150 Ländern trafen, um die Haftung beim Einsatz von Gentechnik zu regeln, veranstalteten alternative Umwelt- und Entwicklungsorganisationen aus 100 Ländern prompt einen Gegengipfel. In ihren Augen ist Gentechnik ein Fluch, da sie Monokulturen begünstige und Abhängigkeiten schaffe. Sie glauben auch nicht daran, dass man nur die richtigen Regeln treffen müsse, um die Gefahren einzudämmen. Stattdessen halten sie Gentechnologie für Hexenwerk und Gen-Forscher für Zauberlehrlinge - die unheilvolle Geister wecken und sie dann nicht mehr beherrschen.

Karin Herbers könnte so ein Zauberlehrling sein. Die Forscher von BASF Plant Science haben eine Kartoffel mit dem Namen Amflora entwickelt. Sie ist nicht zum Verzehr gedacht, sondern weist eine spezielle Stärkezusammensetzung auf, die ideal für die Papierproduktion sein soll. Nach knapp 20 Jahren Forschung - im Labor, im Gewächshaus und im Freilandversuch - hatte BASF fest darauf vertraut, in diesem Jahr endlich mit dem kommerziellen Anbau der Amflora beginnen zu können. Schließlich hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, kurz Efsa genannt, keine Bedenken angemeldet.

Von ihrer Meinung überzeugt

Doch die EU-Kommission tat sich schwer mit der Zulassung. Vergangene Woche entschied sie plötzlich, dass die Efsa die gesundheitlichen und ökologischen Risiken der Amflora erneut prüfen solle. Eine Entscheidung ganz im Sinne von Ulrike Brendel, Gentechnik-Expertin bei Greenpeace. Da bei der Amflora-Kartoffel ein Gen verwendet worden sei, das unter gewissen Umständen bei Bakterien eine Antibiotikaresistenz bewirke, sei der Anbau unverantwortlich. "Es wäre wahnsinnig, wenn man das zulassen würde", sagt die 37-Jährige. Karin Herbers schüttelt den Kopf, als sie das hört. "Alles, was da zusammenkommen müsste, ist so gänzlich fern von einem realistischen Szenario, dass man sagen muss: Nein, es gibt keine Gefahr."

Herbers und Brendel sind von dem, wofür sie eintreten, absolut überzeugt. Beide halten die Meinung des jeweils anderen für geradezu gefährlich. "Die Gentechnologie ist und bleibt eine Risikotechnologie, bei der es immer wieder zu unvorhersehbaren Effekten kommen wird", sagt Brendel. Herbers hält dagegen: "Sollte Deutschland die Forschung in diesem Bereich einstellen, würden wir uns freiwillig von einer innovativen Technologie abschneiden. Etwas Dümmeres gibt es doch gar nicht."

Lesen Sie weiter, warum die Risiken der Gentechnik zwischen Gegnern und Befürwortern umstritten sind.

Feindesland für Zauberlehrlinge

Für BASF steht viel auf dem Spiel. Seit 1998 hat die Konzerntochter BASF Plant Science eine Milliarde Euro in die Forschung und Entwicklung von Pflanzenbiotechnologie gesteckt. Neben der Kartoffel arbeiten die Gentechniker unter anderem an Ölpflanzen, die einen hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren aufweisen, oder an Weizen, der gegen Schadpilze resistent ist. "Bislang haben wir noch kein Produkt, mit dem wir Geld verdienen", sagt Ralf-Michael Schmidt, Vize-Präsident von BASF Plant Science.

Die Amflora sollte das erste sein. Auf 20 bis 30 Millionen Euro pro Jahr schätzt er die Lizenzgebühren, die sich mit der Stärkekartoffel verdienen ließen. Doch nach dem vorläufigen Nein der EU wird nun daraus zunächst nichts mehr. Warum die EU die Zulassung verweigert, weiß Schmidt nicht. "Ich vermute, dass es politische Gründe sind", sagt der 50-Jährige.

Mehr Glauben als Wissenschaft

"Good food statt Genfood", steht auf dem Transparent, das drei junge Demonstranten am Montag in Bonn vor sich hertragen. Hinter ihnen folgen mehrere überdimensionale Maiskolben, in denen weitere Protestler stecken. Traktoren fahren dicht aneinandergedrängt an den Fußgängern vorbei. "Für biologische Vielfalt - regional, fair, gentechnikfrei", steht auf einem ihrer Plakate.

Es ist ein breites internationales Bündnis von etwa 80 Agrar- und Umweltorganisationen, das sich da versammelt hat, um parallel zu der UN-Konferenz in Bonn gegen Hunger, Artensterben und Gentechnik zu demonstrieren. "Die Agro-Industrie führt die Welt in die Krise", ruft Vandana Shiva, indische Umweltschützerin und Trägerin des alternativen Nobelpreises, auf einer Kundgebung.

Vieles, was Kritiker oder Befürworter zur grünen Gentechnik sagen, hat weniger mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun als mit Glauben - und vielleicht auch mit Hoffen. Die neuen Techniken würden sich so rasant entwickeln, dass die langfristigen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit noch gar nicht wirklich untersucht seien, schrieb der Weltagrarrat der UN Mitte April.

0,1 Prozent der Flächen in Europa

Umgekehrt seien aber auch die Vorteile noch nicht erforscht. Auch die Deutschen sind gespalten: Umfragen zeigen, dass die Mehrheit den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen bei der Lebensmittelproduktion ablehnt. "Vor diesem Hintergrund ist es für einen Politiker natürlich schwer, sich für Gentechnik einzusetzen", sagt Schmidt.

Andere Länder haben damit weniger Probleme. Weltweit werden mittlerweile auf 114 Millionen Hektar gentechnisch veränderte Nutzpflanzen wie Soja, Mais, Baumwolle und Raps angebaut. Weit vorn liegen die USA, gefolgt von Argentinien, Brasilien, Kanada, Indien und China.

In Europa wurden 2007 gerade einmal auf 110.000 Hektar Genpflanzen angebaut, das sind 0,1 Prozent der weltweit dafür genutzten Fläche - und es ging dabei ausschließlich um Mais. Das ist die einzige Pflanze, die bislang für den kommerziellen Anbau in Europa zugelassen ist. Doch selbst da mehren sich die Bedenken. So haben etwa Frankreich und Rumänien den Anbau gestoppt, weil es Hinweise darauf gibt, dass das in dem Mais enthaltene Insektengift auch nützliche Tiere schädigt.

Labormäuse wurden lungenkrank

In Deutschland dagegen säen Bauern in diesen Tagen munter aus. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer hatte das - nach einer kurzen Unterbrechung - wieder erlaubt. Zum Ärger von Greenpeace-Aktivistin Ulrike Brendel. "Das Gift dieser Maissorte ist nichts, worüber man spekulieren müsste. Es lässt sich im Boden messbar nachweisen", sagt sie und kramt aus einem Ordner das entsprechende Schriftstück hervor.

Feindesland für Zauberlehrlinge

"Natürlich kann man sagen, dass einem die Käfer, die davon sterben, wurscht sind." Aber die Sache mit dem Mais sei ja nur ein Beispiel für die Gefahren der Gentechnik generell. "Die Auswirkungen sind einfach nicht vorhersehbar." In Australien gab es kürzlich einen Fall, in dem der Verzehr von Gen-Erbsen Labormäuse plötzlich lungenkrank machte. "Da hatten Forscher jahrelang experimentiert, aber diese Folge kam dann doch überraschend", sagt Brendel. "Man wird nie jede denkbare Wirkung auf Umwelt und Tiere im Voraus testen können."

"Das stimmt", räumt Karin Herbers ein. "Aber auch bei der konventionellen Züchtung besteht die Gefahr, dass Unerwünschtes passiert." So sei es bei Kartoffelkreuzungen vorgekommen, dass sich plötzlich der Gehalt an dem giftigen Solamin erhöht habe. Das Gen, das für die Amflora verwendet worden sei, stamme schließlich auch nur aus der Natur. "Wir haben es in den Bodenbakterien gefunden, und wir nehmen es beispielsweise zu uns, wenn wir Salat essen", sagt die Biologin. "Ständig nehmen wir Milliarden Gene zu uns, sie werden verstoffwechselt und ausgeschieden, na und?"

Plötzlich auf dem Lebensmittelmarkt

Vize-Präsident Schmidt ist überzeugt, dass die Risiken der Gentechnik keinen Deut größer sind als die der konventionellen Züchtung. "Ich möchte fast sagen: im Gegenteil." Die Zulassungsvoraussetzungen und Auflagen seien um ein Vielfaches höher, stellt er klar. Bei der Amflora-Kartoffel seien außerdem unerwünschte Auskreuzungen unwahrscheinlich. Ausnahmsweise sieht Greenpeace das genauso.

"Anders als bei Mais oder Raps ist die Gefahr, dass die Pollen von Gen-Kartoffeln auf benachbarte Felder gelangen, tatsächlich gering", bestätigt Brendel. Doch die Amflora könne ja auch erst bei der Ernte oder der Lagerung oder dem Transport mit normalen Kartoffeln vermischt werden. "Und dann landet sie auf einmal auf dem Lebensmittelmarkt."

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bei ihrem Regierungsantritt die grüne Gentechnik ausdrücklich als eine "innovative Branche der deutschen Wirtschaft" bezeichnet. Die Ängste der Bevölkerung hielt die Physikerin für irrational. Sie wollte verhindern, dass wieder einmal in Deutschland erfolgreich geforscht, aber im Ausland das Geld verdient wird.

Auf bestem Weg den Anschluss zu verlieren

Doch womöglich passiert nun genau das. "Was bringt es uns, wenn wir hervorragende Forschungseinrichtungen haben, die Ergebnisse dann aber nicht anwenden dürfen", sagt Schmidt. "Man muss sich schon fragen, ob wir in Europa die Rahmenbedingungen haben, die nötig sind, um auf so einem Gebiet tätig zu sein. Da stellt sich für uns natürlich allmählich auch die Frage, ob wir weiter hier investieren wollen."

Brendel würde BASF keine Träne nachweinen. "Wer braucht schon pilzresistenten Mais oder Weizen?", fragt sie. "Und um tatsächlich eine an Dürre angepasste Pflanze zu entwickeln, wären so komplexe Forschungen nötig, dass Aufwand und Erfolg in keinem Verhältnis stünden." BASF hätte die Milliarde nicht in die Genforschung, sondern in nachhaltige Landwirtschaft stecken sollen. "Dann hätten wir dort längst Erfolge erzielt, die jeden Einsatz von Gentechnik überflüssig machen", sagt die Greenpeace-Expertin.

Herbers wird wütend, wenn sie das hört. Die promovierte Biologin steht in einem der Gewächshäuser, wo sich ein Blumentopf an den anderen reiht. Vorne befinden sich die Rapspflanzen, dahinter Weizen. Deutschland sei auf dem besten Weg den Anschluss zu verlieren, sagt Herbers und streicht mit der Hand über eine Rapsschote. "Glauben wir eigentlich ernsthaft, dass wir uns das leisten können, wo wir keine anderen Ressourcen haben als unser Know-how?"

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