Generation D:Weizen im Stresstest

Für seine Diplomarbeit untersucht Sebastian Gresset am Wissenschaftszentrum Weihenstephan, wie gut Getreide Trockenheit aushält.

Elisabeth Dostert

Sehr gesprächig ist Sebastian Gresset nicht. Der 25-jährige Münchner studiert am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München Agrarwissenschaften. Für seine Diplomarbeit am Lehrstuhl für Pflanzenzüchtung untersucht er, wie verschiedene Sommerweizen auf Trockenheit reagieren.

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(Foto: Foto: dpa)

In Safarihosen, das Hemd locker über dem Bund, kommt der Diplomand gerade vom Weizenacker in Roggenstein, einem von zwei Versuchsfeldern. Er wirkt so, als sei er in Gedanken immer noch dort.

Klimawandel stellt Forscher vor neue Herausforderungen

Gressets Familie hatte früher auch einen Hof in der Nähe von Garching. Aber er hat nicht aus Sentimentalität Landwirtschaft studiert, sondern weil ihn die Forschung fasziniert. "Mich begeistern alle Formen von Stress, die durch Umweltfaktoren wie Trockenheit, Ozon oder Sonne ausgelöst werden", sagt Gresset: "In Zeiten von Klimawandel und Hungersnöten gewinnen diese Faktoren an Bedeutung." Und es braucht viel Zeit, um eine neue Pflanzensorte zu entwickeln.

Gressets Diplomarbeit ist ein winziger Baustein in einem großen Projekt mit dem Namen "Anpassung an den Klimawandel durch pflanzenzüchterische Maßnahmen in der Weizenproduktion in Deutschland". Es wird über die Fördermaßnahme "Klimazwei" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Berlin finanziert.

"Lange Zeit haben sich die Pflanzenzüchter eher mit biotischen Stressfaktoren wie Pilzen oder anderen Infektionen von Nutzpflanzen beschäftigt", sagt Michael Schmolke, 35. Er habilitiert sich am Lehrstuhl für Pflanzenzüchtung der TU München und leitet das Projekt. Vor ein paar Jahren habe sich dann die Forschung auch den abiotischen Stressfaktoren zugewandt, also Belastungen durch die Umwelt.

"Zehn bis 15 Jahre braucht es, um eine neue Sorte zu züchten"

"Momentan gibt es auch eher Forschungsmittel für den Klimawandel", sagt Schmolke. An diesem Weizenprojekt, das für die Laufzeit von drei Jahren bis Mitte 2009 mit insgesamt rund einer halben Million Euro dotiert ist, arbeitet bundesweit gut ein Dutzend Forscher von verschiedenen Institutionen.

Schmolke und seine Kollegin Antje Kunert, 32, widmen sich der Züchtung neuer Weizensorten. "Zehn bis 15 Jahre braucht es, um eine neue Sorte zu züchten", erläutert Schmolke. Gemeinsam mit Gresset waren Kunert und Schmolke am Vormittag auf dem Versuchsfeld in Roggenstein bei Fürstenfeldbruck.

Jetzt im Juni müssen die Wissenschaftler zwei-, dreimal die Woche raus, denn allmählich schiebt sich die Ähre aus dem Halm der jungen Weizenpflanze, und die Blüte steht bevor. Das ist eine heikle Zeit. Der Ertrag hängt maßgeblich vom Wetter in der Blüteperiode ab. Ist es zu trocken, wird der Weizen nicht oder nur schlecht befruchtet, und es bilden sich keine, kleine oder sehr wenige Körner. Weizen reagiert sensibel auf das Wetter.

Weizen im Stresstest

170 Linien und Landrassen, also Genotypen, die züchterisch wenig bearbeitet worden sind, sowie zugelassene Sorten von Weizen haben die Wissenschaftler auf den beiden Versuchsfeldern gesät und in großen Kisten im Gewächshaus gelagert, wo während der Blüte künstlich Trockenheit erzeugt wird.

Schmolke, Kunert und Gresset vergleichen deutsche Sorten mit Weizen aus China, Mexiko, Australien, Amerika oder Russland. Jede Wachstumsphase der Pflanzen wird akribisch protokolliert. Wie viele Wochen nach der Aussaat treiben die ersten Blätter aus? Wann zeigen sich die Ähren? Wie lange blüht der Weizen? Wie reagieren die verschiedenen Sorten und Linien auf Trockenheit? Wie wirkt sich Hitze auf den Kornansatz aus? Jede Entwicklungsphase wird dokumentiert.

"Weizengenom ist noch lange nicht entschlüsselt"

Aus den jungen Pflanzen gewinnen die Wissenschaftler Erbgut. Die Ergebnisse der DNA-Analyse werden mit den Daten vom Feld und aus dem Gewächshaus verglichen, um mögliche Zusammenhänge zwischen den genetischen Informationen und dem Erscheinungsbild der Pflanzen festzustellen.

"Das Genom des Weizens ist noch lange nicht entschlüsselt", sagt Forscherin Kunert. Es gebe einige molekulare Marker, mit denen sich jene Gensequenzen untersuchen lassen, die für den Zeitpunkt der Blüte verantwortlich sind. Aber noch gibt es viel mehr Fragen als Antworten. Nicht selten wirft eine Antwort noch mehr Fragen auf.

"Vielleicht ist es sinnvoll, einen Weizen zu züchten, der zwei Wochen früher blüht als die heute in Deutschland üblichen Sorten und dem die Hitze im Juni dann nichts mehr anhaben kann", sagt Schmolke. Aber niemand wisse, ob die frühere Blüte nicht zu Ertragseinbußen führen könne.

"Höchstwahrscheinlich wäre es besser, Pflanzen zu züchten, die zwar nicht früher blühen, aber Hitze in der Blüte besser vertragen", meint Schmolke. Aber welche Gene enthalten die Informationen, die das Verhalten bei Trockenheit beeinflussen? Genau dieser Frage geht Gresset nach. Eine Antwort oder vielleicht nur ein paar Worte davon will er bis zum Herbst finden, bis dahin muss die Diplomarbeit fertig sein.

Jetzt muss er nochmal ins Gewächshaus. Eine Weizensorte aus China in einer der klobigen Kisten schiebt deutlich Ähren. Es wird bald Zeit, das Wasser abzustellen.

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