Generalstreik in Spanien:Urlaub nehmen gegen "Horrorkatalog"

Ausnahmezustand in Spanien: Ein Generalstreik soll die Reformen der Regierung blockieren. Doch der Aufstand könnte floppen - die Menschen haben Angst um den Arbeitsplatz. Manchen nehmen für den Streik sogar Urlaub. In Bildern.

Sonja Peteranderl

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Generalstreik in Spanien

Quelle: dpa

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Der Ärger der Spanier über den Kurs der Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE) entlädt sich in einem landesweiten Streik. Die beiden größten spanischen Gewerkschaftsverbände, die Comisiones Obreras (CCOO) und die Unión General de Trabajadores (UGT), hatten die gesamte Bevölkerung zum Generalstreik aufgerufen. Das führt im ganzen Land zu chaotischen Zuständen - im Bild versucht ein Streikposten der Gewerkschaften, einen Pendler im Zentrum Madrids zur Teilnahme am Streik zu überreden.

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Quelle: AFP

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Der Protest der Gewerkschaften richtet sich gegen die einschneidenden Arbeitsmarktreformen der Regierung.

Generalstreik in Spanien

Quelle: dpa

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Der Streik wirkte sich ganz unterschiedlich aus. Während sich beispielsweise Madrids Verkehrshauptschlagader Gran Via untypisch leer zeigte ...

Generalstreik in Spanien

Quelle: dpa

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... bildeten die Streikposten in Santiago de Compostela eine Kette, die so dicht war, dass die Polizei eingreifen musste.

Spanien vor Generalstreik

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CCOO- und UGT-Streikposten versammelten sich bereits am Vorabend des Streiks  an der Puerta del Sol im Zentrum Madrids.

EC President Barroso and Spain's PM Zapatero hold a news conference after a meeting of social partners ahead of a European Union leaders summit in Brussels

Quelle: REUTERS

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Im Kampf gegen die Wirtschaftskrise hatte der sozialdemokratische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero (links im Bild neben EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso) verschiedene Reformen initiiert, um nicht als zweites Griechenland zu enden. Das Balkanland hatte im Frühsommer vor der Zahlungsunfähigkeit gestanden und musste durch eine dramatische Rettungsaktion von den übrigen Euro-Ländern gerettet werden.

Spanien hatte hingegen bereits im Januar Einsparungen in Höhe von 50 Milliarden Euro beschlossen, im Mai hatte Zapatero ein weiteres Sparprogramm angekündigt, um den Staatshaushalt bis 2011 um zusätzliche 15 Milliarden Euro zu entlasten. Spanien möchte seine Neuverschuldung von voraussichtlich 9,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr bis zum Jahr 2013 unter die vom europäischen Stabilitätspakt geforderte Grenze von drei Prozent drücken.

Hartz IV - Illustration

Quelle: dpa

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Die spanischen Gewerkschaften halten die Maßnahmen der Regierung für einen "Horrorkatalog": Sozialhaushalt und Beamtengehälter wurden gekürzt, Renten eingefroren und umstrittene Arbeitsmarktreformen auf den Weg gebracht. Eine Lockerung von Tarifvertragsbindung und Kündigungsschutz ermöglicht es Unternehmen, ihren Mitarbeitern einfacher zu kündigen.

Zwar fördert die Regierung auch den Abschluss regulärer Arbeitsverträge und Kurzarbeit, doch die Gewerkschaften bezweifeln, dass die Jobreform die hohe Arbeitslosigkeit von mehr als 20 Prozent bekämpfen kann. Auch der Plan, das Rentenalter in Zukunft heraufzusetzen, löst die Proteste aus.

General secretary of General Workers Union Mendez talks next to general secretary of Comisiones Obreras union Fernandez Toxo after a meeting with Spain's Prime Minister Zapatero in Madrid

Quelle: REUTERS

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Die Chefs der beiden Gewerkschaftsverbände, Cándido Méndez (UGT, links im Bild) und Ignacio Fernandez Toxo (CCOO, rechts), bezeichneten die geplanten Proteste in einem Interview mit der spanischen Zeitung El País als notwendigsten Generalstreik seit Spaniens Rückkehr zur Demokratie. Der Generalstreik ist der sechste seit 1977 und der erste seit acht Jahren. "Nie zuvor hat eine Regierung die Rechte der Arbeiter an so vielen Fronten gleichzeitig angegriffen wie diese", sagten Méndez und Toxo zu El País.

Jose Luis Rodriguez Zapatero während Generalstreik in Madrid, 2002

Quelle: AP

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Die Androhung eines Generalstreiks beschäftigte die spanische Gesellschaft bereits seit Monaten. Selbst CCOO-Chef Toxo hatte im Mai noch gehofft, einen Streik vermeiden zu können, da er negative wirtschaftliche Auswirkungen befürchtete. "Ein Generalstreik wäre das schlimmste, was Spanien geschehen könnte", sagte er damals dem spanischen Fernsehsender TVE.

Und nicht alle der zahlreichen spanischen Gewerkschaftsverbände unterstützen den Streik. Baskische Regionalgewerkschaften werfen den großen Gewerkschaften sogar vor "Teil des Problems zu sein", da sie in der Vergangenheit eng mit der Regierung zusammengearbeitet hätten. Beim letzten Generalstreik 2002 stand der jetzige Ministerpräsident Zapatero noch als Oppositionsführer mit den Gewerkschaftern auf der Straße, wie eine Szene von damals zeigt.

Streik im öffentlichen Dienst Spaniens - Protest gegen Sparplän

Quelle: dpa

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Am 8. Juni 2010 hatten die Großgewerkschaften erstmals zum Streik aufgerufen, um Streikbereitschaft zu demonstrieren und zu testen, ob Zapatero doch noch einlenken würde. An dem 24-Stunden-Streik im Öffentlichen Dienst beteiligten sich Verwaltung, Schulen, Krankenhäuser, die Post und die Flughäfen.

Der Regierung zufolge nahmen nur 16 Prozent der zum Streik aufgerufenen 2,7 Millionen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes an dem Probe-Protest teil - die Gewerkschaften sprechen dagegen von einer Beteiligung von 70 bis 80 Prozent. Auf Zapateros Sparprogramm hatte der Streik keinen Einfluss.

Generalstreik: Die Spanier demonstrieren gegen das Sparprogramm der Regierung Zapatero.

Quelle: dpa

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Der Generalstreik könnte für die Gewerkschaften ernüchternd verlaufen. Viele Spanier halten den Ausstand zwar für gerechtfertigt, doch nur ein kleiner Teil will auch auf die Straße gehen. Die Menschen befürchten, ihren Arbeitsplatz aufs Spiel zu setzen - einige nehmen sich sogar Urlaub, um den Streik zu unterstützen. Umfragen zufolge wird mehr als 60 Prozent der Bevölkerung arbeiten statt zu demonstrieren. "So unsicher wie dieses Mal war der Ausgang eines Streiks noch nie", schreibt die spanische Zeitschrift  La Vanguardia.

Busfahrerstreik auf den Balearen

Quelle: DPA

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Für den Tag des Generalstreiks haben sich Regierung und Gewerkschaften verständigt, eine minimale Funktionsfähigkeit bei wichtigen Dienstleistungen wie Krankenhäusern oder Verkehr zu gewährleisten. Der Minimalbetrieb beim Nah- und Fernverkehr variiert allerdings von Stadt zu Stadt. 

Auch Touristen sind von dem spanischen Generalstreik betroffen: Voraussichtlich die Hälfte der Flüge zwischen dem spanischen Festland und den Balearen und Kanaren fallen aus. Flüge zu Zielen innerhalb der Europäischen Union sollen zu mindestens 20 Prozent zustande kommen, auf Interkontinentalstrecken zu 40 Prozent.

Was der Streik für deutsche Urlauber bedeutet lesen Sie hier

Ratingagentur S&P senkt auch Bewertung für Spanien

Quelle: dpa

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Mit dem Generalstreik wollen die Gewerkschaften nicht weniger als eine Kurskorrektur erreichen - doch die Erfolgsaussicht auf eine erneute Kehrtwende der Regierung ist gering. Auf Zapatero lastet internationaler Druck, zumal die Ratingagentur Moody´s spätestens im Oktober bekanntgeben wird, ob sie Spaniens Kreditwürdigkeit hinunterstuft. "Dieser Generalstreik wird niemandem etwas nutzen", sagte der Wirtschaftsprofessor Rafael Pampillón. "Er wird nur dazu beitragen, die spanische Wirtschaft ein wenig tiefer in den Keller zu bringen."

Im Sommer war die zwischenzeitliche Schwäche des Euro (im Bild: die spanische Ein-Euro-Münze) auch in Zusammenhang mit den Defiziten des spanischen Staatshaushalts gebracht worden. Nach der Fast-Pleite Griechenlands war neben Spanien und Portugal auch Irland ins Visier internationaler Finanzspekulanten geraten, die auf einen Ausfall bei der Bedienung der Anleihen dieser Länder gewettet hatten.  

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