Generali:Ausverkauf 

Lesezeit: 3 min

Alles Fassade: Eine Generali-Niederlassung in Rom. Der Versicherer mag keine Lebensversicherungspolicen mehr (Foto: Alessandro Bianchi/Reuters)

Vier Millionen Lebensversicherungen des Konzerns gehen an einen externen Abwickler. Experten befürchten Nachteile für die Kunden.

Von Herbert Fromme und Jonas Tauber, Köln/Berlin

Der italienische Versicherungskonzern Generali hat nach fast zwei Jahren intensiver Gespräche und Verhandlungen einen Käufer für seine Münchener Tochtergesellschaft Generali Lebensversicherung gefunden. Die Gesellschaft mit vier Millionen Kundenverträgen, die bereits kein Neugeschäft mehr akzeptiert, geht zu 89,9 Prozent an den Abwicklungsspezialisten Viridium, früher Heidelberger Leben. 10,1 Prozent bleiben bei Generali.

Viridium wickelt alle Verträge bis zu deren Auslaufen ab, das kann Jahrzehnte dauern. Im Fachjargon heißt das externer Run-off. Der Abwickler gehört zu 80 Prozent dem britischen Finanzinvestor Cinven, zu 20 Prozent der Hannover Rück. Das Geschäft muss noch von der Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin genehmigt werden.

Viridium übernimmt auch 300 Generali-Mitarbeiter und deren Arbeitsplatz- und Standortgarantien. Künftig ist das Unternehmen damit auch in München und Hamburg vertreten. Nach Vollzug des Verkaufs will Viridium die Generali Leben umbenennen. Der Triester Konzern wird danach seinerseits seinem anderen großen deutschen Lebensversicherer, der Aachen Münchener, den Namen Generali Leben geben.

Generali-Deutschlandchef Giovanni Liverani glaubt, dass der Verkauf den Kunden nutzt: "Natürlich fiele es auf uns zurück, wenn die Kunden schlecht behandelt würden, und wir bleiben aus gutem Grund mit rund zehn Prozent an der Generali Leben beteiligt," sagte er der SZ. Außerdem wolle die Generali bis zu zehn Prozent an Viridium kaufen. Würde Generali die Bestände selbst abwickeln, würden die Kosten beim Abschmelzen der Kundenzahl mittelfristig steigen. Die IT-Systeme kosten ähnlich viel, ob vier Millionen Verträge oder 400 000 damit verwaltet werden, argumentiert die Generali. Weil Viridium auch andere Bestände betreut - bislang sind es 960 000 Verträge - und weitere hinzugewinnen will, könnten alle Kunden von einer besseren Verteilung der Kosten profitieren, sagte Generali-Deutschlandchef Liverani.

Sehr viel kritischer sehen das manche Verbraucherschützer und Politiker. "Das ist kein Signal der Verlässlichkeit, zumal das Lebensversicherungsgeschäft an anderer Stelle im Konzern weiterbetrieben werden soll", sagte Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick. Er sieht Nachbesserungsbedarf, weil Kunden bei einem externen Run-off Nachteile drohten. "Die langfristige Beteiligung an den Überschüssen kann sinken, die Kapitalausstattung auf Gruppenebene schlechter sein, aber auch die Qualität des Services kann leiden."

Der italienische Konzern versuchte seit 22 Monaten, die Policen zu verkaufen

Der Bund der Versicherten erwartet Nachteile für die Kunden. "Wir befürchten, dass die Versicherten zukünftig deutlich schlechter gestellt sind", sagte Vorstandssprecher Axel Kleinlein. "Alle Generali-Kunden müssen damit rechnen, zukünftig noch spärlicher mit Überschüssen bedient zu werden." Nicht so schlecht findet Lars Gatschke den Abschluss, er ist Versicherungsexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. "Es muss für Verbraucher kein schlechter Deal sein, von jemandem wegzukommen, der ohnehin keinen Bock mehr auf ihn hat und hin zu jemandem, der richtig Bock auf die Kunden hat", kommentierte er.

Die Generali spricht seit 22 Monaten mit Finanzinvestoren über einen Verkauf des Lebensversicherers. Sie hat die Gesellschaft für das Neugeschäft stillgelegt und will künftig diese Sparte über die heutige Aachen Münchener und die Cosmos Direkt betreiben. Mit dem Verkauf setzt der Konzern fast zwei Milliarden Euro an Kapital frei. Ernsthafte Verhandlungen führte der Konzern, der in Deutschland zweitgrößter Privatkundenversicherer ist, mit der Frankfurter Leben, die dem chinesischen Investor Fosun gehört, der Athene Leben, hinter der die Bermuda-Gesellschaft Apollo steht, sowie mit Viridium. Am Ende lief es auf einen Zweikampf Viridium/Athene hinaus, den Viridium gewann.

Die beiden Seiten bewerten die Generali Leben in dem Deal mit 875 Millionen Euro. Ändert die große Koalition die belastenden Regeln für hohe Reservestellungen, kommen noch einmal 125 Millionen Euro hinzu. Dann zahlt Viridium knapp 900 Millionen Euro an die Generali. Außerdem muss der Käufer ausstehende Darlehen des Lebensversicherers in Höhe von 882 Millionen Euro an die Generali zurückzahlen. Insgesamt fließen so 1,8 Milliarden Euro an das italienische Unternehmen.

Verkäufer und Käufer müssen sich auf eine mehrmonatige Prüfung durch die Finanzaufsicht einstellen. "Wir hoffen sehr, dass die Bafin unseren Deal so prüft, dass er zum Vorbild für andere Übernahmen werden kann, so eine Art Blaupause für den Rest des Marktes", sagte Liverani. Tatsächlich könnte der Abschluss dem Markt für Abwicklungen einen Schub verleihen.

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: