General Motors:Eine kleine Lücke von 90 Milliarden Dollar

Einst war General Motors das Kraftsymbol des Kapitalismus. Nun zeigt der Insolvenzantrag: Das Vermögen ist im Vergleich zu den Schulden sehr klein. US-Präsident Barack Obama ist der neue Herrscher über den schlingernden Autoriesen - und riskiert selbst sehr viel.

101 Jahre nach der Firmengründung hat der einst größte Automobilkonzern der Welt Insolvenz angemeldet. General Motors beantragte am Montag um 8 Uhr Ortszeit (14 Uhr MESZ) Gläubigerschutz nach Chapter 11. In Lower Manhattan nahm ein Beamter die Papiere entgegen. Jetzt soll der Staat die Mehrheit an dem taumelnden Industrie-Giganten übernehmen.

General Motors: Schwarze Serie in Detroit: In der einstigen Welthauptstadt des Automobilbaus gehen die Lichter aus.

Schwarze Serie in Detroit: In der einstigen Welthauptstadt des Automobilbaus gehen die Lichter aus.

(Foto: Foto: AP)

Die US-Regierung soll im Zusammenhang mit der Neuordnung 60 Prozent der Anteile von GM übernehmen, Kanada zwölf Prozent. Die Autogewerkschaft UAW erhält für Milliarden-Zugeständnisse knapp 18 Prozent an GM.

General Motors ließ im Insolvenzantrag alle Hüllen fallen. Und es kommt heraus: Einem Vermögen von 82,3 Milliarden Dollar stehen Schulden in Höhe von 172,8 Milliarden gegenüber. Es ergibt sich eine kleine Lücke von 90 Milliarden Dollar.

US-Präsident Barack Obama hat die einstige Ikone des amerikanischen Kapitalismus unter das Insolvenzrecht gezwungen. Er hofft, mit einer zeitweisen Verstaatlichung möglichst viee Jobs zu erhalten.

Das Vorbild ist Chrysler, ein Rivale von GM aus dem Standort Detroit. Chrysler, das Ende April Insolvenz nach Chapter Eleven beantragt hat, wird in Kürze als normales Unternehmen weiterarbeiten - mit dem Gesellschafter Fiat aus Italien. Diese Entwicklung begrüßte Obama am Montag: "Chrysler hat neuen Auftrieb zu leben."

In einer Rede an die Nation wollte er am Montagabend noch einmal 30 Milliarden Dollar (21 Milliarden Euro) für die Restrukturierung des Autobauers anzukündigen, wie aus dem Weißen Haus verlautet war. 20 Milliarden Steuergelder sind bereits geflossen. Und er will darlegen, wie der Riese aus Detroit in einem schrumpfenden Markt überleben will. 21.000 Jobs und bis zu 20 Fabriken stehen zur Disposition. Der Staat Kanada ist mit knapp zehn Milliarden bei der Rettung von GM dabei.

Konzern soll sich gesundschrumpfen

Die US-Regierung will einen raschen Neustart von GM durch einen ungewöhnlich schnellen Abschluss des Insolvenzverfahrens in 60 bis 90 Tagen schaffen. Als Insolvenzverwalter ist der Richter Robert E. Gerber vom United States Bankruptcy Court bestellt.

Als Helfer bei der Restukturierung wurde die Fira Alix Partners gewonnen. Deren Partner Al Koch soll die problematischen Teile von GM möglichst günstig entsorgen. Den Planungen zufolge soll sich GM - geschützt vor dem Zugriff der Gläubiger - in der Insolvenz gesundschrumpfen. Der Konzern soll dabei in einen "guten" und einen "schlechten Teil" aufgespalten werden.

Die Chancen für ein Überleben von GM stiegen zudem am Wochenende in fast letzter Minute: Zehntausende Gläubiger einigen sich mit dem Konzern. Für den Verzicht auf 27 Milliarden Dollar an Schulden sollen die Kreditgeber zehn Prozent am neuen Konzern bekommen, später können es bis zu 25 Prozent werden.

GM soll künftig schon in die Gewinnzone fahren, wenn in den USA - wie etwa für 2009 erwartet - lediglich zehn Millionen Autos aller Hersteller pro Jahr verkauft werden. Bislang lag die Schwelle bei 16 Millionen.

Die bevorstehende Pleite von GM ist das größte Gläubigerschutz-Verfahren seiner Art in der US-Geschichte - der historisch größte Bankrott also.

Opel herausgelöst

Der deutsche Hersteller Opel konnte gerade noch rechtzeitig vor dem Strudel der Insolvenz der Mutter gerettet werden und neue Investoren finden. Ein Treuhandmodell soll das Unternehmen rechtlich abschotten.

Der zweitgrößte US-Autobauer Ford will von den schweren Turbulenzen der Rivalen General Motors (GM) und Chrysler profitieren und Marktanteile gewinnen. Ford werde die Produktion im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent hochfahren, zitierte das Wall Street Journal am Montag einen namentlich nicht genannten Konzernvertreter.

Für den US-Präsident Obama ergeben sich beträchliche Risiken. Mit dem Staatsanteil von 60 Prozent an GM ist er nun direkt mit von der Partie. Die amerikanischen Steuerzahler erwarten dafür eine rasche Gesundung. Niemand aber weiß, ob die Nachfrage nach Autos wieder anspringt - und wie stark die Konkurrenz von den Kalamitäten in Detroit profitiert.

Werden Volkswagen oder Toyota nach dem amerikanischen Chaos die Gewinner sein? Obama glaubt keine Wahl zu haben: Ohne die jetzt vorgesehenen Maßnahmen hätte GM liquidiert erden müssen.

Dass der US-Präsident sich aus der Firmenpolitik heraushalten will, mag ordnungspolitisch verständlich sein - doch die Haltung birgt die Gefahr, eventuelle Fehler zu spät korrigieren zu können. Das wäre noch eine Sache, die die Bürger nicht verzeihen.

Eines aber ist sicher: Mit diesem 1. Juni hat sich der amerikanische Kapitalismus, der stets auf freie Unternehmer setzte, sehr geändert.

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