Gemeinsame Bankenaufsicht der Euro-Zone:Mit aller Macht gegen den Teufelskreislauf

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Geht es dem Staat schlecht, geht es den Banken schlecht. Und wenn es den Geldinstituten schlecht geht, kann es für den Staat noch teurer werden. Solchen verhängnisvollen Abwärtsspiralen will die EU nun mit einer gemeinsamen Bankenaufsicht entkommen. Doch wie soll sie funktionieren? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Bastian Brinkmann

Nach sieben Stunden Verhandlungen ohne Ergebnis lagen die Nerven der Beteiligten blank. Er brauche jetzt dringend "Kaffee, Whisky und Revolver", sagte einer der Teilnehmer gegen 22 Uhr, völlig entnervt von einer kleinteiligen Diskussion über Stimmrechte und Kompetenzen. Ein paar Stunden später hat es dann doch geklappt: Um 4:40 Uhr verließ der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble das Ratsgebäude in Brüssel. Er und seine Kollegen haben sich geeinigt: Die Euro-Zone bekommt eine gemeinsame Bankenaufsicht. "Das war die Nachtschicht wert", twitterte EU-Kommissar Michel Barnier.

Warum setzen die Politiker gerade auf eine Bankenaufsicht, um die Euro-Krise in den Griff zu bekommen?

Die Euro-Krise ist eine Bankenkrise und eine Staatsschuldenkrise. Beide sind miteinander verbunden: Wegen der Finanzkrise und dem folgenden Wirtschaftseinbruch geht es vor allem den Staaten in Südeuropa schlechter. Steuereinnahmen brechen weg. Investoren werden nervös, somit verlieren die Staatsanleihen an Wert, mit denen sich ein Land Kredit besorgt. Das reißt ein Loch in die Bilanzen der nationalen Banken, die zu den Hauptabnehmern dieser Papiere zählen. Der Staat muss in diesem Fall seine Geldhäuser mit vielen Milliarden stützen. Er bittet die Euro-Länder um ein Rettungspaket. Bekommt er Notkredite, erhöht das den Schuldenstand des Landes, der die Finanzmärkte sowieso schon beunruhigt. Die Staatsanleihen stürzen weiter ab, die Finanznot der Banken nimmt weiter zu. Dieser Teufelkreis könne jetzt gestoppt werden, schreiben die 17 Finanzminister in der gemeinsamen Erklärung ( PDF).

Wie soll die Abwärtsspirale gestoppt werden?

Die Europäische Stabilitätsmechanismus, kurz ESM, soll Banken direkt Notkredite zuschießen können. Das Fachwort der Finanzwelt heißt rekapitalisieren. Geht Banken das Geld aus, soll sich nicht mehr der Nationalstaat beim ESM Kapital besorgen und sich damit weiter verschulden.

Erhöht sich das Risiko für den Steuerzahler?

Klar ist: Bisher haftet Spanien für die Notkredite, die das Land bekommt - und die Spanien dann aber größtenteils an den spanischen Bankenrettungsfonds Frob weitergibt. Der schießt den Geldhäusern Kapital zu. Kommen die spanischen Banken trotzdem nicht auf die Beine, könnte das Geld verlorengehen. Die europäischen Steuerzahler, die das Stammkapital für den ESM bereitstellen, haben bisher die Zusage, dass im Notfall der spanische Staat für die Rettungsgelder einsteht. Fließt Kapital künftig direkt vom ESM an die Banken, entfällt diese Staatsgarantie.

Kein Geld ohne mehr Aufsicht: Das war die deutsche Verhandlungsposition seit dem Euro-Gipfel im Sommer, als sich die Staats- und Regierungschef grob auf eine Bankenunion geeinigt haben. Sollen die Steuerzahler der Euro-Länder - und damit vor allem die Steuerzahler des finanzstarken Deutschlands - für spanische und vielleicht einmal italienische Banken haften, möchte Deutschland mehr Kontrolle über die dortigen Geldhäuser. Das soll die neue Bankenaufsicht leisten.

Warum soll die EZB die Banken beaufsichtigen?

Es braucht eine starke Institution, um Banken zu kontrollieren. In Deutschland liegt die Aufsicht vor allem bei der Bafin, auch die Bundesbank ist beteiligt. In anderen Ländern Europas spielt die Zentralbank die größte Rolle dabei. Es gibt zwar die Europäische Bankenaufsicht EBA in London. Doch die hat sich in der Krise als zu schwach erwiesen.

Wen soll die EZB kontrollieren?

Sie soll künftig alle Banken überwachen, deren Bilanzsumme 30 Milliarden Euro oder ein Fünftel der Wirtschaftsleistung ihres Heimatlandes übersteigt. Aus jedem Land sollen mindestens drei Banken von der EZB beaufsichtigt werden. Dem französischen Finanzminister Pierre Moscovici zufolge fallen damit mehr als 150 Banken unter EZB-Aufsicht. In Deutschland betrifft das alle großen Geschäftsbanken wie die Deutsche Bank und die Commerzbank, die DZ Bank und die großen Landesbanken, aber voraussichtlich nur eine Genossenschaftsbank (Apo-Bank) und eine Sparkasse (die Hamburger Sparkasse). Damit hat sich Deutschland durchgesetzt, das sich gegen eine Überwachung seiner rund 1500 kleinen Banken durch die EZB gewehrt hatte. In der gesamten Euro-Zone verbleibt die Aufsicht über rund 6000 Geldinstitute bei den nationalen Bankkontrolleuren. Sollte die EZB aber bei ihnen gravierende Probleme orten, kann sie sich einschalten und den Fall an sich ziehen, auch wenn das jeweilige Institut weit unter den genannten Größenkennziffern bleibt.

Bei wem liegt die Macht?

Ein Lenkungsausschuss soll die Arbeit der neuen gemeinsamen Aufsicht führen. Die Aufsicht soll dem EZB-Rat Rede und Antwort stehen. Damit bleibt der EZB das letzte Wort bei Entscheidungen vorbehalten. Im Aufsichtsgremium selbst sollen Vertreter der nationalen Aufsichtsbehörden der Euro-Länder sowie EZB-Vertreter sitzen.

Was sagen die Kritiker?

Die deutschen Sparkassen gehören zu den schärfsten Kritikern einer zentralen Bankenaufsicht in der Euro-Zone. Sie wollen, dass regionale Banken - wie sie selbst - nur von den nationalen Behörden kontrolliert werden. Dementsprechend nannte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Georg Fahrenschon, die jetzige Einigung einen "schwierigen Kompromiss". Aus seiner Sicht drohen Kompetenzstreitigkeiten zwischen der EZB und den nationalen Aufsehern.

Wie geht es jetzt konkret weiter?

An diesem Donnerstag beginnt der Dezember-Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU. Sie werden sich auf einen Fahrplan für die sechs Monate einigen, der die Details ausarbeiten soll. Brüssel-Beobachter erwarten, dass das Treffen ein ruhiger Arbeitsgipfel wird. Die Bankenaufsicht soll im März 2014 stehen. Aber wenn die EZB mehr Zeit für den Aufbau der Strukturen brauche, könne sich der Start auch verzögern, räumten die Finanzminister ein. Die EZB müsse rasch Hunderte von Bankenaufsehern anheuern, um ihre neuen Aufgaben zu bewältigen, schätzt die Nachrichtenagentur Reuters.

Gibt es einen weitergehenden Plan für die Aufsicht?

Sie könnte künftig noch ausgebaut werden. Der nächste Schritt könnte ein europaweites Abwicklungsregime für Banken sein, die die EZB als nicht mehr überlebensfähig einstuft. Außerdem ist umstritten, ob eine gemeinsame Einlagensicherung für den Euro-Raum notwendig ist. Die könnte einerseits verhindern, dass Kunden im Rahmen eines Bankensturms ihre Konten plündern. Andererseits wehrt sich vor allem Deutschland dagegen, für Sparer im Ausland zu haften.

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Andrea Rexer, Frankfurt

Mit Material von Reuters

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