Geleaste Reiterstaffel:Einsatz bei Fußball und Karneval

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Füttern, striegeln, Hufe kratzen - Polizeipferde machen jede Menge Arbeit. Deshalb hat Nordrhein-Westfalen die Pflege ausgelagert und least die Vierbeiner nun. Das heißt aber nicht, dass die Ansprüche an potentielle Kandidaten für die Reiterstaffel gesunken sind.

Berit Schmiedendorf

Jedes andere Pferd wäre längst ausgebüchst. Doch Luigi macht keine Anstalten, sich fortzubewegen. Scheinbar ungerührt lässt sich der vierjährige Wallach auf dem Außenreitplatz einen großen grauen Gymnastikball an den Kopf werfen, wieder und wieder.

Ob gekauft oder geleast - Dienstpferd bleibt Dienstpferd. (Foto: Foto: dpa)

Zwischendurch sieht es sogar so aus, als würde Luigi versuchen, den Ball zurückzuspielen. Doch daran hindert ihn der Mann im Sattel. Wilfried Neumann hat Luigi fest im Griff. Das muss er auch, denn Neumann ist Leiter der Landesreiterstaffel Rheinland und somit Chef über 20 geleaste Polizeipferde. "Unsere Aufgabe ist es, aus einem Fluchttier durch Gewöhnung ein Tier zu machen, das sich in Alltagssituationen bewährt", sagt Neumann.

Nun sind Alltagssituationen bei Polizeipferden nicht gerade das, was man gemeinhin unter idyllischem Pferdealltag versteht: Luigi, Adonis und Aprikot-Fritz werden bei Demonstrationen, Karnevalsumzügen und Fußballspielen in vollen Stadien eingesetzt. Und hier kann es eben auch schon mal vorkommen, dass ein aufgebrachter Fußballfan mit einer Bierdose nach den Pferden zielt.

Damit die Vierbeiner in solchen brenzligen Situationen nicht durchgehen, üben sie das Ertragen durch Wurfgeschosse regelmäßig auf dem Reitplatz.

Rot-grün waren die Reiterstaffeln zu teuer

Noch befindet sich die Reiterstaffel von Wilfried Neumann im Aufbau. Es ist gerade mal drei Jahre her, dass die damals rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen die Reiterstaffeln - zwölf an der Zahl - aus Kostengründen aufgelöst hat.

Ein Gutachten der Kienbaum-Unternehmensberatung war zu dem Schluss gekommen, dass die Reiterstaffeln wenig effektiv arbeiteten: Die Polizisten verbrächten zu viel Zeit mit der Pferdepflege, lautete ein Hauptvorwurf. Bis 2003 war beispielsweise die Futtermittelbeschaffung für die 120 Pferde des Landes eine Aufgabe der Polizeibehörde.

Als bei der Landtagswahl 2005 in Nordrhein-Westfalen die CDU an die Macht kam, führte sie die Reiterstaffeln kurzerhand wieder ein. "Der Einsatzwert von Polizeipferden ist unbestritten", sagt Friedhelm Hinzen vom nordrhein-westfälischen Innenministerium.

Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung zur Wiedereinführung der Reiterstaffeln war positiv ausgefallen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass diesmal die Liegenschaften angemietet und so viele Leistungen wie möglich outgesourct würden.

Die alten Polizeipferde bereits verkauft

Eine weitere politische Vorgabe lautete, dass die insgesamt 40 Polizeipferde für die beiden neu einzurichtenden Staffeln nicht gekauft, sondern geleast werden sollten. "Diese Forderung fand ich erst mal nicht überzeugend", sagt Polizeihauptkommissar Neumann.

Üblicherweise werden Zuchtstuten oder Sportpferde geleast, aber nicht Polizeipferde. Hinzu kam, dass die beiden neuen Reiterstaffeln des Landes Nordrhein-Westfalen ziemlich schnell einsatzbereit sein mussten: Bereits zur Fußballweltmeisterschaft im Sommer 2006 sollten die Polizeipferde durch die Stadien in Köln, Dortmund und Gelsenkirchen traben.

Auf die alten Polizeipferde konnte man jedoch nicht mehr zurückgreifen: Sie waren entweder aus Altersgründen nicht mehr tauglich oder die neuen Besitzer wollten sich nicht von ihnen trennen.

Keine Stuten, keine Hengste - nur Wallache

Hinzu kam, dass sich auf die erste Ausschreibung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums im November 2005 kein Leasing-Unternehmen meldete, das an dem Geschäft mit den Polizeipferden interessiert war. Erst als das Land NRW sich bereit erklärte, die Auswahl der Pferde selbst zu übernehmen, kam das Land mit der Deutschen Leasing ins Geschäft.

Die Kriterien für die Pferde der Polizeistaffeln sind streng: Sie müssen mindestens vier, maximal zwölf Jahre alt sein; es müssen Wallache sein, keine Stuten und keine Hengste; sie müssen ein Mindest-Stockmaß von 165 Zentimetern haben; sie müssen frei von Krankheiten sowie charakterlich gefestigt und ausgeglichen sein; sie dürfen höchstens 7000 Euro in der Anschaffung kosten.

Um den Charakter des Tieres ausreichend prüfen zu können, werden alle Polizeipferde zunächst für drei Monate unter Probevertrag genommen. Diese Vorsicht hat sich bewährt: Von den 72 Pferden, die bis jetzt für die beiden Reiterstaffeln in Willich und Dortmund ausgewählt wurden, sind 34 Pferde wieder an ihre Besitzer zurückgegeben worden, weil sie den strengen Kriterien nicht genügten.

Luigi dagegen ist jetzt schon ein prima Polizeipferd, "eine echte Einsatzkanone", wie Neumann sagt. Über ihn wurde, wie für alle anderen Tiere, die die Probezeit erfolgreich bestanden haben, ein Leasingvertrag mit annähernd zehn Jahren Laufzeit zwischen dem Land NRW und der Deutschen Leasing abgeschlossen.

Finanzierung über zehn Jahre

Die monatliche Leasing-Rate für die 38 Pferde, die das Bundesland zur Zeit unter Vertrag hat, beträgt 2800 Euro.

"Der Vorteil liegt auf der Hand: Wir müssen die Kaufsumme für die Pferde nicht sofort bezahlen, sondern finanzieren über zehn Jahre", sagt Jürgen Häusler von der Zentrale Polizeitechnische Dienste NRW, die die gesamte Beschaffung im Auftrag des Innenministeriums des Bundeslandes abwickelt.

Mit dem Leasing der Polizeipferde beschreitet Nordrhein-Westfalen einen Finanzierungsweg, auf den die öffentliche Hand immer häufiger zurückgreift. So stieg der Anteil des Kommunal-Leasings am Gesamtmarkt, der in Deutschland circa 50 Milliarden Euro beträgt, 2005 von 2,9 auf 4,5 Prozent.

Für die Polizeireiter jedenfalls macht es keinen Unterschied, ob ihr Pferd geleast oder gekauft ist, hat Reiterstaffelführer Neumann festgestellt. "Es ist noch keiner meiner Kollegen zu mir gekommen und hat gesagt; ,Das ist ja komisch hier mit meinem Leasingpferd'."

© SZ vom 25.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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