Geldwerkstatt:Wenn gewarnt wird

Fragen zu Finanzdingen

Wenn ein Unternehmen weniger Gewinn machen wird als angekündigt, muss es die Investoren darüber informieren. Aber welche Folgen hat es eigentlich, wenn ein Konzern seine Ertragsprognose anpassen muss?

Von Jan Willmroth

Vielleicht liegt es auch an den ungezählten Stilblüten der Börsensprache, dass für so viele Menschen die Börse ein so seltsames Terrain ist. Zum Wochenende, so war es zu lesen, trieb etwa die Hoffnung auf "neue Geldspritzen" die Kurse an Europas Börsen an. Das ist ein kleines Beispiel unter vielen. Ein oft verwendeter dieser Begriffe ist in seiner kurzen Historie immerhin dreimal als schwachsinnig gewürdigt worden: die Gewinnwarnung, Shortlist zum Unwort des Jahres 2001, Börsenunwort des Jahres 2001, österreichisches Unwort des Jahres 2008. Wenn ein Unternehmen weniger Gewinn machen wird als angekündigt, muss es die Investoren davor warnen, in etwa so steht es im Gesetz. Der Begriff Gewinnwarnung ist zwar ziemlich unsinnig, wird aber verwendet.

Und das in den vergangenen Jahren immer häufiger. Die Unternehmensberater bei Ernst & Young (EY) machen sich einmal pro Halbjahr die Mühe und zählen, wie oft Unternehmen im deutschen Prime Standard - dem Börsensegment mit den höchsten Transparenzstandards - ihre Prognosen korrigieren. Sie tun das ziemlich oft, in den Jahren seit 2011 immer öfter, nach oben wie nach unten.

306 Unternehmen sind im deutschen Prime Standard gelistet, 210 geänderte Prognosen haben die Berater in 2015 dokumentiert. 44 Prozent der Unternehmen mussten demnach im vergangenen Jahr ihre Prognosen ändern, allen voran Autohersteller. 80 sogenannte Gewinn- oder Umsatzwarnungen waren dabei, gleich viele wie im Jahr zuvor. Hingegen gab es 130 sogenannte Gewinn- oder Umsatzerwartungen, also nach oben angepasste Vorhersagen über den Geschäftsverlauf. Einerseits führen die EY-Analysten das auf eine gestiegene Unsicherheit in den Absatzmärkten zurück - Unternehmen können derzeit einfach nicht gut genug abschätzen, wie viel sie verkaufen werden. Unsichere Zeiten führen zu unsicheren Prognosen. Zuletzt ist auch der schwache Euro als Grund wichtiger geworden: Der niedrige Kurs der Gemeinschaftswährung hat so manchem Konzern unerwartet höhere Exporterlöse eingebracht. Andererseits ist der Anreiz groß, zu Beginn des Jahres mit Prognosen zunächst vorsichtig zu sein.

Denn eine nach oben korrigierte Prognose ist zumeist gut für den Aktienkurs. Im Schnitt sei der Kurs einer Aktie am Tag der Prognosekorrektur um drei Prozent gestiegen, schreibt EY. Gewinnwarnungen haben einen stärkeren Effekt: Um acht Prozent sei der Kurs durchschnittlich nach deren Veröffentlichung gefallen.

So zeigt es auch die überschaubare Menge an Studien in der Finanzmarktforschung zu dem Thema. In einem Papier von 2003 errechneten die US-Forscher Dave Jackson und Jeff Madura, dass Gewinnwarnungen nach der Veröffentlichung den Börsenwert eines Unternehmens um fast 15 Prozent reduzieren. Schaut man sich den elftägigen Zeitraum inklusive der fünf Tage vor der Gewinnwarnung an, beträgt das Minus sogar 21,5 Prozent. Ähnliche Studien zeigen die gleichen Folgen: Analysten passen ihre Gewinnprognosen nach unten an, die Marktteilnehmer bewerten die Firma neu.

Anleger, die gern auf einzelne Aktien setzen, können daraus zwei Schlüsse ziehen: Wer langfristig investiert, für den sind Gewinnwarnungen - oftmals - nur ein Rauschen, sie bieten die Chance zum Einstieg. Eher kurzfristig orientierte Anleger sollten sich überlegen, ob sie nicht lieber sofort verkaufen, bevor ein Unternehmen noch mit weiteren Überraschungen um die Ecke kommt.

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