Geldwerkstatt:Wenn der Dax Rendite kostet

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Viele Anleger schauen nur auf den übermächtigen Deutschen Aktienindex. Dabei kann sich der Kauf von Nebenwerten noch mehr lohnen.

Von Lukas Zdrzalek, München

Jeden Abend können die Deutschen sie im Fernsehen sehen, diese vielleicht berühmteste Anzeigetafel des Landes. Jeden Abend ist sie da, wenn die Bundesbürger auf ihrer Coach fläzen, ihren Fernseher anmachen und Minuten vor der Tagesschau Das Erste einschalten. Dann flimmern Herren mit Krawatte und Damen im Blazer über den Bildschirm, halten ein blau-weißes Mikrofon in der Hand und moderieren die Sendung Börse vor acht. Hinter ihnen, im Handelssaal der Frankfurter Börse, hängt diese schwarze Tafel mit dem Kurs des Deutschen Aktienindex, der wichtigsten Wertpapier-Komposition hierzulande. Der Dax wird von vielen Zuschauern wohl mit dem deutschen Aktienmarkt gleichgesetzt - ein Trugschluss, der Anleger viel Geld kosten kann.

Viele Deutsche lehnen Aktien ab, weil sie ihnen zu riskant erscheinen. Trauen sich die Bundesbürger dann doch mal an die Börse, kaufen sie eher die Papiere bekannter Konzerne, etwa die des Autobauers Daimler, des Industriekonzerns Siemens, des Versicherers Allianz, allesamt Dax-Mitglieder. Dabei können Anleger höhere Gewinne erzielen, wenn sie nicht ausschließlich auf den Dax schauen, wenn sie auch die Dax-Nebenwerte-Indizes im Blick haben, den MDax, den SDax, den TecDax. Sie haben in den vergangenen fünf Jahren teils einen Gewinn von mehr als 160 Prozent gemacht - der Standardwert Dax kommt dagegen "nur" auf gut 90 Prozent.

MDax, SDax, TecDax: Die Indizes mit dem Bindestrich unterscheiden sich vom Dax zum einen durch die Größe der Unternehmen. Während im Dax die 30 größten und am meisten gehandelten Börsenkonzerne notieren, umfasst der MDax 50 mittelgroße Unternehmen, etwa den Onlinehändler Zalando und die RTL-Mediengruppe. Zum SDax zählen 50 vergleichsweise kleine Firmen wie der Fußballclub Borussia Dortmund und der Autovermieter Sixt. Der TecDax ist ein Zwitter, weil er 30 kleine und mittelgroße Unternehmen umfasst, beispielsweise das Online-Karrierenetzwerk Xing.

Kursplus mit Maskottchen Emma: Der Fußball-Bundesligist BVB ist im Kleinwerte-Index SDax notiert. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Zum anderen unterscheiden sich die drei kleineren Indizes durch verschiedene Branchenschwerpunkte vom Dax. In diesem notieren etwa die beiden größten Geldhäuser der Republik, die Deutsche Bank und die Commerzbank. In den drei anderen Indizes findet sich dagegen kein einziges Geldhaus. In M- und SDax sind mehrere Immobilienfirmen vertreten, im Dax jedoch nur eines. Der TecDax wiederum umfasst ausschließlich Unternehmen aus der Technologie-Branche.

Die verschiedenen Branchenschwerpunkte sind ein Grund, warum der Dax schlechter abgeschnitten hat. So hat etwa die Aktie der Commerzbank zwischenzeitlich gut 60 Prozent, die der Deutschen Bank gar rund 75 Prozent verloren. "Diese Kursstürze haben dazu beigetragen, die Gewinne des Dax zu begrenzen", sagt Jonas Liegl, Fondsmanager der Deka, der Fondsgesellschaft der Sparkassen. Dagegen konnten die Immobilienunternehmen in M- und SDax tendenziell steigende Gewinne erzielen, weil der Markt boomt.

Experten nennen noch einen zweiten Grund, warum der Dax schlechter abgeschnitten hat: Seine Mitgliedsunternehmen wachsen vergleichsweise langsam. "Zum einen, weil die Nachfrage nach ihren Produkten größtenteils befriedigt ist, die die Unternehmen ja bereits seit vielen Jahren anbieten", sagt Christoph Ohme, Fondsmanager der Deutschen Asset Management, eine Tochter der Deutschen Bank. Zum anderen ist der Wettbewerb stark, weil die Dax-Konzerne mit vielen Konkurrenten um die Kunden rangeln. Das deckelt die Preise; verlangen Firmen zu viel Geld für ihre Produkte, können sie die Ware nicht verkaufen.

Niedrige Zinsen, hohe Unsicherheit - wie soll man da noch sein Geld investieren? In der "Geldwerkstatt" erklären wir aktuelle Fragen zur Geldanlage. (Foto: SZ-Grafik)

Die Gewinne der kleineren Unternehmen steigen dagegen stärker. Viele agieren auf relativ neuen Märkten mit wenigen Konkurrenten. Die Firmen stellen oft besonders innovative Produkte her, die immer mehr Kunden kaufen möchten, etwa im Technologie-Bereich. Zudem fokussieren sie sich stärker auf Deutschland, weil sie nicht das Geld haben, um wie die Dax-Konzerne weltweit zu expandieren. M-, S- und TecDax-Unternehmen profitieren also vor allem dann, wenn die deutsche Konjunktur wie in den vergangenen Jahren stark ist - während immer neue Krisen die global tätigen Dax-Konzerne unter Druck gesetzt haben.

Umgekehrt gilt: "Läuft die globale Wirtschaft gut und kriselt die deutsche, geht es den Dax-Konzernen besser", sagt Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank. Ein global tätiger Dax-Konzern mag zwar hierzulande Einbußen erleiden, kann die Verluste aber mit Gewinnen in anderen Ländern ausgleichen. Die Profite der kleineren, auf Deutschland fokussierten Unternehmen können dagegen regelrecht einbrechen - und sogar zu horrenden Verlusten werden.

Der stärkere Deutschland-Fokus ist das eine Risiko der kleineren Unternehmen, das andere ist: Ihre Geschäftsmodelle sind tendenziell unausgereifter. "Einige dieser Firmen konzentrieren sich auf Nischenmärkte, in denen sie vergleichsweise wenige Produkte anbieten", sagt Schickentanz. Eine Fehlentwicklung, ein Skandal oder ein neues Gesetz, das einem der wenigen Produkte die Grundlage entzieht, all das kann ein kleineres Unternehmen viel eher in Probleme stürzen als einen Dax-Konzern mit seinen vielen unterschiedlichen Produkten.

SZ-Grafik (Foto: SZ-Grafik)

Nach der Finanzkrise stürzte der SDax um fast 70 Prozent ab

In Krisen, warnt Deka-Mann Liegl, "können die Kurse der kleineren Unternehmen tiefer fallen als die der Dax-Konzerne". Nach der Finanzkrise stürzte etwa der SDax um fast 70 Prozent ab, der Dax verlor gut 55 Prozent. Das liegt nicht nur daran, dass Probleme die kleineren Konzerne härter treffen können. Noch wesentlicher ist: M-, S- und TecDax sind weniger liquide, weniger Anleger handeln mit diesen Papieren. In einer Finanzkrise verkaufen Investoren zuerst die Nebenwert-Firmen mit ihrem riskanteren Geschäftsmodell und behalten vorerst die sicheren Dax-Firmen. Der Kursverfall der Nebenwerte kann sich dann verschärfen, weil weniger Anleger als bei Dax-Werten bereit stehen, um die Aktien zu einem billigen Preis zu kaufen und so den Absturz zu begrenzen.

Anleger sollten deshalb nur Teile ihres Gesamtvermögens in Nebenwerte investieren. Wie hoch dieser Anteil am Gesamtvermögen sein sollte, lässt sich pauschal nicht sagen. Das hängt davon ab, wie viel Sparer überhaupt in Aktien investieren möchten. Bezogen auf das in Aktien investierte Vermögen sollte nicht mehr als ein Drittel des Geldes in Nebenwerten stecken. "Anleger sollten die übrigen Aktieninvestitionen vor allem auf sicherere Standardwerte wie den amerikanischen S&P 500 und den Dax verteilen", sagt Commerzbank-Experte Schickentanz. Sparer sollten die schwarze Dax-Tafel mit der zackigen weißen Linie also doch nicht ganz aus dem Blick verlieren.

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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