Geldwerkstatt:Vorsicht mit den Zauberfonds

Kaum sind ETF so richtig beliebt, kommt die nächste Mode. Versprochen wird viel, Anleger sollten kritisch bleiben.

Von Jan Willmroth

Die drei Buchstaben haben erst spät Karriere gemacht, dafür aber eine sehr steile. Als in den Siebzigerjahren die ersten börsengehandelten Indexfonds auf den Markt kamen, war das noch etwas für Exoten, man vertraute lieber auf findige Fondsmanager, die einzelne Wertpapiere zusammenpackten, um ihren Anlegern Profite zu erwirtschaften. ETFs dagegen, so lautet die englische Abkürzung für börsengehandelte Fonds, können nicht mehr, als einem Index zu folgen, etwa dem Dax. Steigt der um ein Prozent, steigt der Fonds in annähernd gleicher Höhe.

Die späte Karriere begann vor acht Jahren, als in der Finanzkrise Banken untergingen, es an den Weltbörsen krachte und ungezählte private Anleger in ihren Portfolios nicht nur Verluste sahen, sondern auch Produkte fanden, die sie nicht annähernd verstanden hatten.

ETFs dagegen sind einfach, sie kosten mit jährlichen Gebühren von teilweise nur noch 0,1 Prozent fast nichts und haben sich als Alternative zu klassischen Investmentfonds und Sparprodukten etabliert. Was den Banken nach der Finanzkrise an Misstrauen entgegenschlug, fand sich als Wachstum im ETF-Markt wieder. Mehr als 473 Milliarden Dollar hatten Anleger in Europa zuletzt in solche Fonds investiert, gute 70 Prozent mehr als noch vor drei Jahren. Kein Segment der Fondsbranche wächst derzeit so schnell.

Kaum sind die ETFs im Massenmarkt angekommen, sind die Dinge schon wieder ziemlich kompliziert geworden. Anleger haben die Wahl aus Tausenden ETFs, die Indizes aller erdenklichen Anlagearten nachbilden: Aktien oder Anleihen, Rohstoffe oder Immobilien oder gleich eine Mixtur. Und inzwischen legt Woche für Woche irgendeine Fondsgesellschaft einen neuen "Smart-Beta"-Fonds auf und trommelt für dieses noch junge Segment. "Smart Beta bietet Anlegern die Möglichkeit, ihr Portfolio besser zu diversifizieren und ihren Investment-Horizont zu erweitern", sagt beispielsweise Andrew Wilson, Europa-Chef der Vermögensverwaltung der Investmentbank Goldman Sachs. Das sei im aktuellen Umfeld wichtig.

A share trader walks out of Frankfurt's stock exchange

Die Fondsbranche ist erfinderisch. Sie wirft immer neue Produkte auf den Markt.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Smart, also gerissen, gewieft oder klug, das klingt gut, es klingt nach: echt durchdacht. Beta steht für, aus der Finanzsprache übersetzt, die Wertentwicklung eines Marktsegments. Will da mal wieder jemand schlauer sein als der Markt?

Smart-Beta-Fonds tun mehr als nur einen Wertpapier-Index nachzubilden. Mit dem Begriff versehen Fondsgesellschaften Produkte, die klassische Strategien aktiver Fondsmanager mit den Vorteilen passiver Indexfonds verquicken, indem sie die Gewichtung von Werten in Indizes verändern oder gleich ganz neue bauen.

Bisher bewegt sich das in einem Teilbereich des ETF-Markts, mit einem Anteil von gut 20 Prozent in den USA, aber nur zwischen sieben und acht Prozent in Europa. "Die Fondsverwalter versuchen, den Bereich Smart Beta stärker in die Diskussion zu rücken, nicht zuletzt, weil sie an den Produkten mehr verdienen als an traditionellen ETFs", sagt Ali Masarwah, als Chefredakteur für die deutschsprachigen Seiten der Ratingagentur Morningstar zuständig. Da ist etwas dran, bedenkt man, wie die Kosten für ETFs binnen kurzer Zeit gesunken sind und die Produkte den Verwaltern nicht mehr viel einbringen. Fonds mit Zauberformel lassen sich da teurer verkaufen.

Wie eine solche Formel aussieht, zeigt die beliebteste Produktgruppe: dividendenorientierte ETFs. Statt den europäischen Aktienindex Stoxx 600 nachzubilden, filtert ein Smart-Beta-Fonds aus den 600 Einzeltiteln beispielsweise nur jene heraus, die eine hohe Dividende zahlen. Das ist eine bekannte Strategie. In der Theorie werden Aktien von Firmen, die viel Geld an ihre Aktionäre ausschütten, eher gekauft; ihre Kurse sind stabiler, und Fondskunden können auf höhere Auszahlungen vertrauen. "Das Thema ist im Grunde nicht neu", sagt Masarwah. Vor der Finanzkrise seien zum Beispiel Dividendenprodukte schon einmal en vogue gewesen. In der Krise kamen die Produkte schwer unter Druck, weil traditionell Banken zu den größten und verlässlichsten Dividendenzahlern gehörten. Statt der Banken haben heute Telekom-Firmen und Versorger ein deutliches Übergewicht, und wieder entsteht so womöglich ein Klumpenrisiko.

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"Smart-Beta-ETFs sind nur etwas für Anleger, die verstehen, wie die Produkte funktionieren."

Die beliebten Dividenden-Produkte sind zwar noch relativ leicht zu verstehen, der große Einfallsreichtum der Branche macht die Produkte aber teils sehr kompliziert. Es gibt Quality-ETFs, die nur Aktien besonders hochwertiger Unternehmen beinhalten sollen, Value-ETFs, die vermeintlich unterbewertete Unternehmen herausfiltern oder Minimum-Vola-Fonds, die versprechen, möglichst wenig zu schwanken. Bei manchen steht die Risikominimierung im Vordergrund, bei anderen der Versuch, bestimmte Marktphasen auszunutzen. Allen gemein ist: Sie setzen auf einen bestimmten Teil des Marktes oder auf eine konkrete Strategie, und das rückt sie in die Nähe von aktiven Investments.

Wie der zugrunde liegende Index gebaut ist, lässt sich nicht immer leicht nachvollziehen. "Smart-Beta-ETFs sind nur etwas für Anleger, die verstehen, wie die Produkte funktionieren", sagt Eric Wiegand, Spezialist für passive Investments bei der Deutschen Bank. Dann aber können sie sinnvoll sein, zum Beispiel als Beimischung in einem größeren Portfolio.

Für den typischen Privatanleger sei das aber nicht unbedingt empfehlenswert, sagt Masarwah. Damit meint er Anleger, die nicht eigenständig über große Vermögen verfügen und nicht die Zeit und Kenntnisse haben, Faktor-Investments - so lautet der Oberbegriff für regelbasierte Anlagen, mit denen man bestimmte Strategien umsetzt - klug einzusetzen. Das ist schon eher etwas für Profis, und genau deshalb ist das Segment der Smart-Beta-Fonds mehr als nur Marketing-Gerede: Wer die Vermögen anderer verwaltet, hat mit den Produkten einen Baukasten zur Verfügung, der nie größer war. Alle anderen sollten im Zweifel lieber auf die Klassiker vertrauen und jedes Mal behutsam überprüfen, was genau ein Indexfonds abbildet.

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