Geldwerkstatt:Steine im Portfolio

Lesezeit: 3 min

Niedrige Zinsen, hohe Unsicherheit - wie soll man da noch sein Geld investieren? In der "Geldwerkstatt" erklären wir aktuelle Fragen zur Geldanlage. (Foto: SZ-Grafik)

Die Baubranche boomt, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern. Als Anleger daran mitzuverdienen, ist aber gar nicht so leicht.

Von Victor Gojdka, München

Historischer Deckenstuck, Blumenmuster an den Geländern und eine rotbraune Fassade aus rheinischem Klinker: Im Düsseldorfer Andreas-Quartier lebt es sich herrschaftlich. Im vergangenen Jahr hat der Immobilienentwickler Frankonia Eurobau die Luxusanlage fertiggestellt. Der Umbau des historischen Quartiers mitten in Düsseldorf war ein Riesenprojekt mit mehr als 300 Millionen Euro Investitionssumme. Egal ob Großprojekt oder Eigenheim, überall wird gebaut.

Der Hauptverband Deutsche Bauindustrie prognostiziert für das Jahr 2017 die höchsten Erlöse seit 20 Jahren: 113 Milliarden Euro. Und auch 2018 soll es munter weitergehen. Am Ende des Jahres könnte unter dem Strich ein Plus von vier Prozent stehen, erwarten die Verbandsexperten. "Die Baukonjunktur wird sich weiter beleben", ist sich auch Bauexperte Jochen Möbert von Deutsche Bank Research sicher. Die niedrigen Zinsen beflügeln den Sektor weiterhin, man könnte sagen: noch. Denn die Bauzinsen ziehen bereits leicht an, zumindest kurzfristig sollte dies jedoch kein großes Problem für den Bausektor sein: "Viele Investoren dürften ihre Investitionen kurzerhand vorziehen und die Baukonjunktur befeuern", sagt Möbert.

Was läge da näher, als Aktien von Baukonzernen zu kaufen? Von der deutschen Bauwut zu profitieren, ist allerdings schwierig. Die großen Namen der Branche wie Hochtief sind längst internationalisiert und machen nur einen Bruchteil ihres Geschäftes in Deutschland. Die Zahl der Kräne vor der Haustür ist kein Gradmesser für die Lage der hiesigen Baukonzerne.

Von der weltweiten Bruttowertschöpfung im Bausektor entfallen nur vier Prozent auf Deutschland, zeigen Zahlen vom Analyse-Institut Oxford Economics. Die meisten der deutschen Betriebe sind Mittelständler oder Kleinunternehmen, die nicht an der Börse notiert sind. Und selbst bei börsennotierten Gesellschaften wie Hochtief oder Strabag müssen die Anleger genau hinschauen, was sie sich ins Portfolio holen: "Es gibt viele verschiedene Bauunternehmen mit Stärken in unterschiedlichen Regionen und Segmenten, die aber nie den Markt in seiner Breite abdecken", sagt LBBW-Analyst Jens Münstermann.

Der Baukonzern Hochtief ist vor allem in Amerika und Australien aktiv, während die österreichische Strabag den Löwenanteil ihres Geschäfts in Deutschland und Österreich macht. Der einstige Baukonzern Bilfinger ist längst ein Servicekonzern für Industrieunternehmen, Hochtief wiederum ist ins Geschäft mit Eisenerzen eingestiegen. Mit Mörtel und Wasserwaage haben diese Geschäftsfelder nur noch wenig zu tun. Und auch abgesehen davon sind Investments in die Baugiganten riskant: Selbst wenn sich der Bauboom fortsetzt, könnten ihre Aktien leiden. Denn viele der Großunternehmen bauen an Prestigeprojekten wie der Elbphilharmonie, die schnell für schlechte Presse sorgen und den Kurs unter Druck bringen können.

Wer also vom Boom profitieren will, sollte global denken und insbesondere die drei größten Märkte im Blick haben: Westeuropa steht für 20 Prozent des weltweiten Baumarktes, China für 17, die USA für 16 Prozent.

Experten gehen in diesem Jahr von einem Wachstum von 2,8 Prozent aus

Die europäische Bauwirtschaft kämpft sich noch aus ihrem Krisentief im Jahr 2013. "Die europäische Bauproduktion hat sich trotz der boomenden Wirtschaft seitdem erst moderat erholt", sagt der Analyst Jens Münstermann von der Landesbank Baden-Württemberg. Die Branche reagiere auf konjunkturelle Aufschwünge schließlich erst mit Verspätung. Bevor die Unternehmen anfangen würden zu bauen, liegen lange Planungsphasen.

In den USA dürfte es nach einem schwachen Bauwachstum im vergangenen Jahr nun wieder deutlich aufwärtsgehen, prognostiziert Oxford Economics. "Nach der Finanzkrise haben viele Menschen in den USA zur Miete gewohnt", sagt Ökonom Whittington. "Jetzt haben sie dank des Wirtschaftsbooms in den USA wieder Geld in den Taschen und bauen ihre eigenen vier Wände." Whittington rechnet mit einem Zuwachs der Bauproduktion von 2,8 Prozent in diesem Jahr. Sollten die Versprechungen des US-Präsidenten Donald Trump wahr werden, dürften Investitionen in die verkommene amerikanische Infrastruktur den Bausektor zusätzlich stützen. Doch die Wachstumschancen der Baukonzerne sind begrenzt. Denn viele Unternehmen tun sich schwer, überhaupt noch qualifizierte Arbeitskräfte für ihre Projekte zu finden.

In China rechnen Experten für das laufende Jahr mit einem Wachstum von 4,8 Prozent in der Branche. Den Unternehmen hilft Chinas Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, was vor allem neue Bürobauten und Einkaufszentren erfordert. Die Bauwut der chinesischen Privatleute dürfte sich hingegen abkühlen. Denn zuletzt verdichteten sich die Zeichen, dass die chinesische Führung den Immobilienboom bremsen will.

Trotz solcher Risiken, die weltweite Baukonjunktur sollte sich gut entwickeln, konstatieren Prognostiker. So geht Oxford Economics in diesem Jahr von 2,8 Prozent Wachstum auf dem Bau aus und sagt für 2019 ein Plus von 3,3 Prozent voraus.

Wie Anleger mitmischen können: Mit Indexfonds können sie sich breit aufstellen und einen ganzen Korb von Unternehmen kaufen. So enthält der Index Stoxx Europe 600 Construction & Materials viele Bauunternehmen und Materialhersteller. In den vergangenen fünf Jahren legte er um 154 Prozent zu, im Vergleich zu vor einem Jahr hat sich der Index aber fast nicht verändert. Selbst bei solchen Aktienkörben sollten Anleger gut hinschauen, welche Unternehmen sie sich damit ins Portfolio holen. Es sollen ja Steine sein, auf die man tatsächlich bauen kann.

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: