Geldwerkstatt:Nur die Ruhe

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Niedrige Zinsen, hohe Unsicherheit - wie soll man da noch sein Geld investieren? In der "Geldwerkstatt" erklären wir aktuelle Fragen zur Geldanlage. (Foto: SZ-Grafik)

Wie sollen kleine Anleger mit schlechten finanzpolitischen Nachrichten umgehen? Sie sollten ihre Strategie überprüfen, aber nicht hektisch werden, wie das Beispiel der italienischen Staatsanleihen zeigt.

Von Harald Freiberger, München

Seit fast vier Wochen prägt Italien die Nachrichten in der Politik und auf den Finanzmärkten. Die populistische Regierung hat mit ihren europafeindlichen und ausgabefreudigen Ankündigungen die Angst geschürt, dass die ohnehin hohe Staatsverschuldung noch weiter steigen könnte. Die Folge war ein starker Anstieg der Rendite für italienische Staatsanleihen, die das Risiko widerspiegelt. Mitte Mai lag sie noch bei 1,75 Prozent, am Freitag waren es 3,12 Prozent.

Was bedeutet das deutlich gestiegene italienische Risiko eigentlich für Privatanleger? Müssen sie darauf reagieren, und wenn ja, wie?

Auf den ersten Blick scheint die Antwort einfach: Wenn das Risiko so viel höher geworden ist, dann soll derjenige, der es nicht eingehen will, einfach keine italienischen Staatsanleihen mehr kaufen. In diese Richtung gehen auch die Ratschläge von Experten. "Ich würde derzeit nicht zum Einstieg raten", sagt Elmar Völker, Anleihenexperte der Landesbank Baden-Württemberg. Investoren müssten angesichts der neuen Regierung sicher deutlich vorsichtiger werden. Längerfristig sei das Risiko gestiegen, dass das Land seine Schulden nicht zurückzahlen kann.

Allerdings empfiehlt Völker Anlegern, die italienische Staatsanleihen bereits im Depot haben, nicht überzureagieren. Die Lage sei auch nicht so ernst, dass man sich "panisch aus dem Markt herausbewegen muss", sagt Völker. Es gibt einen großen Unterschied zu den Jahren 2010 und 2011, als die Euro-Krise eskalierte: Inzwischen garantiert die Europäische Zentralbank (EZB) dafür, dass die Renditen nicht in kritische Höhen steigen; sie kauft Anleihen und kündigte an, die Käufe im Notfall auszuweiten, "was immer es koste".

Ganz ungerührt kann das italienische Risiko Privatanleger trotzdem nicht lassen. Die meisten besitzen in ihren Depots die Papiere zwar nicht direkt, auf indirektem Wege aber sind sie weit verbreitet. Anleihenfonds, Mischfonds und Anleihen-Indexfonds (ETF) kommen an Italien als einem der größten Schuldner der Welt kaum vorbei. Institutionelle Anleger wie Versicherungen und Pensionskassen setzen im großen Stil auf solche Produkte, weil sie, breit gestreut, weniger riskant sind als Aktien. Daher sind auch in Deutschland viele Versicherungskunden und Mitglieder von Pensionskassen indirekt in Italien investiert - ohne das Ausmaß zu kennen. Sie müssen hoffen, dass die Risiken gut gemanagt werden.

Es gibt aber auch Privatanleger, die selbst Fonds oder Indexfonds im Depot haben, die ihrerseits wieder italienische Staatsanleihen enthalten. Ihre Zahl dürfte gar nicht so gering sein, da Staatsanleihen eigentlich in jedes Depot gehören. Anleger, die auf dem Kapitalmarkt unterwegs sind, haben die Wahl zwischen Anleihen und Aktien. Bankberater und Vermögensverwalter empfehlen eine umso höhere Aktienquote, je mehr Risiko ein Anleger zu tragen bereit ist. Je sicherheitsorientierter jemand ist, umso mehr Geld sollte er dagegen in Anleihen stecken, da diese weniger schwankungsanfällig sind.

Deshalb haben auch viele Privatanleger Fonds mit europäischen Staatsanleihen in ihren Depots. Beispiele sind die jeweiligen Produkte der Anbieter Axa, Blackrock, HSBC, BNY Mellon oder Pimco. Sie sind in der Regel so konstruiert, dass die größten Schuldner auch das größte Gewicht haben. Es geht also nicht um die Wirtschaftskraft eines Landes, sondern darum, wie viele Anleihen es auf den Kapitalmärkten ausgegeben hat. Das gilt auch für die Anleihen-Indizes, an denen sich Indexfonds orientieren. Ein wichtiger Index ist der Bloomberg Barclays Euro Aggregate Bond; in ihm hat Italien ein Gewicht von 16 Prozent. Beim Citi EMU Government Bond Index sind es sogar 24 Prozent, während etwa deutsche Staatstitel nur mit 17 Prozent gewichtet sind. Das heißt: Wer 10 000 Euro in einen ETF auf diesen Index investiert, legt 2400 Euro in italienischen Staatsanleihen an.

Man sollte seine Strategie "nicht nach den aktuellen Schlagzeilen ausrichten", rät ein Experte

Diesen Mechanismus müssen Privatanleger verstehen, um das Risiko abschätzen zu können, das Italien für ihr eigenes Depot bedeutet. Wie aber sollen sie damit umgehen? Ali Masarwah von der Fonds-Ratingagentur Morningstar rät ihnen, "kühlen Kopf" zu bewahren. Panik sei in Anlagedingen ein schlechter Ratgeber, man solle seine Strategie "nicht nach "aktuellen Schlagzeilen ausrichten". Das setzt allerdings voraus, dass man sich über eine Strategie auch Gedanken gemacht hat. Man muss wissen, welches Risiko man zu tragen bereit ist, daraus folgt die Aufteilung des investierten Kapitals auf Aktien und Anleihen.

"Was in den vergangenen Wochen in Italien passiert ist, hat der Markt schon in der höheren Rendite der Staatsanleihen abgebildet", sagt Masarwah. Ein Privatanleger könne nicht mit einer Aktion von heute - also zum Beispiel einem Verkauf der Papiere - ein Ereignis von gestern ungeschehen machen. Man müsse sich die Frage stellen, ob man das Risiko für Italien und den Euro heute anders einschätze. Grundsätzlich seien Risiken auf dem Kapitalmarkt Teil des Geschäfts. Wer jegliche Risiken ausschließen wolle, müsse sich auch mit weniger Rendite zufrieden geben.

Das zeigt auch die Performance mancher Staatsanleihen-Fonds, die in den vergangenen Jahren auf Sicherheit setzten und nur Titel aus Deutschland, Finnland oder den Niederlanden kauften und höher rentierliche Anleihen aus Spanien, Italien oder Portugal mieden. Sie schnitten so schlecht ab, dass manche von ihnen nun wegen mangelnder Nachfrage wieder geschlossen werden.

© SZ vom 11.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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