Geldwerkstatt:Droht Immobilienfonds eine Brexit-Krise?

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Offene britische Fonds mussten gut 14 Milliarden Euro privater Ersparnisse einfrieren. Hiesigen Anlegern kommt das bekannt vor. Zum Glück hat man in Deutschland Lehren aus der Finanzkrise gezogen.

Von Benedikt Müller

Seit dem Brexit-Referendum grübelt die Finanzwelt, wie viele Arbeitsplätze die Banken nun von der Londoner City an andere Finanzplätze verlagern könnten. Genau wissen wird man das wohl erst in Jahren, wenn die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU ausgelotet sind. Doch schon jetzt treibt Anleger die Sorge um, dass ein Brexit den Standort London schwächen würde, Immobilien an Wert verlieren und Mieteinnahmen wegbrechen könnten.

Offene Immobilienfonds aus Großbritannien spüren diese Angst besonders stark. Seit dem Brexit-Votum wollen so viele Anleger ihr Geld abziehen, dass die Fondsmanager in Probleme geraten. Denn den Großteil des Geldes haben sie in Bürogebäude oder Handelsimmobilien investiert, die man schlecht mal eben so verkaufen kann. Vor allem nicht in dermaßen unsicheren Zeiten. Deshalb haben mehrere britische Immobilienfonds den Handel mit ihren Anteilen ausgesetzt; Investoren kommen vorerst nicht an ihr Geld. Insgesamt sind gut 14 Milliarden Euro privater Ersparnisse eingefroren.

Hiesigen Anlegern dürfte das bekannt vorkommen. Als im Jahr 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, Immobilienpreise in den USA und in Südeuropa einbrachen, wollten Hunderttausende Deutsche nichts wie raus aus offenen Immobilienfonds. Damals wurden mehr als 20 Milliarden Euro eingefroren; einige Fonds mussten abgewickelt werden.

Nur hat man hierzulande Lehren aus der Krise gezogen. Seit Anfang 2013 gilt: Wer seinen Anteil zurückgeben will, muss dies zwölf Monate vorher ankündigen, damit sich die Fondsmanager darauf einstellen können. Außerdem müssen Neukunden ihre Anteile nun mindestens zwei Jahre lang halten. Wer schon vor der Neuregelung eingestiegen ist, darf pro Halbjahr höchstens 30 000 Euro aus einem offenen Immobilienfonds abziehen. Dank der strengeren Regeln fassen hiesige Anleger wieder Vertrauen in die Anlageklasse. Die Fonds sammeln zurzeit so viel Geld ein, dass sie gar nicht genug Immobilien finden, um es gescheit anzulegen.

So wundert es nicht, dass nun auch die Bank of England offene Immobilienfonds stärker regulieren will. Das berichten zumindest britische Medien. Wer sein Geld abziehen will, könnte künftig auch in Großbritannien gezwungen sein, dies im Voraus anzumelden. Und den Fondsmanagern könnte die Notenbank vorschreiben, einen Teil des Vermögens in Aktien oder Anleihen der Immobilienbranche anzulegen. Denn die Wertpapiere kann man, wenn nötig, sofort verkaufen. Dass diese Regeln rechtzeitig greifen würden, um Brexit-Verluste britischer Investoren abzuwenden, darf freilich bezweifelt werden.

Offene Immobilienfonds aus Deutschland dürften dagegen einen Brexit überstehen. Zwar haben sie im Schnitt zehn Prozent ihres Fondsvermögens in britische Immobilien investiert, wie die Berliner Ratingagentur Scope berichtet. Doch nicht nur die schärfere Regulierung schützt sie, sondern auch eine vorsichtige Bewertung der Immobilien: Hierzulande wird das Fondsvermögen nach dem Ertragswert-Verfahren bewertet; dabei geht es um den langfristigen Erlös, den die Immobilien bieten. In Großbritannien dagegen werden Marktwerte herangezogen. Und die können sich schnell ändern, wie die Brexit-Verwerfungen zeigen.

Klar ist aber auch: Offene Immobilienfonds ersetzen kein Sparkonto. Der Rendite von gut zwei Prozent pro Jahr steht das Risiko gegenüber, dass (auch hierzulande) Immobilienpreise nicht jedes Jahr steigen müssen.

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